Es war schnell verdientes Geld für Heinrich Kieber: Knapp fünf Millionen Euro zahlte der Bundesnachrichtendienst ihm damals für eine CD mit den Daten von einigen hundert mutmaßlichen Steuersündern, die ihr Schwarzgeld in Liechtenstein angelegt hatten. Unter ihnen auch der Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel. Ausgestattet mit einer neuen Identität, konnte der ehemalige Angestellte der liechtensteinischen LGT-Bank untertauchen. Das war 2008. Und in Deutschland wurde diskutiert. In den Medien, am Stammtisch. Auch in Hagen. Dort trafen sich der Wirtschaftsaftswissenschaftler und Unternehmer Jörg Sprave, sein Bruder Hartmut und der Diplom-Physiker Willi Mattutat zum wöchentlichen Bier. Für die Drei war klar: Hier war ein Paradigmenwechsel im Gange. Jörg Sprave erinnert sich:
"Wir fanden das eigentlich alle unmöglich, was da passiert, weil wir das alle als Bruch in der Politik empfunden haben. Bis dahin hieß es immer, der Staat macht mit Kriminellen keine Geschäfte, lässt sich nicht von Terroristen erpressen und bezahlt Verbrechern auch keine Belohnung für irgendwelche Hinweise. Und wir hatten das Gefühl, dass damit auf einmal Schluss war, und zwar nur aus Gier."
Die Idee war geboren. Die Sprave-Brüder samt Freund gründeten ihre Firma "Steuerverrat": Sie wollten als Makler mit zugespielten Steuerdaten handeln. Und die Behörden sollten für die Informationen zahlen. Die Stadt Hagen lieferte die Gewerbeerlaubnis. Denn alles sollte legal sein. Auf der Website, die im März 2008 online ging, konnten potenzielle Kunden lesen, dass 85 Prozent der Summe, die "Steuerverrat" als Belohnung für die Informationen aushandeln wollte, an den Informanten selbst fließen sollten. Doch die drei hatten es nicht auf die großen Fische im Teich der Steuerbetrüger abgesehen, sondern auf die Kleinen. Auf Hinweisgeber, die auf kleine Belohnungen scharf und dafür bereit waren, die Schwiegermutter, den Vermieter oder den Chef zu verpfeifen. Ihnen wollte die Firma "Steuerverrat" helfen, ihr Wissen an die Staatsanwaltschaften zu bringen. Aus dieser Gratwanderung zwischen Recht und Unrecht, Moral und Verrat entstand ihr Buch "Wir waren Steuerverräter". "Ein Insiderbericht aus der Denunziantenszene" – lautet der Untertitel. Und wie groß in Deutschland die Bereitschaft ist, selbst bei Aussicht auf nur wenig Geld, jemanden anzuschwärzen, überraschte Jörg Sprave sehr:
"Wir hatten Hunderte von Denunziationen, über die wir uns unterhalten mussten, wir hatten ja nur einige wenige angenommen. Aber die E-Mail-Briefkästen waren bei uns regelmäßig voll."
Die Geschichte der Steuerverräter liest sich wie ein Schelmenstück: 100 Euro war ihr Startkapital, das sie in den Aufbau ihrer Website investierten. In den verschiedensten Internetforen rührten sie für sich die Werbetrommel. Mit Erfolg. Bis heute übrigens, sagt Jörg Sprave, bei dem sich noch immer Informanten melden, obwohl die Website längst nur noch zu Demo-Zwecken online steht.
"Mit der Ethik, mit der Einstellung Denunziation ist böse, ist verwerflich, ist schlecht, da ist in Deutschland kein Staat zu machen. Die meisten Deutschen, das war zumindest unser Gefühl, haben damit überhaupt kein Problem. Die Abschaffung der Denunziationslandschaft mit Ende der Nazizeit – das ist ja nicht demokratisch entstanden."
Ethisch verwerflich mag sie sein: Die Denunziation. Illegal ist sie nicht. So sieht das auch das Bundesverfassungsgericht: Das entschied, dass künftig der deutsche Staat angekaufte Daten über Steuersünder nutzen kann, auch wenn diese Informationen rechtswidrig erlangt sind. Auch wenn die Informanten Schlange standen: Geld mit diesen Hinweisen auf Steuerhinterzieher zu verdienen, das schafften Jörg Sprave und seine Mitstreiter nicht. Ein Staatsanwalt hatte erfahren, dass es sich bei dem Unternehmen eigentlich um ein Buchprojekt und nicht um kommerzielle Steuerhygiene handelt. Die Erleichterung der Ermittler sei deutlich gewesen, erinnert sich Jörg Sprave:
"Die Staatsanwaltschaften wussten mit diesem Modell nicht umzugehen. Sie konnten dem nicht wirklich ausweichen, es waren ja Hinweise, denen müssen die Staatsanwaltschaften nachgehen. Auf der anderen Seite hat man aber auch keine Handlungsanweisung, wie damit umzugehen ist. Man kann das eigentlich nur nach oben melden – aus Sicht des Staatsanwalts und dann warten, was passiert. Das war den Leuten sichtlich unangenehm. Viele haben versucht, dem auszuweichen, sind nicht ans Telefon gegangen, haben sich verleugnen lassen. Und ich hab dann jeden Dienstag meinen Rundruf gemacht. Dienstag – das war mein Staatsanwaltstag. Da habe ich dann einen Staatsanwalt nach dem anderen gequält. Das hatte dann durchaus auch Unterhaltungswert."
Und den hat auch das Buch - wenn auch die gewählte Erzählform den Leser manchmal ermüdet. Das in Form eines Tagebuchs oder Blogs geschriebene Schelmenstück verliert sich zuweilen in Details, dokumentiert jeden Schritt der Protagonisten, von der Idee bis hin zum fertigen Buch, jeden Mailwechsel mit Denunzianten und Journalisten. Wen das nicht stört, der wird Gefallen finden an der Neugier und Spielfreude, mit der Sprave und seine Mitstreiter ihr Bubenstück zwischen Steuermoral und Steuerverrat inszenieren. Mit weniger Drang an die Presse hätte die Geschäftsidee durchaus funktionieren können, davon ist der Autor heute noch überzeugt:
"Wenn man das nicht gemacht hätte, sondern versucht hätte, das eher diskret im Hintergrund zu tun, und dann auch nicht mit den Staatsanwaltschaften, sondern direkt mit den Fahndern, direkt mit den Steuerfahndern, dann hätte das durchaus gelingen können. Ich glaube auch, dass solche Geschäfte vielfach passieren, gesteuert von Rechtsanwälten, die mit den Fahndern direkt reden, und irgendwelche Deals unterzeichnen." Die Nachfrage nach solchen Modellen ist also ganz klar da. Es bräuchte also nur eine Entscheidung der Staatsanwaltschaften oder der Finanzämter oder von mir aus auch der Ministerien. Und mit einer solchen Entscheidung würden solche Geschäftsmodelle wunderbar florieren."
Jörg Sprave: "Wir waren Steuerverräter. Insiderbericht aus der Denunziantenszene". Erschienen bei Fackelträger, 192 Seiten gibt es für 19 Euro 95, ISBN: 978-3-7716-4465-9.
"Wir fanden das eigentlich alle unmöglich, was da passiert, weil wir das alle als Bruch in der Politik empfunden haben. Bis dahin hieß es immer, der Staat macht mit Kriminellen keine Geschäfte, lässt sich nicht von Terroristen erpressen und bezahlt Verbrechern auch keine Belohnung für irgendwelche Hinweise. Und wir hatten das Gefühl, dass damit auf einmal Schluss war, und zwar nur aus Gier."
Die Idee war geboren. Die Sprave-Brüder samt Freund gründeten ihre Firma "Steuerverrat": Sie wollten als Makler mit zugespielten Steuerdaten handeln. Und die Behörden sollten für die Informationen zahlen. Die Stadt Hagen lieferte die Gewerbeerlaubnis. Denn alles sollte legal sein. Auf der Website, die im März 2008 online ging, konnten potenzielle Kunden lesen, dass 85 Prozent der Summe, die "Steuerverrat" als Belohnung für die Informationen aushandeln wollte, an den Informanten selbst fließen sollten. Doch die drei hatten es nicht auf die großen Fische im Teich der Steuerbetrüger abgesehen, sondern auf die Kleinen. Auf Hinweisgeber, die auf kleine Belohnungen scharf und dafür bereit waren, die Schwiegermutter, den Vermieter oder den Chef zu verpfeifen. Ihnen wollte die Firma "Steuerverrat" helfen, ihr Wissen an die Staatsanwaltschaften zu bringen. Aus dieser Gratwanderung zwischen Recht und Unrecht, Moral und Verrat entstand ihr Buch "Wir waren Steuerverräter". "Ein Insiderbericht aus der Denunziantenszene" – lautet der Untertitel. Und wie groß in Deutschland die Bereitschaft ist, selbst bei Aussicht auf nur wenig Geld, jemanden anzuschwärzen, überraschte Jörg Sprave sehr:
"Wir hatten Hunderte von Denunziationen, über die wir uns unterhalten mussten, wir hatten ja nur einige wenige angenommen. Aber die E-Mail-Briefkästen waren bei uns regelmäßig voll."
Die Geschichte der Steuerverräter liest sich wie ein Schelmenstück: 100 Euro war ihr Startkapital, das sie in den Aufbau ihrer Website investierten. In den verschiedensten Internetforen rührten sie für sich die Werbetrommel. Mit Erfolg. Bis heute übrigens, sagt Jörg Sprave, bei dem sich noch immer Informanten melden, obwohl die Website längst nur noch zu Demo-Zwecken online steht.
"Mit der Ethik, mit der Einstellung Denunziation ist böse, ist verwerflich, ist schlecht, da ist in Deutschland kein Staat zu machen. Die meisten Deutschen, das war zumindest unser Gefühl, haben damit überhaupt kein Problem. Die Abschaffung der Denunziationslandschaft mit Ende der Nazizeit – das ist ja nicht demokratisch entstanden."
Ethisch verwerflich mag sie sein: Die Denunziation. Illegal ist sie nicht. So sieht das auch das Bundesverfassungsgericht: Das entschied, dass künftig der deutsche Staat angekaufte Daten über Steuersünder nutzen kann, auch wenn diese Informationen rechtswidrig erlangt sind. Auch wenn die Informanten Schlange standen: Geld mit diesen Hinweisen auf Steuerhinterzieher zu verdienen, das schafften Jörg Sprave und seine Mitstreiter nicht. Ein Staatsanwalt hatte erfahren, dass es sich bei dem Unternehmen eigentlich um ein Buchprojekt und nicht um kommerzielle Steuerhygiene handelt. Die Erleichterung der Ermittler sei deutlich gewesen, erinnert sich Jörg Sprave:
"Die Staatsanwaltschaften wussten mit diesem Modell nicht umzugehen. Sie konnten dem nicht wirklich ausweichen, es waren ja Hinweise, denen müssen die Staatsanwaltschaften nachgehen. Auf der anderen Seite hat man aber auch keine Handlungsanweisung, wie damit umzugehen ist. Man kann das eigentlich nur nach oben melden – aus Sicht des Staatsanwalts und dann warten, was passiert. Das war den Leuten sichtlich unangenehm. Viele haben versucht, dem auszuweichen, sind nicht ans Telefon gegangen, haben sich verleugnen lassen. Und ich hab dann jeden Dienstag meinen Rundruf gemacht. Dienstag – das war mein Staatsanwaltstag. Da habe ich dann einen Staatsanwalt nach dem anderen gequält. Das hatte dann durchaus auch Unterhaltungswert."
Und den hat auch das Buch - wenn auch die gewählte Erzählform den Leser manchmal ermüdet. Das in Form eines Tagebuchs oder Blogs geschriebene Schelmenstück verliert sich zuweilen in Details, dokumentiert jeden Schritt der Protagonisten, von der Idee bis hin zum fertigen Buch, jeden Mailwechsel mit Denunzianten und Journalisten. Wen das nicht stört, der wird Gefallen finden an der Neugier und Spielfreude, mit der Sprave und seine Mitstreiter ihr Bubenstück zwischen Steuermoral und Steuerverrat inszenieren. Mit weniger Drang an die Presse hätte die Geschäftsidee durchaus funktionieren können, davon ist der Autor heute noch überzeugt:
"Wenn man das nicht gemacht hätte, sondern versucht hätte, das eher diskret im Hintergrund zu tun, und dann auch nicht mit den Staatsanwaltschaften, sondern direkt mit den Fahndern, direkt mit den Steuerfahndern, dann hätte das durchaus gelingen können. Ich glaube auch, dass solche Geschäfte vielfach passieren, gesteuert von Rechtsanwälten, die mit den Fahndern direkt reden, und irgendwelche Deals unterzeichnen." Die Nachfrage nach solchen Modellen ist also ganz klar da. Es bräuchte also nur eine Entscheidung der Staatsanwaltschaften oder der Finanzämter oder von mir aus auch der Ministerien. Und mit einer solchen Entscheidung würden solche Geschäftsmodelle wunderbar florieren."
Jörg Sprave: "Wir waren Steuerverräter. Insiderbericht aus der Denunziantenszene". Erschienen bei Fackelträger, 192 Seiten gibt es für 19 Euro 95, ISBN: 978-3-7716-4465-9.