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Neue Technik für Hilfe bei Schiffsunfällen

Was würde eigentlich passieren, wenn ein Schiffsunfall wie jetzt vor Alaska in der Nord- oder Ostsee passieren würde, sozusagen vor unserer Haustür? Die Region gehört schließlich zu den meist befahrenen Strecken der Meere - die Gefahr ist entsprechend groß. Um die Schäden einzudämmen, wäre vor allem eine schnelle Reaktion vonnöten, gerade auch bei hohem Seegang und schlechtem Wetter, denn dann passieren bekanntlich die meisten Unfälle. Eine Hamburger Reederei hat jetzt ein neues System entwickelt, um schneller an den Havaristen heranzukommen, Menschen zu retten und Schäden einzudämmen.

Von Folkert Lenz |
    Es muss ja gar kein Riesentanker sein. Schon ein kleines Schiff, das vor den deutschen Küsten sinkt und dabei seinen Treibstoff ins Meer ergießt, könnte Strände und Watt nachhaltig verdrecken. Schnelle Hilfe tut deshalb im Falle eines Unfalles Not. Doch ein Unglücksschiff soweit wieder herzurichten, dass es in einen Hafen geschleppt werden kann, ist gar nicht so einfach. Wellengang, Sturm und knapper Platz auf dem Havaristen machen die nötigen Bergungsarbeiten oft unmöglich. Carsten Wibel von der Bugsier-Reederei aus Hamburg schlägt deshalb ein Pontonsystem vor, von dem aus zügig Hilfe kommen könnte:

    Das Schutzplatzkonzept, das wir entwickelt haben, nutzt einfache Schwimmbehälter, die etwa 70 mal 20 Meter groß sind. Wir brauchen, um es umsetzen zu können, drei Stück davon. Einer dieser Schwimmkörper, eine Barge, bringen wir zum Havaristen. Der wird vom Notschlepper zu einem vor Wind und Wetter geschützten sicheren Ankerplatz gebracht.

    Neben ihm wird dann der erste Ponton verankert. Zwei weitere kommen später hinzu, dadurch entsteht eine viereinhalbtausend Quadratmeter große Arbeitsplattform. Der Vorteil: Material müsste nicht aufwändig per Helikopter eingeflogen werden. Wenn nötig, könnten Feuerwehr oder Ölbekämpfer vor der Abreise sogar ihre Spezialfahrzeuge einfach von der Pier auf die Barge rollen lassen. Diese wird dann zum Havaristen geschleppt. Auf dem Wasser später können die Retter dann wie gewohnt arbeiten – wie an Land, sagt Wibel:

    Da können Sie einen richtigen Treppenturm drauf bauen, aus Gerüstteilen zum Beispiel, so dass Sie ganz normal eine Treppe raufgehen können. Sie können eine Drehleiter aufstellen, Sie können da einen Kran draufstellen. Auf der Transportbarge haben wir das so vorgesehen, dass man dort ein Extradeck noch reinziehen kann, unter dem die Leute Schutz finden, wenn größere Sachen bei einer Explosion in die Luft geschleudert werden.

    So wäre auch Raum für einen Hubschrauberlandeplatz. Ein 4.000-Kubikmeter-Tank soll dazu dienen, gefährliche Flüssigkeiten vom Unfallschiff aufzunehmen, die Ladung oder die Treibstoffbehälter zu leichtern.
    Fünf solcher Bargen müssten an den deutschen Küsten deponiert werden, rechnet die Gesellschaft vor. Dann könnte der jeweils erste Ponton innerhalb von drei Stunden an nahezu jeden Notliegeplatz auf Nord- oder Ostsee geschleppt werden. Spätestens nach acht Stunden wären dann alle Segmente einsatzbereit. Doch das Interesse der Stellen, die für den Meeres- und Küstenschutz zuständig sind, hält sich in Grenzen, erklärt Peter Meier von der Bugsier-Reederei:

    Das ist den Hafenkapitänen vorgetragen worden. Ungefähr 15 an der Zahl, von allen wichtigen Häfen. Die finden das alle gut. Das Problem ist eben: Wer ist dafür zuständig? Wir haben den Bund, wir haben die Länder, wir haben die Kommunen.

    Und keiner von denen will die Kosten von rund zehn Millionen Euro übernehmen. Schon bald könnte aber frischer Wind in die Debatte kommen. Denn auch Deutschland muss nach EU-Vorgaben jetzt schnell eine Liste von so genannten Nothäfen, von Reeden und anderen Liegeplätzen erstellen, an die havarierte Schiffe im Katastrophenfall geschleppt werden können. Das Schutzplatz-Konzept wäre dann vielleicht eine Alternative zu dem Szenario, das jeder Hafenchef fürchtet: Dass ein brennender Frachter oder ein auslaufender Chemietanker an seine Pier gelegt wird.

    Das Bargesystem wäre übrigens ausbaufähig, ergänzt Meier noch. Mit ein paar Umbauten könnte es zur Ölbekämpfung auf See eingesetzt werden:

    Ich habe also einen doppelten Rumpf zur Ölführung: Einen schrägen Rumpf, der das Öl-Wasser-Gemisch unter den Rumpf drückt. Dahinter kann es aufsteigen. Da habe ich einen Moonpool, eine riesige Öffnung, da sammelt sich das Öl an der Oberfläche, und da pumpe ich es ab. Ich habe also praktisch einen Ponton mit zwei riesig großen Löchern.

    Die TU Berlin hat entsprechende Pläne für ein solches Ölaufnahmesystem in der Schublade. Es soll auch noch bei zweieinhalb Meter hohen Wellen arbeiten. Ein Schlepper würde den Ponton mit fünf Knoten durch den Ölteppich ziehen, die Räumgeschwindigkeit wäre vergleichsweise hoch.

    Der Nachteil: Bislang gibt es einen solchen Anti-Öl-Katamaran nur als Modell. Nun müsste ein Prototyp gebaut werden – aber auch den will keiner finanzieren.