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Kristallisationskeime für Kontinente

Geologie. - Die heute bevölkerten Landmassen erscheinen uns absolut selbstverständlich, doch die ältesten bekannten Zeugnisse in Form Milliarden Jahre alter Steine sprechen indes eine andere Sprache: Sie künden alleine von unterseeischen Meeresböden. Die einzigen sicheren Beweise für Grund oberhalb des Meeresspiegels deuten darauf hin, dass Kontinente erst entstanden, als die Erde schon einige Hundert Millionen Jahre zählte. Ob die Landplatten tatsächlich "Spätgeburten" der Erde sind oder es sich um ein Überlieferungsproblem handelt, erörterten Geologen anlässlich der Archean-Earth-Konferenz im australischen Perth.

    Anders als der Basalt der ozeanischen Kruste besteht das Grundmaterial der Kontinente aus Granit. Dieses Gestein ist - chemisch betrachtet - viel weiter fortentwickelt als der vergleichsweise primitive Basalt. Der Granit ist mit zahlreichen leichteren Elementen angereichert und schwimmt daher wie ein Korken auf dem dichten Erdkern. So lässt das leichte Gestein die Kontinente überdauern: Ihre Kerne überstehen Jahrmilliarden, während die schwere Meereskruste fast ausnahmslos nach rund 100 Millionen Jahren wieder im Erdinneren verschwunden ist. Doch über die Ursprünge der Kontinente ist kaum etwas bekannt. Die ersten deutlicheren Spuren reichen vier Milliarden Jahre in die Vergangenheit zurück, davor verliert sich alles im Dunklen. "Die chemischen Laven aus jener Zeit, die sich in Meeresböden erhalten haben, enthalten zu wenig leichte Elemente, wie Silizium, Sauerstoff und Aluminium. Damit fehlt ihnen vieles von dem, woraus die Minerale der Erdkruste aufgebaut sind", berichtet Paul Sylvester von der Memorial University in Kanada.

    Heute wachsen Kontinente, weil bei ihrer Kollision mit anderen Erdplatten immer neues Material angefügt wird. Doch irgendwann muss dazu einmal ein Keim gelegt worden sein. Möglicherweise geschah dies, so vermutet der Geologe, weil damals der Erdmantel heißer und daher die Strömungen in ihm schneller waren: "In einem heißen Medium steigen leichte Komponenten schneller nach oben. So könnten damals leichte Mineralien wie Schaum an die Oberfläche gestiegen sein und sich dort als Granitkruste abgesetzt haben. Auf diese Weise könnte sich sogar mehr Kontinentalkruste gebildet haben, als wir heute kennen." Diese ersten Kontinente waren allerdings vermutlich instabil und wurden durch aufwallende Strömungen aufgebrochen und ihre Fragmente wieder in die Tiefe gerissen. Vor rund 2,7 Milliarden Jahren aber kam es zu einer Veränderung: Plötzlich entstanden die ersten dauerhaften Kontinentkeime, an denen sich die Kruste rasch vermehrte.

    Die Ursache hierfür könnte eine Karambolage zwischen Gesteinszungen, die von Abwärtsströmungen wieder herabgezogen wurden, sowie so genannten Mantelplumes gewesen sein. Dabei handelt es sich um Ströme von heißem Gestein, die sich von der Grenze zwischen Erdkern und -mantel lösen und wie ein Schneidbrenner an die Oberfläche durchbrennen. "Hinweise belegen, dass es damals ungewöhnlich viele solcher Mantelplumes gegeben hat. Meist landete ihre Lava in Meeresbecken, aber ereignete sich einmal eine solche Kollision an jenen Stellen, wo eine ozeanische Platte unter eine andere Erdplatte gezogen wurde, dann könnte das zu einer Stabilisierung der Erdplatte beigetragen haben", meint Derek Wyman von der Universität Sydney.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]