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Vogelgrippe
Produzenten von Freilandeiern in Bedrängnis

Der neuerliche Ausbruch der Vogelgrippe in zwei großen Mastbetrieben hat die Hoffnung vieler Freiland-Betriebe und Hobbygeflügelzüchter zunichte gemacht, dass die Stallpflicht gelockert werden könnte. Besonders betroffen sind auch Betriebe, die eigentlich Freiland-Eier anbieten, diese nun aber nicht mehr als solche deklarieren dürfen.

Von Silke Hasselmann |
    Ein Schild mit der Aufschrift "Geflügelpest - Unbefugter Zutritt verboten" hängt vor dem Putenmatbetrieb in Deyelsdorf bei Tribsees (Mecklenburg-Vorpommern), in dem sich der Verdacht auf Geflügelpest mit dem hochansteckenden Virus H5N8 bestätigt hat. Die rund 40.000 Tiere werden getötet.
    In einem Putenmastbetrieb wird der Ausbruch des Geflügelpest-Virus H5N8 bekämpft. (dpa / Bernd Wüstneck)
    "Wir haben noch zwei Enten, einen Erpel und…" - "Ja, nicht vom Oberflächenwasser trinken!" - "Ja, klar."
    Seit dem 14. November 2016 kontrollieren Veterinäramtsmitarbeiter wie dieser in Mecklenburg-Vorpommern, ob auch die Hobby-Geflügelhalter ihre Tiere von jedwedem Kontakt mit Wildvögeln oder deren Kot fernhalten. Vor allem, wenn es in der Nähe Vogelgrippe-Fälle gegeben hat wie jetzt in Großbetrieben von Tribsees und Schwanheide.
    Veterinäramtsmitarbeiter: "Also insgesamt im Dorf sieht es gut aus. Ich habe bis auf eine Ente nichts Freilaufendes gesehen."
    Am kommenden Montag wird die Stallpflicht in Mecklenburg-Vorpommern 12 Wochen in Kraft sein, und - so Landwirtschaftsminister Till Backhaus:
    "Wir müssen die Stallpflicht beibehalten, bis wir diesen Virusdruck los sind. Wir wollten jetzt anfangen zu lockern. Aber prompt, als wir das Gespräch führten, kam der Fall aus Vorpommern auf uns zu und jetzt Schwanheide. Das heißt, wir werden abwarten müssen. Wir denken auch darüber nach, wie wir den Kleintierzüchtern helfen können, damit diese ehrenamtlichen tollen Züchter uns nicht von der Stange gehen. Ich hoffe, dass wir da Lösungen finden."
    Züchter denken ans Aufhören
    Das hofft auch Andreas Retschlag, seit 42 Jahren Hobby-Rassegeflügelzüchter in Strasburg, Landkreis Vorpommern-Greifswald. Normalerweise würden seine 25 gold-blau und silber-schwarz gesäumten Wyandotten jetzt auch bei Schnee, Frost und Regen im Freien laufen. Retschlag würde sich auf die nächste Brut vorbereiten. Doch daran sei nicht zu denken, sagt Andreas Retschlag.
    Und weil den Züchtern die Zeit wegläuft, denke manch ein Mitstreiter im Strasburger Verein "Geflügelfreund" sogar ans Aufgeben. Dabei kümmern sich viele Hobbyzüchter um den Erhalt von Rassen, die mittlerweile sogar auf der Roten Liste der von Aussterben bedrohten Tiere stehen.
    Andreas Retschlag erklärt, warum das anfängliche Verständnis für die strikten Schutzvorschriften im Laufe der Jahre beträchtlich gesunken ist. Die Kleinhalter beobachten erstaunt:
    "Dass die permanentesten Fälle eigentlichen in Großhaltungen, in Massentierhaltungen auftreten - wieder und immer wieder. Dass man immer nur von Einzelfällen aus der Natur hört, von Kleinhaltern eigentlich gar nicht, die ihre Tiere wirklich artgerecht halten.
    Und jeder Tierarzt wird Ihnen bestätigen, dass in Massentierhaltungen - gerade in geschlossenen Ställen - die Keimbelastung viel, viel höher ist als bei Tieren, die in der freien Natur leben, weil sie ein gefestigtes Immunsystem haben, was in diesen Großhaltungen fast nie der Fall ist. Aber darüber spricht keiner, und das ärgert uns eigentlich ein bisschen, dass wir alle über einen Kamm geschoren werden - ob Kleinhalter oder Massenproduzent".
    Übertragungsweg des Erregers unklar
    Auch in den beiden jüngsten Fällen von Tribsees (Vorpommern-Rügen) und Schwanheide (Ludwigslust-Parchim) wissen die Behörden noch nicht, wie die Vogelgrippe-Erreger in die geschlossenen Geflügelbetriebe gelangt sind. Man werde sich die Stallsysteme und die Bioschutz-Maßnahmen noch einmal genau anschauen, sagt der Schweriner Landwirtschaftsminister Till Backhaus vage.
    Darüber hinaus wolle er den Kleinhaltern ebenso über die Zeit der Stallpflicht helfen wie den 13 Freiland-Großbetrieben in Mecklenburg-Vorpommern, die in geradezu existentielle Not geraten könnten.
    Eier dürfen nicht mehr als Freilandeier verkauft werden
    Denn ab kommendem Montag ist die Stallpflicht in MV seit zwölf Wochen in Kraft, und ab dann - so will es eine EU-Verordnung - dürfen Eier von eigentlich freilaufenden, aber nun eingepferchten Hühnern nicht mehr als Freilandeier verkauft werden. Sie sind als Eier aus Bodenhaltung zu deklarieren. Dabei hätten sich zuletzt etliche Betriebe im Land auf eine Freilandhaltung umgestellt, so Till Backhaus:
    "Ich glaube schon, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher das Signal brauchen, wir wollen auch in der Zukunft die Freilandeier-Haltung. Und ich bin zurzeit am Prüfen mit dem Finanzminister, ob wir eine Hilfestellung geben können. Denn wenn uns dieser Freilandeier-Markt zusammenbricht - die fangen nicht wieder an."
    Doch die Stallpflicht wird in MV vorerst nicht gelockert. Die Hoffnung liegt auf dem Frühling mit Wärme und mehr UV-Licht. Denn das vertragen Vogelgrippe-Viren nicht.