Kann man einen überdimensionalen Bauch schön finden? Einen Stammtischbruder mit sattem Bierbauch wird diese Frage kaum umtreiben. Eine Frau, die jahrelang auf ihre schlanke Taille geachtet hat, schon eher. Man kann, lautet die Antwort. Die achtzehn Frauen, die sich hochschwanger für Petra Beckers Fotoband "Schwanger und schön" porträtieren ließen, waren in vollkommenem Einklang mit sich und ihrem prallen Bauch, um den sich (fast) alles dreht, im Buch und in der Schwangerschaft, die durch eben diesen Bauch ersichtlich und damit "öffentlich" wird, wie es eine der Frauen im Gespräch mit der Fotografin ausdrückte.
Der Titel allein hätte mich nicht zu dem Band greifen lassen, weckt er doch die Erwartung von pausbäckiger Mütterlichkeit oder blassem Schwächeln, von "guter Hoffnung" in weiten Kleidern, garniert mit Tipps für gesunde Mahlzeiten, effektive Beckenbodengymnastik und Maßnahmen zur Vorbeugung von Schwangerschaftsstreifen. Das Cover hingegen verspricht: Nein, nein das alles ist hier nicht zu finden! Es zeigt Wiebke, die so gar nicht ins Klischee von einer künftigen Vorzeige-Mami passt. Nur mit einem Höschen bekleidet, dessen Beinansatz sie keck nach hinten zieht, strahlt sie mit ihrer flippigen Frisur den Betrachter an. Dabei ist sie durchaus nicht superglücklich, wie man in ihrem Textporträt nachlesen kann. Sie wird ihre Tochter allein großziehen müssen, hat Angst vor der neuen Verantwortung und sorgt sich um ihre finanzielle Situation. Doch sie hat sich für das Kind entschieden und nach den ersten drei verheulten Monaten, nach Gewissenskonflikten und heftigen Stimmungsschwankungen hat sie zu einer natürlichen Gelassenheit gefunden, wie sie alle porträtierten Frauen kennzeichnet, egal wie sie sich der Kamera zeigen.
Die 33-jährige Amely beispielsweise sitzt aufrecht und breitbeinig auf ihrem Stuhl, die Arme locker über der Rückenlehne. Stolz wirkt sie und entspannt. Zwei Seiten weiter tanzt sie mit ihrem Giuseppe geradezu ausgelassen im bauchfreien schwarz-roten Zweiteiler. Petra Becker hat die Kleidung ihrer "Models" sorgfältig ausgesucht, typgerecht für die Romantikerin, die Resolute, Sportliche oder Mädchenhafte. Sie arbeitet vorwiegend im Bereich Mode- und Lifestylefotografie und das sieht man ihren Porträtfotos an. Nichts ist dem Zufall überlassen und doch wirken die Aufnahmen natürlich. Diese Frauen zwischen achtzehn und zweiundvierzig spielen keine Rolle. Wenn sie mit ihren üppigen Rundungen kokettieren, sich witzig oder lustvoll präsentieren, sich räkeln, lachen oder einfach ausruhen, dann sind sie ganz bei sich selbst.
Den Ausschlag für die erste Fotoserie gab eine Zufallsbegegnung. Kerstin erwartete in vier Wochen Zwillinge, als sie Petra Becker an einem heißen Sommertag auf der Straße entgegenkam. Und die war von der Ausstrahlung dieser fremden Frau derart fasziniert, dass sie spontan um einen Fototermin bat. Die Idee zum Buch kam erst später, als ihr auffiel, dass Schwangere heute ihr neues Lebens- und Körpergefühl bewusst zum Ausdruck bringen; ihren Bauch eben nicht unter wallenden Gewändern oder in einer überweiten Latzhose verstecken sondern in eng anliegende Kleider packen. Und aus diesem Selbstbewusstsein heraus erzählt jede der Frauen, als schriebe sie zwei Seiten ins Tagebuch, wie stark sich ihr Körper und ihre emotionale Lage durch die Schwangerschaft verändert haben. Dass sie damit nicht zu asexuellen Wesen geworden sind, ist schon beim ersten Durchblättern des Bandes zu erkennen. Das sind Rundungen zum Anfassen.
Wie anders ist der Trend bei der Kinderfotografie! Sie sucht nicht Nähe sondern Distanz, nicht Natürlichkeit sondern Stilisierung. Somnambule Wesen, traumhaft entrückt durch die unscharfen, absichtlich verschwommenen Schwarz-Weiß-Fotografien eines William Ropp, von dem im vergangenen Herbst ein Band im Heidelberger Kehrer Verlag erschien. Oder scharf ausgeleuchtet in einer gewollt künstlichen Inszenierung mit engem Farbspektrum wie bei Loretta Lux. Hier hat der Hatje Cantz Verlag die Witterung aufgenommen und vor kurzem einen hundertseitigen Band mit den befremdlich objekthaften Kinderfotos des ostdeutschen Shooting Stars herausgebracht.
Ihr lautmalerischer Künstlername, Loretta Lux, ihr perfektes Äußeres mit einem geradezu maskenhaften Gesicht und das Abschirmen ihrer Arbeits- und Lebenswelt, diese Manipulation, ja Aufhebung der Identität ist auch ihr künstlerisches Programm. Und wie die Diva selbst, so schweben ihre Modelle über den Niederungen des Alltags, - allerdings ohne darüber glücklich zu sein. Diese Kinder, vielfach Kinder von Freunden, wirken wie Porzellanpuppen in unvorteilhaften altmodischen Kleidern. Stimmt es, dass sie, wie Francine Prose in ihrem Vorwort zum Buch schreibt, unserer Vorstellung von Kindheit als einem isolierten, traumverlorenen Zustand entsprechen? Dann wären sie die bildgewordene Entfremdung vom Kindsein. Tatsächlich sind sie nicht mehr und nicht weniger als ein Teil - und zwar der Hauptteil - einer Komposition, deren Idee sie dienen: der Idee von einem blässlichen Jungen, der Idee vom Brautspielen, der Idee von einem Rosengarten, in dem ein lockiges Mädchen mit grün-rosanem Kleid steht. Sie haben keinen individuellen Ausdruck. Die Ilfochrome-Abzüge, kaum größer als ein DinA-4-Format, sind digital bearbeitet, die Hintergründe, gemalt oder fotografiert, am Computer hinzugefügt.
Loretta Lux, gebürtige Dresdnerin, studierte in München Malerei, bevor sie 1999 anfing, zu fotografieren. Die Liste öffentlicher Sammlungen, die im Besitz ihrer Arbeiten sind, nennt siebzehn Einrichtungen, überwiegend in den USA. Ein beachtlicher Erfolg innerhalb von sechs Jahren! Worauf gründet er? Auf dem Vermögen, von der Wirklichkeit zu abstrahieren und mit den technischen Möglichkeiten des Computers eine ersichtlich künstliche und künstlerische Scheinwelt zu erschaffen. Dabei bekommt nicht die Malerei fotografischen Charakter wie bei den Fotorealisten sondern umgekehrt die Fotografie malerischen Charakter. Nicht von ungefähr assoziiert man mit den imaginären Porträts die Kinderbildnisse Alter Meister; das Frisieren, Drapieren und Posieren der spanischen Infantin für Meister Velázquez oder andere Repräsentationsstücke, kombiniert mit Landschaften in Art der Neuen Sachlichkeit oder eines romantischen Naturalismus.
Ein größerer Gegensatz zu diesen Arbeiten als Peter Gransers Fotografien von Alzheimerpatienten ist kaum vorstellbar. Vierzig von ihnen sind nun in einem Fotoband des Heidelberger Kehrer-Verlages unter dem Titel "Alzheimer" vereint. Es sind authentische Bestandsaufnahmen vom unaufhaltsamen Persönlichkeitsverlust der Betroffenen. Granser arbeitet nicht mit einer Digital- sondern mit einer Autoreflexkamera, und was seine Bilder so eindrücklich macht, sind nicht die Manipulationen am Computer sondern sein Zugriff auf den charakteristischen Moment, auf den Augenblick, in dem sich der Zustand des Menschen vollständig offenbart. Über eine Million Demenz-Patienten gibt es in Deutschland und 70 Prozent von ihnen haben Alzheimer. Der im Alter bei vielen Menschen zunehmende Verlust an geistigen Fähigkeiten ging früher als der Normalfall durch und man sprach etwas abfällig von Verkalkung. Die Symptome waren meist nicht derart auffällig wie heute, wo immer mehr Menschen immer älter werden und die noch belächelte Vergesslichkeit in Erkennungsstörungen, Gedächtnis- und Sprachzerfall sowie völlige Pflegeabhängigkeit mündet. Für die Medizin ist das ein Krankheitsbild, ein hirnorganisches Leiden, verursacht durch ein Zuviel des Neurotransmitters Glutamat. Dass man darin auch ein langsames Verabschieden aus der Welt sehen könnte, nämlich das natürliche Gegenteil zum allmählichen Bewusstwerdungsprozess des Säuglings und Kleinkindes, das vermerkt Christoph Ribbat in seinem kompetenten Vorwort.
Wie kam Peter Granser zu dem ungewöhnlichen Sujet seiner Fotoserie? Er war für den internationalen Workshop "World Press Photo Masterclass" in Rotterdam ausgewählt worden, für den 2001 das Arbeitsthema "Identität" vorgegeben worden war. Granser, heute Mitte 30, arbeitet seit seinem 20. Lebensjahr als freier Fotograf und Bildjournalist. Er ist Autodidakt, wurde mehrfach ausgezeichnet und trat 2003 vor ein breiteres Publikum, als er seinen Fotoband "Sun City" vorlegte: eine Serie über eine skurrile Rentnerkolonie im amerikanischen Südwesten. Der Band "Alzheimer" zeigt das Gegenteil von diesem geradezu zwanghaften Senioren-Frohsinn mit seinem demonstrativen Selbstbewusstsein: nämlich den Identitätsverlust und den Zustand von Verstörung, Angst und Selbstverlorenheit, von Aggression und einer Art Trance. Granser fotografierte im Stuttgarter Gradmann Haus, einem pflegerischen Vorzeigeprojekt. Ruhige einfarbige Hintergründe, Pastellfarben und lichtverschwommene Silhouetten dämpfen den aufgewühlten Gesichtsausdruck in den Nahaufnahmen, die nicht auf den Schrecken und das Mitleid des Betrachters zielen. In ihrer Summe fügen sich diese hervorragenden Fotografien zu einem facettenreichen und ausdrucksstarken Porträt von - Alzheimer.
Der Titel allein hätte mich nicht zu dem Band greifen lassen, weckt er doch die Erwartung von pausbäckiger Mütterlichkeit oder blassem Schwächeln, von "guter Hoffnung" in weiten Kleidern, garniert mit Tipps für gesunde Mahlzeiten, effektive Beckenbodengymnastik und Maßnahmen zur Vorbeugung von Schwangerschaftsstreifen. Das Cover hingegen verspricht: Nein, nein das alles ist hier nicht zu finden! Es zeigt Wiebke, die so gar nicht ins Klischee von einer künftigen Vorzeige-Mami passt. Nur mit einem Höschen bekleidet, dessen Beinansatz sie keck nach hinten zieht, strahlt sie mit ihrer flippigen Frisur den Betrachter an. Dabei ist sie durchaus nicht superglücklich, wie man in ihrem Textporträt nachlesen kann. Sie wird ihre Tochter allein großziehen müssen, hat Angst vor der neuen Verantwortung und sorgt sich um ihre finanzielle Situation. Doch sie hat sich für das Kind entschieden und nach den ersten drei verheulten Monaten, nach Gewissenskonflikten und heftigen Stimmungsschwankungen hat sie zu einer natürlichen Gelassenheit gefunden, wie sie alle porträtierten Frauen kennzeichnet, egal wie sie sich der Kamera zeigen.
Die 33-jährige Amely beispielsweise sitzt aufrecht und breitbeinig auf ihrem Stuhl, die Arme locker über der Rückenlehne. Stolz wirkt sie und entspannt. Zwei Seiten weiter tanzt sie mit ihrem Giuseppe geradezu ausgelassen im bauchfreien schwarz-roten Zweiteiler. Petra Becker hat die Kleidung ihrer "Models" sorgfältig ausgesucht, typgerecht für die Romantikerin, die Resolute, Sportliche oder Mädchenhafte. Sie arbeitet vorwiegend im Bereich Mode- und Lifestylefotografie und das sieht man ihren Porträtfotos an. Nichts ist dem Zufall überlassen und doch wirken die Aufnahmen natürlich. Diese Frauen zwischen achtzehn und zweiundvierzig spielen keine Rolle. Wenn sie mit ihren üppigen Rundungen kokettieren, sich witzig oder lustvoll präsentieren, sich räkeln, lachen oder einfach ausruhen, dann sind sie ganz bei sich selbst.
Den Ausschlag für die erste Fotoserie gab eine Zufallsbegegnung. Kerstin erwartete in vier Wochen Zwillinge, als sie Petra Becker an einem heißen Sommertag auf der Straße entgegenkam. Und die war von der Ausstrahlung dieser fremden Frau derart fasziniert, dass sie spontan um einen Fototermin bat. Die Idee zum Buch kam erst später, als ihr auffiel, dass Schwangere heute ihr neues Lebens- und Körpergefühl bewusst zum Ausdruck bringen; ihren Bauch eben nicht unter wallenden Gewändern oder in einer überweiten Latzhose verstecken sondern in eng anliegende Kleider packen. Und aus diesem Selbstbewusstsein heraus erzählt jede der Frauen, als schriebe sie zwei Seiten ins Tagebuch, wie stark sich ihr Körper und ihre emotionale Lage durch die Schwangerschaft verändert haben. Dass sie damit nicht zu asexuellen Wesen geworden sind, ist schon beim ersten Durchblättern des Bandes zu erkennen. Das sind Rundungen zum Anfassen.
Wie anders ist der Trend bei der Kinderfotografie! Sie sucht nicht Nähe sondern Distanz, nicht Natürlichkeit sondern Stilisierung. Somnambule Wesen, traumhaft entrückt durch die unscharfen, absichtlich verschwommenen Schwarz-Weiß-Fotografien eines William Ropp, von dem im vergangenen Herbst ein Band im Heidelberger Kehrer Verlag erschien. Oder scharf ausgeleuchtet in einer gewollt künstlichen Inszenierung mit engem Farbspektrum wie bei Loretta Lux. Hier hat der Hatje Cantz Verlag die Witterung aufgenommen und vor kurzem einen hundertseitigen Band mit den befremdlich objekthaften Kinderfotos des ostdeutschen Shooting Stars herausgebracht.
Ihr lautmalerischer Künstlername, Loretta Lux, ihr perfektes Äußeres mit einem geradezu maskenhaften Gesicht und das Abschirmen ihrer Arbeits- und Lebenswelt, diese Manipulation, ja Aufhebung der Identität ist auch ihr künstlerisches Programm. Und wie die Diva selbst, so schweben ihre Modelle über den Niederungen des Alltags, - allerdings ohne darüber glücklich zu sein. Diese Kinder, vielfach Kinder von Freunden, wirken wie Porzellanpuppen in unvorteilhaften altmodischen Kleidern. Stimmt es, dass sie, wie Francine Prose in ihrem Vorwort zum Buch schreibt, unserer Vorstellung von Kindheit als einem isolierten, traumverlorenen Zustand entsprechen? Dann wären sie die bildgewordene Entfremdung vom Kindsein. Tatsächlich sind sie nicht mehr und nicht weniger als ein Teil - und zwar der Hauptteil - einer Komposition, deren Idee sie dienen: der Idee von einem blässlichen Jungen, der Idee vom Brautspielen, der Idee von einem Rosengarten, in dem ein lockiges Mädchen mit grün-rosanem Kleid steht. Sie haben keinen individuellen Ausdruck. Die Ilfochrome-Abzüge, kaum größer als ein DinA-4-Format, sind digital bearbeitet, die Hintergründe, gemalt oder fotografiert, am Computer hinzugefügt.
Loretta Lux, gebürtige Dresdnerin, studierte in München Malerei, bevor sie 1999 anfing, zu fotografieren. Die Liste öffentlicher Sammlungen, die im Besitz ihrer Arbeiten sind, nennt siebzehn Einrichtungen, überwiegend in den USA. Ein beachtlicher Erfolg innerhalb von sechs Jahren! Worauf gründet er? Auf dem Vermögen, von der Wirklichkeit zu abstrahieren und mit den technischen Möglichkeiten des Computers eine ersichtlich künstliche und künstlerische Scheinwelt zu erschaffen. Dabei bekommt nicht die Malerei fotografischen Charakter wie bei den Fotorealisten sondern umgekehrt die Fotografie malerischen Charakter. Nicht von ungefähr assoziiert man mit den imaginären Porträts die Kinderbildnisse Alter Meister; das Frisieren, Drapieren und Posieren der spanischen Infantin für Meister Velázquez oder andere Repräsentationsstücke, kombiniert mit Landschaften in Art der Neuen Sachlichkeit oder eines romantischen Naturalismus.
Ein größerer Gegensatz zu diesen Arbeiten als Peter Gransers Fotografien von Alzheimerpatienten ist kaum vorstellbar. Vierzig von ihnen sind nun in einem Fotoband des Heidelberger Kehrer-Verlages unter dem Titel "Alzheimer" vereint. Es sind authentische Bestandsaufnahmen vom unaufhaltsamen Persönlichkeitsverlust der Betroffenen. Granser arbeitet nicht mit einer Digital- sondern mit einer Autoreflexkamera, und was seine Bilder so eindrücklich macht, sind nicht die Manipulationen am Computer sondern sein Zugriff auf den charakteristischen Moment, auf den Augenblick, in dem sich der Zustand des Menschen vollständig offenbart. Über eine Million Demenz-Patienten gibt es in Deutschland und 70 Prozent von ihnen haben Alzheimer. Der im Alter bei vielen Menschen zunehmende Verlust an geistigen Fähigkeiten ging früher als der Normalfall durch und man sprach etwas abfällig von Verkalkung. Die Symptome waren meist nicht derart auffällig wie heute, wo immer mehr Menschen immer älter werden und die noch belächelte Vergesslichkeit in Erkennungsstörungen, Gedächtnis- und Sprachzerfall sowie völlige Pflegeabhängigkeit mündet. Für die Medizin ist das ein Krankheitsbild, ein hirnorganisches Leiden, verursacht durch ein Zuviel des Neurotransmitters Glutamat. Dass man darin auch ein langsames Verabschieden aus der Welt sehen könnte, nämlich das natürliche Gegenteil zum allmählichen Bewusstwerdungsprozess des Säuglings und Kleinkindes, das vermerkt Christoph Ribbat in seinem kompetenten Vorwort.
Wie kam Peter Granser zu dem ungewöhnlichen Sujet seiner Fotoserie? Er war für den internationalen Workshop "World Press Photo Masterclass" in Rotterdam ausgewählt worden, für den 2001 das Arbeitsthema "Identität" vorgegeben worden war. Granser, heute Mitte 30, arbeitet seit seinem 20. Lebensjahr als freier Fotograf und Bildjournalist. Er ist Autodidakt, wurde mehrfach ausgezeichnet und trat 2003 vor ein breiteres Publikum, als er seinen Fotoband "Sun City" vorlegte: eine Serie über eine skurrile Rentnerkolonie im amerikanischen Südwesten. Der Band "Alzheimer" zeigt das Gegenteil von diesem geradezu zwanghaften Senioren-Frohsinn mit seinem demonstrativen Selbstbewusstsein: nämlich den Identitätsverlust und den Zustand von Verstörung, Angst und Selbstverlorenheit, von Aggression und einer Art Trance. Granser fotografierte im Stuttgarter Gradmann Haus, einem pflegerischen Vorzeigeprojekt. Ruhige einfarbige Hintergründe, Pastellfarben und lichtverschwommene Silhouetten dämpfen den aufgewühlten Gesichtsausdruck in den Nahaufnahmen, die nicht auf den Schrecken und das Mitleid des Betrachters zielen. In ihrer Summe fügen sich diese hervorragenden Fotografien zu einem facettenreichen und ausdrucksstarken Porträt von - Alzheimer.