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007 als Mensch

Sam Mendes sagt, der Dreh zum neuen James-Bond-Film war das Anstrengendste, was er je gemacht habe. Der Regisseur von "Skyfall" wollte dem Publikum Einblicke in das Leben des Geheimagenten geben, "Einblicke, die niemand sonst hat".

Von Sigrid Fischer |
    Sigrid Fischer: "Mission erfüllt" könnte man sagen, Sam Mendes, wie es scheint, sind alle mehr als zufrieden mit Ihrer Arbeit am neuen James Bond Film. Wie erleichtert sind Sie selbst?

    Sam Mendes: Der Film ist ja erst vor drei Wochen richtig fertig geworden. Normalerweise hat man wenigstens einen Monat oder zwei Wochen Zeit, um drüber nachzudenken, hier hatte ich einen Tag und musste sofort in Interviews drüber reden. Ich brauche immer sechs Monate, um mir richtig darüber klar zu werden, was für einen Film ich da gedreht habe. Soweit bin ich bei Bond noch nicht. Es war sicher das Anstrengendste, das ich je unternommen habe. Und der größte Druck. Dessen bin ich mir jetzt im Nachhinein erst richtig bewusst. Wenn ich sehe, wie viel diese Filme den Menschen - besonders in England - bedeuten. Insofern bin ich sehr erleichtert, dass er mir gelungen zu sein scheint.

    Fischer: Daniel Craig, so liest man, hat Sie auf einer Party gefragt, ob Sie nicht bei seinem nächsten Bondfilm Regie führen möchten. Hatten Sie von dieser Möglichkeit schon mal geträumt vorher?

    Mendes: Sie kam mir tatsächlich erst in den Kopf, als er es aussprach. Und wäre ich damals nicht auf jene Party gegangen, säße ich jetzt nicht hier. Im Nachhinein klingt das blöd, ich weiß, aber es kam mir niemals in den Sinn. Für mich gab es immer die Filme, die ich drehe, und diese anderen Filme.

    Fischer: "Wie viel vom alten 007 ist noch übrig?" fragt ja der Bösewicht in Skyfall. Die große Aufgabe war offensichtlich, die Bond-Tradition zu wahren und ihn gleichzeitig in eine neue Ära zu führen, das Alte mit dem Neuen zu verbinden. Wie schwer war das denn?

    Mendes: Wenn man nach Rezept vorgeht – ein paar neue, ein paar alte Zutaten – funktioniert das nicht. Für mich war die Herausforderung, eine persönliche Geschichte zu erzählen, die mir und auch Daniel Craig etwas bedeuten würde. Bond in Situationen zu bringen, in denen man ihn noch nie gesehen hat. Und dass das Publikum sich wirklich für ihn interessiert. Für ihn als Mensch. Man ist es nicht gewohnt, ihn als jemanden zu sehen, der sich verändern könnte, oder der verletzlich ist oder in eine Krise gerät. Man sieht ihn immer als den, der Glamour, Action, Frauen und das alles zusammenhält, jemand, der sich selbst gewissermaßen nicht verändert.

    Aber die Hauptarbeit zu seiner Veränderung wurde schon in "Casino Royale" erledigt. Da hat man ihn entstaubt, man hat auf die selbstreferenziellen Gags verzichtet, auf Q und Moneypenny. Und Bond wurde zu einer lebendigen Figur. Für mich war das daher nicht mehr so schwer, das meiste war schon angelegt. Und wir können jetzt Q und Miss Moneypenny zurückbringen, und auch den Humor, aber auf eine neue Art und Weise.

    Fischer: Wie kommen Sie als shakespeareerprobter Schauspielerregisseur mit dieser Popikone James Bond überhaupt klar? Was hat Sie daran gereizt?

    Mendes: Die Rolle ist sehr schwierig zu spielen, das weiß ich jetzt. Denn er redet ja nicht viel. Er muss also viel ausdrücken, ohne zu sprechen. Er erklärt nie, was er tut, er rechtfertigt sich auch nie, und man sieht ihn selten mit anderen zusammen. Wenn er mit einer Frau zusammen ist, dann nur kurzzeitig. Mit anderen Männern auch, denn entweder bringt er sie bald um oder sie laufen weg. Er hat einfach niemanden an seiner Seite – wie Butch Cassidy und Sundance Kid. Er hat niemanden zum Reden.

    Aber ich war sehr entschlossen, die Beziehung zu M auszubauen. Und dem Publikum Einblicke in sein Leben zu geben. Einblicke, die niemand sonst hat. Deshalb gibt es einige sehr wichtige Szenen, in denen Bond ganz allein ist. So entsteht das Gefühl, dass wir eine Beziehung zu ihm haben. Weil wir etwas sehen, das nicht mal M oder andere Figuren im Film sehen. Und deshalb interessieren wir uns vielleicht auch ganz anders für ihn.

    Fischer: Sie haben in einigen Interviews gesagt, dass Sie durch die Vorgaben, die so eine Filmreihe macht, nicht eingeschränkt wurden. Das kann ich mir kaum vorstellen, denn da ist zum einen die Bondtradtionen, zum anderen Product-Placement, viele Sponsoren wollen ihre Produkte in Szenen untergebracht sehen. War das nicht etwas ungewöhnlich für Sie, das alles mit zu berücksichtigen?

    Mendes: Auf einiges musste ich mich schon einlassen. Aber Product Placement ist wirklich nicht das Problem. Zwei Jahre vor Drehbeginn kommt die Frage: wir stehen mit sechs verschiedenen Firmen in Verhandlung, haben Sie mit irgendeiner davon ein Problem? Bei Zweien habe ich gesagt: Das geht nicht, das Produkt kriege ich unmöglich im Film unter. Und das war okay. Aber bei den anderen vier war es einfach. Er trinkt etwas in dieser und jener Szene, also trinkt er das. Er trägt sowieso eine Uhr, warum also nicht diese. Und so weiter. Das hat den Film in keiner Weise verändert. Und hätte es das, hätte ich Nein gesagt. Was das angeht, gab es keine Kompromisse. Und wenn es einen Deal mit einem Uhrenhersteller gibt, dann trägt er eben die entsprechende Uhr. Es ist nun mal Bond, ich erbe da eine Figur, und ich erbe Anzüge einer bestimmten Marke. Das stört mich nicht, das ist nur die Oberfläche, das ändert nichts am Wesentlichen.

    Fischer: Was die Figur James Bond angeht und alles, was daran hängt, da hat die Familie Broccoli, die alle Bondfilme produziert hat, streng den Daumen drauf. Die lässt einem Regisseur doch bestimmt nicht jede Idee durchgehen, oder?

    Mendes: Es gab in der Drehbuchphase sicher Momente, wo ich Bond in eine Richtung dirigieren wollte, sie aber der Meinung waren, das passe nicht zu Bond, das sei nicht mehr Bond. Aber mit den entscheidenden Dingen waren sie einverstanden. Und es ist ja auch gut, Leute im Rücken zu haben, die einen unterstützen, die alles über Bond wissen und zum Beispiel immer sagen können, welche Drehorte ausscheiden, weil er da in früheren Filmen schon mal war. Das gefiel mir.

    Außerdem übernimmt man keinen Bondfilm und sagt: Ihr dürft mir aber nirgendwo reinreden. Ich war im Gegenteil sehr zuversichtlich, dass ich einen sehr persönlichen Film würde drehen können, der die vielen schon geknüpften Bande aufnehmen und weiterentwickeln kann. Und ich bin wirklich stolz darauf, dass sich dieser Film genauso persönlich anfühlt wie alle meine anderen.

    Da ich vom Theater komme, bin ich daran gewöhnt, dass zum Beispiel mein Richard III. und der von einem anderen Regisseur zwar die gleichen Dialoge spricht, aber dass es doch ein anderer Richard III. ist. Dass es meine Version der Geschichte ist. Und die entsteht nicht, indem man die Figur komplett verändert, sondern indem man Details verändert. Ich habe mich hier schon manchmal gefühlt wie bei einem Shakespearestück: Man nimmt eine Kultfigur und stellt sie in ein etwas anders Licht.

    Fischer: Worauf haben Sie unbedingt bestanden? In welchem Punkt hätten sie nicht mit sich verhandeln lassen?

    Mendes: Ich war schon sehr scharf darauf, den Aston Martin in den Film zu bekommen. Weil ich zum einen mein Erwachsenenhirn gefragt habe: Was würdest Du denn gerne in so einem Film sehen? Zum anderen habe ich aber auch Kontakt zu dem 12-Jährigen in mir aufgenommen und mich erinnert, wie ich den ersten Bond gesehen und worüber ich gestaunt habe. Denn man will ja auch heute die 12-Jährigen erreichen mit dem Film, meine Kinder sollen dabei genau so viel Spaß haben wie ich damals. Und dieses Auto habe ich immer mit Bond verbunden. Ich hatte es als Spielzeug, für Leute meiner Generation geht Magie und Romantik davon aus. Und mir läuft wirklich ein Schauer über den Rücken, wenn das Auto ins Bild kommt im Film, dazu die Musik und die Zuschauer fangen an zu klatschen.
    Fischer: Im Abspann zu Skyfall heißt es: Es gibt noch viel zu tun, James Bond will return. Sam Mendes auch?

    Mendes: Ich habe alles, was ich gerne mal mit einem Bondfilm gemacht hätte, in diesen einen Film gesteckt. Und ich müsste dieses Gefühl dann noch mal haben. Vielleicht wäre das möglich. Aber wenn nicht, sollte ihn lieber jemand anderer machen. Das ist doch der Spaß daran, zu sehen, wie unterschiedliche Leute ihn interpretieren. Ich habe mich nie als ausschließlich kommerzieller Filmemacher verstanden. Wenn man Filme nur nach kommerziellen Kriterien dreht, ist das nicht sehr gesund. Wenn ich aber das Gefühl hätte, ein Bondfilm könnte mich noch mal kreativ fordern, wäre es nicht ausgeschlossen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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