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Schriftsteller über Sozialdemokratie
"Was wir tun müssen, liegt auf der Hand"

Der Schriftsteller Ingo Schulze glaubt nicht, dass die SPD in dieser Großen Koalition etwas Gutes bewegen kann. Im Dlf forderte er von der Partei ein wirkliches Engagement für die Schwachen - und zeigte dabei auf ungewöhnliche Beispiele.

Ingo Schulze im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Der Schriftsteller Ingo Schulze
Der Schriftsteller Ingo Schulze (Deutschlandradio / David Kohlruss)
"Ich denke, es müsste ganz einfach sein, heute eine gute Politik zu machen", sagte der Schriftsteller Ingo Schulze im Dlf-Interview.
"Das, was wir tun müssen, liegt so auf der Hand - ob das jetzt die Umwelt ist, ob das der Frieden ist, der Nord-Süd-Konflikt. Man muss sich um die jetzigen Konflikte kümmern in dem Sinne, dass es allen besser geht."
Es gehe um Gerechtigkeit, antwortet der Schriftsteller auf die Frage nach einer heutigen Definition von Sozialdemokratie.
In einer Koalition mit der Union könne die SPD nicht viel erreichen, meint der Autor, der sich schon 2013 gegen eine rot-schwarze Regierung ausgesprochen hat. "Ich glaube nicht, dass sich in dieser Großen Koalition etwas wirklich richtig Gutes bewegen lässt. Und dass die SPD dann immer so den Sozialarbeiter spielt, das ist nicht ausreichend."
Die Partei, die ihm eigentlich sympathisch ist, habe "seit 20 Jahren ihre Anliegen verfehlt". Schulze macht das fest an der rot-grünen Agenda-Politik, der Idee, "alles dem Markt zu übergeben", Public Private Partnerships, "all diese Dinge, die damals en vogue waren". Das habe sehr vielen den Kopf verdreht und sei "schon eine Hauptursache für den Zustand, den wir heute haben - nicht nur, dass es eine fehlende, durchsetzungsfähige Linke gibt, sondern auch eine Ursache für das Erstarken von nationalistischen Kräften."
"Ich hab Schröder nur einmal gewählt", sagt Schulze. "Dann dachte ich: Das ist ja eine Katastrophe, dass dieses Rot-Grün, das man gewählt hat, gerade damit es die Interessen der Schwächeren vertritt, dass von dort Sätze kommen, die eben gegen diese Schwächeren gemacht sind. Vielleicht hat man sich ja was ganz Anderes erhofft, das mag ja sein, aber es stellte sich ja schnell heraus, wie sehr das polarisiert und in was für wirklich erbärmliche Lebensumstände das führt."
"Forderungen, die von der Mehrheit gewollt sind"
Mit einer echten Politik für die Schwachen wäre nach Ansicht des Schriftstellers viel erreicht. Er zeigt dafür auf ungewöhnliche Beispiele:
"Wenn man sich so eine Regierung wie Orbán anguckt, oder die PiS in Polen, oder selbst wenn man so muslimisch-islamistische Strömungen ansieht, die sind ja sozial unglaublich engagiert oder tun da etwas. Das sind so Freiräume, die durch so eine neoliberale Grundhaltung geschaffen worden sind, und da stoßen die rein. Es ist ja jetzt nicht so, dass die Leute plötzlich alle irgendwie Nationalisten geworden sind."
Zuletzt unterstützte Schulze die linke Sammlungsbewegung "Aufstehen". Eine Bündelung von Kräften, die das Notwendige tun wollten, sei seiner Ansicht nach aktueller denn je. Es sei darum gegangen, "Forderungen zusammenzutragen, die eine Mehrheitspolitik ermöglichen, die eigentlich von der Mehrheit gewollt sind. Das ist aus wirklich dämlichen Gründen gescheitert."
Mit Blick auf die Grünen hofft der Schriftsteller, dass sie ihre jüngsten Wahlerfolge "als Vorschuss verstehen". "Natürlich gibt es heute nichts Soziales mehr, was nicht mit ökologischen Dingen verbunden ist."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.