21 Jahre alt ist Oberleutnant Ewald-Heinrich von Kleist, als Claus Graf Schenk von Stauffenberg im Januar 1944 an ihn herantritt. Der Koordinator des adeligen Widerstands gegen Adolf Hitler fragt ihn, ob er bereit sei, sich während einer Uniformvorführung mit dem Führer in die Luft zu sprengen. Von Kleist dazu 1983 in einem Interview mit der Deutschen Welle:
„Wenn man ja sagt, ist das Leben zu Ende – und das ist ja auch eine durchaus beeindruckende Konsequenz.“- „Und dann bin ich leider – ich geniere mich nachträglich eigentlich immer noch deswegen, auf die Idee gekommen, die Verantwortung, die man ja eigentlich nur selber treffen kann, abzuschieben. Und ich würde sagen, dass das eigentlich ein recht schwacher Moment war.“
"Wer in einem solchen Moment versagt..."
Der junge Offizier des 9. Infanterie-Regiments will seinen Vater entscheiden lassen: den pommerschen Junker aus altem Adel, der selbst Kontakt zum Widerstand hat. Und: „Mein Vater sagte: Wer in einem solchen Moment versagt, wird in seinem Leben nie wieder froh.“
Winfried Heinemann, emeritierter Professor am Zentrum für Militärgeschichte in Potsdam hebt hervor: „Keiner, der an diesem Krieg beteiligt war, war völlig unschuldig.“
„Und diese Erfahrung, am Menschheitsverbrechen beteiligt zu sein, ist für manch einen auch das Movens in den Widerstand zu gehen“ . Denn viele der adligen Offiziere haben sich einen anderen Krieg vorgestellt, unterstreicht Heinemann:
„Ihnen geht es um die Befreiung des russischen Menschen vom Bolschewismus, wie die das formuliert hätten. Was sie jetzt merken ist: Dieser Krieg, in den sie geraten sind, ist in Wirklichkeit ein rasseideologischer Vernichtungskrieg. Es kommt nicht darauf an, die Russen zu befreien. Es kommt darauf an, die Russen zu ermorden. Und das ist nicht der Krieg, den sie führen wollen.“
Nach dem Gespräch mit seinem Vater ist Ewald-Heinrich von Kleist bereit sich zu opfern.
„Es gab für mich drei Gesichtspunkte, die mir sehr wichtig schienen. Erstens dachte ich, dass man das Leben von Hunderttausenden von Menschen, dass man dieses Opfer verhindern könnte. Zweitens war das ja 44 - da hatten ja schon beträchtliche Zerstörungen durch das Bombardement stattgefunden -, ich glaubte also, dass man auch das verhindern könnte. Und drittens schien es mir unerhört wichtig zu sein, der Welt zu zeigen, dass nicht alles in Deutschland die Verbrechen mitgemacht hat, die der Nationalsozialismus in einem ja geradezu unvorstellbaren Ausmaß begangen hat.“
Warum der Anschlag scheiterte
Als größte Hemmnisse nennt der nationalkonservativ eingestellte von Kleist: die Furcht um die eigene Familie sowie den Eid, den er – wie alle Wehrmachtssoldaten – auf den Führer geschworen hat:
„Unbedingten Gehorsam leisten / und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen“
Zum Vorführungstermin neuer Uniformen, bei der sich von Kleist mit Hitler in die Luft sprengen soll, kommt es aber nicht. Beim geplanten Attentat vom 20. Juli 1944 ist er in Berlin mit Aufgaben im Hintergrund betraut: so der Entwaffnung Hitler-treuer Offiziere. Doch der Umsturzversuch scheitert. Und dann, so von Kleist:„Ich wurde ja verhaftet am 20. Juli, und das könnte man ja vielleicht als Folge bezeichnen.“
Lange Verhöre und Gegenüberstellungen durch die Gestapo folgen. Der 22-jährige von Kleist wird vier Monate im Konzentrationslager Ravensbrück interniert, kann seine Beteiligung am Widerstand aber vertuschen. Am 6. Dezember 1944 wird er ohne Prozess freigelassen. - Sein Vater, der ihn zum geplanten Selbstmordanschlag auf Hitler ermutigte, hat weniger Glück. Er wird 1945 wegen Widerstands hingerichtet.
Ewald Heinrich von Kleist überlebt bis zum Kriegsende. Danach arbeitet er als Verleger für juristische Literatur und Herausgeber einer Militärfachzeitschrift. In den 60er-Jahren macht er sich einen Namen als Veranstalter der „Wehrkundetagung“, später bekannt als „Münchner Sicherheitskonferenz“ – Denn, so von Kleist:
Ewald Heinrich von Kleist überlebt bis zum Kriegsende. Danach arbeitet er als Verleger für juristische Literatur und Herausgeber einer Militärfachzeitschrift. In den 60er-Jahren macht er sich einen Namen als Veranstalter der „Wehrkundetagung“, später bekannt als „Münchner Sicherheitskonferenz“ – Denn, so von Kleist:
„Ich bin fasziniert von der Notwendigkeit, unnötiges Blutvergießen mit zu verhindern.“
„Frieden durch Dialog“ war die Devise von Ewald-Heinrich von Kleist. Im Gegensatz zu anderen Widerstandskämpfern wurden ihm von Historikern auch nach seinem Tod im Jahr 2013 keine Kriegsverbrechen nachgewiesen.