Angela Krauß liest aus ihrem Roman: ,Der Strom' (1/2)
(Teil 2 am 13.2.2019)
Angela Krauß schreibt eine erzählende Prosa nahe am Versepos, getragen von der Sprache und einer Fantasie mit halb geschlossenen Augen. Und doch ist da eine konkrete Szene in ,Der Strom’: Es ist Sommer. Die Dichterin hält Mittagstisch an ihrem Platz neben dem Klavier, ihr Mäzen spielt Tennis, 17 Flugstunden weit weg, der Besitzer des französischen Restaurants bedient sie stets selbst. Die Oliven sind schwarz, fest und scharf. Dieser lustvolle Weltbezug steht im Gegensatz zu einer Existenz der Askese, zu der niemand Zutritt hat. Beide Lebensplätze - Tisch und Klause - befinden sich im rückwärtigen Viertel, jenem Stadtviertel, von dem es vor 30 Jahren hieß: Die Russen sind fort. So wie die Dichterin hier Erinnerungs- und Zukunftspartikel einsammelt, bis es zu einer plötzlichen Partikelverdichtung kommt, so abrupt durchfährt sie eines Nachts ein unbekannter Strom, als sollte sie unter hohem Druck aus ihrem Körper vertrieben werden.
Angela Krauß wurde am 2. Mai 1950 in Chemnitz geboren. Sie studierte an der Fachhochschule für Werbung und Gestaltung in Berlin und arbeitete dort für Messen und Ausstellungen. Von 1976 bis 1979 besuchte sie das Literaturinstitut J.R. Becher in Leipzig. Seit Anfang der 1980er-Jahre veröffentlicht sie Prosawerke. Vortrags- und Lesereisen führten sie unter anderem an Universitäten in den USA und Kanada. An der Universität Paderborn war Angela Krauß Gastdozentin für Poetik. Im Sommersemester 2004 hielt sie die Poetik-Vorlesung an der Universität Frankfurt unter dem Titel ,Die Gesamtliebe und die Einzelliebe'. 2013 erhielt sie den Wilhelm-Müller-Preis des Landes Sachsen-Anhalt für ihr schriftstellerisches Gesamtwerk. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Leipzig. Nach einem kurzen Gespräch liest Angela Krauß selbst aus ihrer Prosa ,Der Strom'.