Man kann sich kaum vorstellen, wie sehr diese lebensnahen Bilder eines bengalischen Dorfes im Jahr 1956 auf dem Festival von Cannes überraschten. Ihr Regisseur hatte nie zuvor einen Film gedreht - genauso wenig wie die anderen Mitglieder seiner Crew. "Pater Panchali" von dem damals 35-jährigen Regiedebütanten Satyajit Ray markierte den Beginn des modernen indischen Kinos – und ist gleichzeitig eines der bedeutendsten Werke der Filmgeschichte. Der Film gewann den Sonderpreis von Cannes und weltweit etwa ein Dutzend weitere renommierte Auszeichnungen.
"Pater Panchali", sein deutscher Titel lautet "Apus Weg ins Leben: Auf der Straße", beruht auf einer populären bengalischen Literaturvorlage, in deren Zentrum eine bitterarme Familie steht. In konzentrierten, langen Einstellungen nähert sich die Kamera Mutter, Vater, Tochter, Sohn und der hochbetagten Tante. Aus Verrichtungen, Begegnungen, beiläufigen Situationen und Dialogen entsteht der Alltag eines kleinen Dorfes – und eine existenzielle Erzählung von Geburt und Tod, Verlust und Aufbruch.
"Pater Panchali", sein deutscher Titel lautet "Apus Weg ins Leben: Auf der Straße", beruht auf einer populären bengalischen Literaturvorlage, in deren Zentrum eine bitterarme Familie steht. In konzentrierten, langen Einstellungen nähert sich die Kamera Mutter, Vater, Tochter, Sohn und der hochbetagten Tante. Aus Verrichtungen, Begegnungen, beiläufigen Situationen und Dialogen entsteht der Alltag eines kleinen Dorfes – und eine existenzielle Erzählung von Geburt und Tod, Verlust und Aufbruch.
Der Neorealismus als Erweckungserlebnis
Satyajit Ray wird am 2. Mai 1921 in Kalkutta geboren. Er wächst auf in einer Familie von Musikern, Gelehrten, Buchdruckern, Schriftstellern. Durch seine Erziehung ist er auch vertraut mit der englischen Literatur, zum Zeitvertreib spielt man Cricket.
Ray studiert Kunst an der von dem Dichter Rabindranath Tagore gegründeten Universität. Danach arbeitet er als Grafiker für eine britische Werbefirma. Während eines Aufenthaltes in England entdeckt er das zeitgenössische französische und italienische Kino, die ungeschönte, dokumentarisch anmutende Ästhetik des Neorealismus:
"Es war das neorealistische Kino, das mich davon überzeugte, dass man mit nicht-professionellen Darstellern an Originalschauplätzen arbeiten kann. Und dass es weniger um die perfekte Oberfläche des Films geht als um den menschlichen Aspekt."
Die Rolle der Musik
Zurück in Indien, arbeitet Satyajit Ray vier Jahre lang an seinem Film "Pater Panchali". Es sollte der Beginn einer Trilogie werden, die dem Helden Apu von der Kindheit ins Erwachsensein folgt, von der Stadt aufs Land, von der dörflichen Struktur zur eigenen Familie. Zusammengehalten wird die Trilogie auch durch eine Reihe musikalischer Motive, so Ray:
"Ich habe immer an Leitmotive geglaubt, deren Wiederkehr den Filmen eine Einheit verleiht. Das Hauptmotiv von ‚Pater Panchali‘ war eine brillante Eingebung des Komponisten Ravi Shankar. Er hatte es bereits im Kopf, bevor er den Film gesehen hat."
Filme zwischen Märchen und Sozialdrama
Rund 30 Filme hat Satyajit Ray gedreht, allen wohnt eine schöne Musikalität inne. Die Klänge geben seinen Heldinnen und Helden Rückhalt, begleiten sie durch die soziale Wirklichkeit ihres Landes. Rays Filme behandeln überkommene archaische Verhaltensweisen, die Unterdrückung von Frauen und Mädchen, mangelnde Bildung. Ihr Blick auf die traditionelle Welt ist aufgeklärt. Zugleich haben sie fast immer die Anmutung von Fabeln und geradezu märchenhaften Erzählungen.
Dafür fand Rays japanischer Kollege Akira Kurosawa eine Beschreibung von poetischer Einfachheit: "Das Kino von Ray nicht gesehen zu haben, heißt, in der Welt zu sein, ohne die Sonne oder den Mond zu sehen."
Ehrenoscar fürs Lebenswerk
Im Alter von 70 Jahren erhält Satyajit Ray einen Ehrenoscar für sein Lebenswerk, wenig später stirbt er am 23. April 1992. Ein Jahr zuvor drehte er sein letztes, vielleicht persönlichstes Werk: "Agantuk – Der Besucher". Der Film erzählt von einem verschollen geglaubten Onkel, der nach 35 Jahren im Ausland in seine Geburtsstadt zurückkommt und das Leben und das Wertesystem der Familie durcheinanderbringt. Der gebildete Mann, ein weltoffener Ethnologe, stellt das Kastensystem genauso in Frage wie die Religion – weil beides die Menschen auseinanderbringe. Auf die Frage, ob er an Gott glaube, antwortet der Onkel mit einem spirituellen Lied – gesungen von Satyajit Ray selbst.