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Unterrichten mit verschiedenen Epochen

Die Lehrerausbildung für eine Waldorf-Schule dauert vier Jahre. Möglich ist sie am Institut für Waldorf-Pädagogik in der Ruhrgebietsstadt Witten. Die Lehrer begleiten dann die Schüler acht Jahre lang, durch jedes Fach.

Von Dirk Biernoth |
    Idyllisch liegt der Campus des Instituts auf einem Berg im Wittener Stadtteil Annen. Ein kleiner, angelegter Bach plätschert talabwärts in den Campus-Teich. Rund um die Institutsgebäude gibt es viel Natur: Wald und Wiesen, Felder und Gewächshäuser. Dort bauen die Studierenden selbst Gemüse an. Zwei institutseigene Rinder liefern den Dünger dafür. Gartenbau ist eine der Fachrichtungen, die man hier als angehender Waldorf-Lehrer studieren kann. Andere Fachrichtungen sind: Handwerk und bildende Kunst, Musik, Handarbeit, Englisch und die sogenannte Eurythmie.

    In einem Raum tanzen die Studierenden in verschieden farbigen Seidengewändern. Sie versuchen, mit trippelnden Schritten dem Rhythmus nur durch die Bewegung ihrer Füße Ausdruck zu verleihen. Julia Bock hat ihr Studium gerade erst begonnen und musste sich auch erst einmal daran gewöhnen, ihren Namen zu tanzen – wie der Volksmund die Eurythmie spöttisch umschreibt.

    "Ich muss auch sagen, hatte ich jetzt am Anfang auch so ein bisschen, ja, ein bisschen Respekt davor, weil wir haben jetzt auch gerade mit Eurythmie angefangen, das ist jetzt meine erste Woche. Aber: Muss ich sagen, hat mir direkt Spaß gemacht einfach. Wie wir jetzt ran geführt werden, für jemanden, der da auch völlig unvorbelastet ist. Bis jetzt fühle ich mich wirklich sehr wohl hier."

    Für einen Außenstehenden ist es schwierig, zu erkennen, inwiefern diese Art Ausdruckstanz für die Ausbildung eines Lehrers und seiner späteren Schüler wichtig sein könnte. Doch Dozent Gerd Kellermann ist sich sicher, dass die Eurythmie einen auf den Ernst des Lebens vorbereiten kann.

    "Ich hatte einen Schüler, der kam als Ehemaliger zurück an die Schule, hatte Koch gelernt und sein Chef war krank geworden. Und er sagte: Eigentlich wollte ich wechseln in ein Drei-Sterne-Restaurant. Jetzt ist der aber krank geworden. Ich war der Einzige, der in der Küche klarkam, den Betrieb kannte. Und da habe ich mich verpflichtet gefühlt, da zu bleiben und jetzt nicht ins Drei-Sterne-Restaurant zu wechseln. Und er fragte mich: Wissen Sie, wo ich das gelernt habe? – In der Eurythmie."

    Beim Ausdruckstanz lerne man soziale Verantwortung und Teamgeist, sagt Waldorfpädagogik-Dozent Kellermann. Draußen auf dem Campus gibt es eine Handvoll Gebäude, darunter eine Schmiede mit verschiedenen Werkräumen. Dort arbeiten Studierende an Holzskulpturen und Bilderrahmen. Doch bei aller Kunst: Wie werden die angehenden Waldorf-Lehrer eigentlich auf Fächer wie Mathematik, Deutsch oder Physik vorbereitet? Bis zur achten Klasse werden die Schüler ausschließlich vom Klassenlehrer in bis zu zwölf Grundfächern epochenweise unterrichtet. Fachlehrer von staatlichen Schulen, die die Waldorf-Schüler nach der achten Klasse auf einen Realschulabschluss oder das Abitur vorbereiten müssen, kritisieren immer wieder Defizite. Dozent Gerd Kellermann gibt ihnen Recht, empfindet dies aber nicht als Nachteil.

    "Ob der eine jetzt etwas mehr Mathematik oder weniger Mathematik kann, das ist nicht so wichtig. Es kommt darauf an, Entwicklungsschritte mitzumachen. Und da spielt eine ganz große Rolle: Die Beziehung der Schüler untereinander und die Beziehung zu den sie leitenden Erwachsenen in diesem Alltag."

    Eine dieser leitenden Erwachsenen will Verena Bommes werden. Sie studiert jetzt im dritten Jahr Waldorf-Pädagogik und hat somit die Hälfte des Studiums bereits hinter sich gebracht. Sie fühlt sich durch ihr Studium ausreichend vorbereitet, um bis zur achten Klasse zu unterrichten.

    "Ich weiß: In der ersten Klasse fängt es mit Lesen und Schreiben an. So. Und da kriegen wir methodisch-didaktisch sehr viel mit auf den Weg. Und man wächst ja mit den Kindern mit bis zur achten Klasse. Und wenn ich jetzt daran denke, ich müsste eine Physik-Epoche geben, dann hätte ich ein bisschen Bammel. Da müsste ich mich wahrscheinlich auch vier Wochen vorher darauf vorbereiten schon. Aber ich fühle mich so vorbereitet, dass ich weiß, wie ich mich vorbereiten kann, wenn es dann soweit ist."

    Verena Bommes und ihre Kommilitonen müssen sich übrigens gleich im ersten Studienjahr vor eine Klasse stellen. Sie merken sofort, ob der Beruf ihnen liegt oder nicht. An einer Uni dagegen komme man erst mit Kindern in Berührung, wenn das Fachstudium bereits weit fortgeschritten sei, kritisieren die Waldorf-Pädagogen. Kurz vor dem Staatsexamen komme aber ein Studienabbruch für die meisten nicht mehr infrage.