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Lehramtsstudium
Sexuelle Bildung und Prävention von sexueller Gewalt

Zum Thema sexuelle Bildung fühlen sich 90 Prozent der Lehrkräfte und Lehramtsstudierenden schlecht informiert. Nun soll es ein erstes Seminarangebot an der Universität Leipzig geben. Dieses soll die Studierenden für das Verhalten ihrer zukünftigen Schüler in Bezug auf Sexualität sensibilisieren.

Von Jens Falkowski |
Ein kleines Mädchen sitzt an eine Wand gelehnt neben ihrem Schulranzen und hält sich die Hände vors Gesicht.
Oft fehlt es Pädagogen beim Thema Prävention von sexueller Gewalt an entsprechender Ausbildung (picture alliance / dpa / Nicolas Armer/dpa)
Valentin Rodeck studiert im siebten Semester Lehramt für Gymnasien. Für seine fachliche Aufgabe sieht er sich gut gerüstet, doch das allein reiche nicht:
"Wir haben die Aufgabe, guten Unterricht also die fachdidaktische Seite anzubieten, aber ich habe das Gefühl, dass zur Zeit und zukünftig verstärkt immer mehr Aufgaben an Lehrerinnen und Lehrer abgegeben werden und deswegen denke ich, dass wir auf jeden Fall mehr pädagogische Themen in das Lehramtsstudium nehmen sollten."
Vor allem beim Thema sexuelle Bildung und Prävention von sexueller Gewalt fehlt es den Pädagogen oft an entsprechender Ausbildung. Das hat eine Studie der Uni Leipzig und der Hochschule Merseburg im gemeinsamen Projekt "SeBiLe" gezeigt. Von den befragten Lehrern und Lehramtsstudierenden fühlen sich 90 Prozent schlecht informiert und wollen mehr Angebote. Für den Sexualwissenschaftler Heinz-Jürgen Voß von der Hochschule Merseburg ist deshalb klar, dass sich dringend etwas ändern muss:
"Wir haben einen erheblichen Bedarf. In jeder Schulklasse können wir davon ausgehen, dass ein bis zwei Mädchen und ein Junge konkret von sexualisierter Gewalt betroffen waren oder aktuell von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Also das Thema ist schlicht da und wir müssen an der Stelle tatsächlich handeln."
Selbstreflexion angehender Lehrkräfte
So soll es bereits zum Sommersemester 2020 ein erstes Seminarangebot für Lehramtsstudierende an der Universität Leipzig geben. Sabine Wienholz ist hier wissenschaftliche Mitarbeiterin und mit der Konzeption des neuen Seminars beschäftigt. Neben den Grundlagen zur sexuellen Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen spielt auch die Selbstreflexion der Studierenden eine wichtige Rolle:
"Was bedeutet Sexualität auch für mich und welche Werte verbinde ich damit und welche Botschaften gebe ich auch selbst weiter. Dann werden weitere Inhalte sein: Diversität, Vielfalt, kindliche Sexualität selber noch mal, sprich im Grundschulalter, auch Pubertät wird ein Thema sein wie auch Prävention sexueller Gewalt."
Im kommenden Seminar sollen die angehenden Lehrkräfte nicht lernen, wie sie selbst sexuelle Bildung in der Schule unterrichten. Vielmehr sollen sie für das Verhalten ihrer zukünftigen Schüler sensibilisiert werden, so Wienholz:
"Letztendlich geht es darum eine gewisse Wahrnehmung zu schaffen und eine Anerkennung, dass Sexualität nicht ausschließlich im Erwachsenenalter stattfindet mit unserer Vorstellung von einer gewissen Genitalität, sondern dass Sexualität was viel Umfassenderes ist und dass das auch ganz viel mit Selbstwert, Selbstanerkennung, Selbstachtsamkeit zu tun hat. Es ist ein soziales Verhalten, was Schülerinnen und Schüler lernen müssen und dazu gehört auch Grenzen zu akzeptieren und gut auf sich zu achten."
Gedacht ist das Seminar "sexuelle Bildung" an der Universität Leipzig für Lehramtsstudierende der höheren Semester, die bereits praktische Erfahrungen in Schulen gesammelt haben. Auch die bisherigen Erkenntnisse aus verwandten Angeboten der Universität sollen hier einfließen. Derzeit ist dies das Seminar zu sexueller Vielfalt. Johanna Bunse, Grundschullehramtsstudentin im siebten Semester, besucht es freiwillig. Sie wünscht sich für diese Angebote mehr Verbindlichkeit:
"Ich glaube, es ist extrem wichtig. Meine Motivation war, dass mir in vielen Kontexten in der Grundschule aufgefallen ist, dass da im Bereich sexueller Vielfalt viel nachzuholen ist."
Seminar "sexuelle Bildung" bisher nur in Leipzig
Der Sexualwissenschaftler Heinz-Jürgen Voß von der Hochschule Merseburg hat festgestellt, dass es hier keine Unterschiede nach Schulformen oder beim Ausbildungsgrad der Eltern gibt. Deshalb möchte er das Angebot möglichst flächendeckend einführen:
"Ein erstes Anliegen wäre uns als Projekt, dass tatsächlich ein Seminar über ein ganzes Semester auf den Weg kommt, wirklich an jeder erziehungswissenschaftlichen Fakultät verpflichtend für jede werdende Lehrkraft. Dass sich diesen Fragen, also sexuelle Bildung, sexuelle Entwicklung, Prävention sexualisierter Gewalt zuwendet und tatsächlich nicht ein Thema, wo man sagt, wir haben das, so was Ähnliches, zu Gewalt und es damit abdeckt. Das wäre der falsche Weg."
Bislang ist allerdings nur das Seminar an der Universität Leipzig geplant, in der Hoffnung das andere Hochschulen folgen. Für Lehrer, die bereits im Berufsleben stehen, bietet die Hochschule Merseburg Weiterbildungen zur Sexualität in der Schule an. Bundesweit ist das aber die Ausnahme.