Seit Jahrzehnten liegt der vom Bundesgerichtshof festgelegte Alkohol-Grenzwert für Fahrradfahrer bei 1,6 Promille. Wer weniger Alkohol im Blut hat und dabei unauffällig mit dem Fahrrad unterwegs ist, muss nicht einmal mit einem Bußgeld rechnen. Einen sogenannten Gefahrengrenzwert wie für Kraftfahrer gibt es für Radfahrer nicht. Für Kraftfahrer liegt der Gefahrengrenzwert bei 0,5 Promille. Ab dieser Grenze, so heißt es, könne das Fahrzeug nicht mehr sicher geführt werden. Bei einem Verstoß droht ein Bußgeld.
Auch für Fahrradfahrer sollten Bußgelder eingeführt werden, fordern Verkehrsexperten, darunter der Allgemeine Deutsche Fahrradclub, ADFC, und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, DVR. Dessen Hauptgeschäftsführer Christian Kellner verweist auf eine Studie der Unfallforschung der Versicherer und des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Düsseldorf. Demnach nehmen die groben Fahrfehler ab 0,8 Promille deutlich zu. Mit etwa 1,0 Promille hatten Testpersonen Schwierigkeiten mit dem Fahrrad einen Parcours zu bewältigen.
"Da gibt es im Moment überhaupt keinen Tatbestand, der jemandem in einer Polizeikontrolle die Möglichkeit gibt, zu sagen, du bist einer, der zu viel Alkohol getrunken hat, du solltest dein Rad schieben und nicht mehr fahren. Und wir sagen, 1,1 Promille wäre die geeignete Grenze."
Viele Verkehrsexperten wollen weniger Promille als Grenze
Viele Verkehrsexperten stehen hinter dieser Forderung. So gab es 2013 laut einer Studie des Auto Club Europa in Deutschland etwa 77.000 Unfälle mit Personenschaden, in die Fahrradfahrer verwickelt waren. Mehr als 3400 dieser Radler waren betrunken. Auch beim ADAC und beim Gesamtverband der deutschen Versicherer heißt es, dass ab 1,1 Promille alkoholbedingte Ausfallerscheinungen bei Fahrradfahrern deutlich zunähmen. Christian Kellner vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat spricht von einer Regelungslücke. Ein Bußgeld ab 1,1 Promille sei ein Signal für die Verkehrssicherheit.
"Also, da kann man schon ordentlich bechern bis man das erreicht hat. Und eine Ordnungswidrigkeit, das ist ein Bußgeld, das ist natürlich ärgerlich für den, den es erwischt, es ist aber nicht die große Keule. Darauf kommt es überhaupt nicht an, es soll auch nicht der Radverkehr in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden, sondern es soll ein Zeichen gesetzt werden, du hast auch eine Verantwortung."
Verkehrsgerichtstag in Goslar könnte Empfehlung bringen
Kritiker einer neuen Promille-Grenze verweisen dagegen darauf, dass Fahrradfahrer, die alkoholisiert unterwegs sind, in der Regel vor allem sich selbst gefährden. Roland Huhn, Rechtsreferent für den Allgemeinen Deutschen Fahrradclub ADFC, setzt darauf, dass der Verkehrsgerichtstag in Goslar einen Gefahrengrenzwert von 1,1 Promille empfehlen wird.
"Es gibt längst keine einhellige Meinung. Ich erwarte eine sehr lebhafte Diskussion in Goslar. Es ist noch gar nicht klar, wie da entschieden wird. Die Justizminister der Länder zum Beispiel sehen im Moment noch keine Notwendigkeit für eine 1,1-Promille-Grenze. Die sagen zwar, ja, es gibt eine Gefährdung durch Radverkehr mit Alkohol, aber sehen noch nicht die Notwendigkeit, so einen Grenzwert einzuführen."
Der Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit bei 1,6 Promille soll bestehen bleiben. Ein zusätzlicher Gefährdungsgrenzwert würde die Zahl der alkoholbedingten Fahrradunfälle deutlich reduzieren, so Roland Huhn.
"Der Wert von 1,1, den der ADFC vorschlägt, ist kein niedriger Wert. 1,1 Promille werden beim geselligen Trinken in der Regel nicht erreicht. Das kann man eigentlich nur schaffen, wenn man es auf die Alkoholwirkung anlegt. Ein Beispiel: Ein Mann, 80 Kilogramm schwer, 1,80 Meter groß, der könnte in zwei Stunden zwei Liter Bier trinken und würde immer noch unter einem Promille liegen."
Ein Grenzwert also, der sich nicht gegen die Fahrradfahrer richtet, der aber laut ADFC hunderte von Unfällen mit zum Teil schweren Folgen verhindern könnte.