So sieht man wohl aus, wenn man aus der Kälte kommt. Nur mühsam schält sich die stumme Gruppe aus ihrer grotesk wirkenden Vermummung: Mäntel Jacken, Pullover, Thermohosen. Riesige Schneebrillen werden abgeschnallt, Gesichter von Wollmasken befreit, bis man sie schließlich erkennen kann, die bekannten Gesichter aus der Marthalerschen Darstellerfamilie: Ueli Jäggi ist dabei, Jürg Kienberger, das ist der mit der spitzen Kopfstimme und diesem unnachahmlich geschrumpften Gesicht, Bettina Stucky stapft herum. Doch hat Marthaler sein Ensemble auch um zwei Grönländerinnen erweitert, um Nukaka Coster- Waldau und die Performerin Gaz Zaa Lung. Sie mit ihrem pechschwarzen Haar und diesem fremden Gesicht muss dann auch für den einzigen Rückgriff in die Kolonialgeschichte Grönlands herhalten, in der das Land Ausbeutungsopfer für Dänen und Norweger war, sie muss laut aus dem Kirchenbuch singen, sich missionieren lassen von Ueli Jäggi als strengem Pastor. Und sie, die kleine Gaz Zaa Lung ist es auch, die mit ihren endlosen Erzählungen auf Grönländisch den Abend rahmt, keiner versteht etwas, weswegen sich auch alle in das flüchten, wohin sie sich bei Marthaler fast immer flüchten: ins Singen und: in den Chor.
Ansonsten werden ein paar literarische Werke zitiert, selbst Alfred Döblin hat schon die Enteisung des Nordpols in einem seiner Texte vorweggenommen. Und natürlich singt man – immer wieder – meist aus unserem klassischen Repertoire, ein wenig auch auf Grönländisch. Dazu geschehen die absonderlichsten Dinge, das Megafon in der Ecke spricht immer wieder, macht Liebeserklärungen oder beschwert sich über die Kälte, es schnarcht oder flucht, einmal gehen alle die Füße durch, sie machen die peinlichsten Dinge und die Menschen müssen mit, bis sie anfangen mit den herumliegenden Handys elegant im Raum herumzukicken. Und immer wieder schrillt der Alarm, dann müssen alle hinaus oder herein, eins von beiden. Das ist alles so absurd, wie das Leben und damit wie immer bei Marthaler.
Über dem weiten Ozean geriet der Wind in eine sonderbare Bewegung. Der grönländische Feuerherd übte seine Wirkung. Die auf den Wassern schleifenden tiefen Luftmassen züngelten in den Schwalch der nördlichen Glut.
Anna Viebrock hat sich diesmal an der Mehrzweckhalle einer alten Airbase in Grönland orientiert und eine Art Turnhalle mit Gummiwänden auf die Bühne gebaut, in die sich ein Büro und ein kleiner schmuddeliger Aufenthaltsraum hinein schieben und hier sitzt man zusammen und schweigt oder singt oder geht sonstigen Absonderlichkeiten nach. Wie immer bei Viebrock hat auch dieser Raum eine leicht ranzige –melancholische und zugleich bedrohliche Atmosphäre, ein Warteraum, in dem wohl keiner weiß, worauf er eigentlich wartet.
+-0 ist natürlich kein Stück über Grönland, sondern höchstens die Beschreibung einer Annäherung und vielleicht ist das Stück noch nicht einmal das. +-0, das ist mal gerade der Gefrierpunkt und wenn überhaupt, dann sehr dünnes Eis, um Aussagen zu machen über etwas, was man gerade während eines zweimonatigen Probenprozesses erlebt hat. Selten einmal scheint Grönland wirklich auf, einmal leiert Ueli Jäggi plötzlich so etwas wie politisch ökologische Schlagworte herunter über die Zukunft dieses Landes, das der Klimawandel sehr stark verändern wird und das davon wohl vor allem profitiert, weil seine Bodenschätze vom Eise befreit sein werden. Aber Jäggi sagt auch immer wieder dies sei alles so oder auch umgekehrt und führt so alles schnell wieder ad absurdum. Nein Marthaler macht sicherlich kein Grönländer Ökotheater, sondern er versucht einmal mehr menschlich Skurriles freizulegen und: das Menschsein im Warten im Absitzen im Beisammensein zu zeigen. Doch damit bekommt dieser Abend auch etwas Marthaleresk Austauschbares, und auch wenn es ein paar Eigenheiten gibt, fragt man sich letztlich dann doch, ob es wirklich Grönland hat sein müssen, wen
Ansonsten werden ein paar literarische Werke zitiert, selbst Alfred Döblin hat schon die Enteisung des Nordpols in einem seiner Texte vorweggenommen. Und natürlich singt man – immer wieder – meist aus unserem klassischen Repertoire, ein wenig auch auf Grönländisch. Dazu geschehen die absonderlichsten Dinge, das Megafon in der Ecke spricht immer wieder, macht Liebeserklärungen oder beschwert sich über die Kälte, es schnarcht oder flucht, einmal gehen alle die Füße durch, sie machen die peinlichsten Dinge und die Menschen müssen mit, bis sie anfangen mit den herumliegenden Handys elegant im Raum herumzukicken. Und immer wieder schrillt der Alarm, dann müssen alle hinaus oder herein, eins von beiden. Das ist alles so absurd, wie das Leben und damit wie immer bei Marthaler.
Über dem weiten Ozean geriet der Wind in eine sonderbare Bewegung. Der grönländische Feuerherd übte seine Wirkung. Die auf den Wassern schleifenden tiefen Luftmassen züngelten in den Schwalch der nördlichen Glut.
Anna Viebrock hat sich diesmal an der Mehrzweckhalle einer alten Airbase in Grönland orientiert und eine Art Turnhalle mit Gummiwänden auf die Bühne gebaut, in die sich ein Büro und ein kleiner schmuddeliger Aufenthaltsraum hinein schieben und hier sitzt man zusammen und schweigt oder singt oder geht sonstigen Absonderlichkeiten nach. Wie immer bei Viebrock hat auch dieser Raum eine leicht ranzige –melancholische und zugleich bedrohliche Atmosphäre, ein Warteraum, in dem wohl keiner weiß, worauf er eigentlich wartet.
+-0 ist natürlich kein Stück über Grönland, sondern höchstens die Beschreibung einer Annäherung und vielleicht ist das Stück noch nicht einmal das. +-0, das ist mal gerade der Gefrierpunkt und wenn überhaupt, dann sehr dünnes Eis, um Aussagen zu machen über etwas, was man gerade während eines zweimonatigen Probenprozesses erlebt hat. Selten einmal scheint Grönland wirklich auf, einmal leiert Ueli Jäggi plötzlich so etwas wie politisch ökologische Schlagworte herunter über die Zukunft dieses Landes, das der Klimawandel sehr stark verändern wird und das davon wohl vor allem profitiert, weil seine Bodenschätze vom Eise befreit sein werden. Aber Jäggi sagt auch immer wieder dies sei alles so oder auch umgekehrt und führt so alles schnell wieder ad absurdum. Nein Marthaler macht sicherlich kein Grönländer Ökotheater, sondern er versucht einmal mehr menschlich Skurriles freizulegen und: das Menschsein im Warten im Absitzen im Beisammensein zu zeigen. Doch damit bekommt dieser Abend auch etwas Marthaleresk Austauschbares, und auch wenn es ein paar Eigenheiten gibt, fragt man sich letztlich dann doch, ob es wirklich Grönland hat sein müssen, wen