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100. Geburtstag von Alex Steinweiss
Der Erfinder des modernen Plattencovers

Alex Steinweiss gilt als Pionier der noch heute üblichen Schallplattenhüllen-Gestaltung. Mehr als zweitausend Cover tragen die einzigartige künstlerische Handschrift des New Yorker Grafikers. 1939 gab er den bislang schlichten braunen Papierhüllen erstmals eine farbige Gestalt - und der Musikwelt einen entscheidenden Impuls.

Von Alfried Schmitz |
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    Die Hülle einer alten Schellack-Schallplatte von Columbia Record. (imago/Daniela Schmitter)
    1895 hatte Emil Berliner mit der Schellackplatte den optimalen Tonträger für Musikaufnahmen erfunden. Als Verpackung für die teuren schwarzen Scheiben dienten allerdings lediglich schmucklose Papierhüllen.
    "Der Gedanke, dass man eine Hülle grafisch gestaltet, lag, glaub ich, einfach fern, weil man davon ausging, wer so viel Geld ausgibt für eine Schallplatte, dem geht es um die Musik, und der will da nicht irgendwas sehen."
    Alex Steinweiss macht der gestalterischen Langeweile ein Ende
    …sagt Dr. Hermann Meller. Der Berliner Jurist ist passionierter Schellackplatten-Sammler.
    Nur der Name der Schallplattenfirma war auf den Papierhüllen abgedruckt. Manchmal ergänzt durch Werbesprüche wie: "Da steckt Musik drin!".
    1939 machte der junge amerikanische Grafiker Alex Steinweiss dieser gestalterischen Langeweile ein Ende.
    "Dass man etwas über das Stück mit grafischen Mitteln zum Ausdruck bringt, das hat Steinweiss gemacht, und das gab es vor ihm einfach gar nicht."
    Steinweiss, am 24. März 1917 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren, hatte nach Highschool und Designschule bei der Schallplattenfirma Columbia angefangen. Als Art-Director sollte er sich um die Gestaltung von Werbematerial kümmern. Doch der ehrgeizige junge Mann wollte mehr. Seine Chance war gekommen, als seine Firma die Hits der Musical-Schreiber Rodgers und Hart in einer neuartigen Sammel-Box veröffentlichen wollte.
    Mit einem Fotografen fuhr er an den Broadway und überredete den Besitzer eines Musical-Theaters, die Leuchttafel über dem Haupteingang so einzustellen, dass sie den Namen des Albums und die Namen "Rodgers and Hart" zeigte. Das Foto dieser Leuchtreklame unterlegte Steinweiss im Atelier mit stilisierten Rillen einer Schellackplatte. Eine glänzende Idee, doch seine Vorgesetzten waren skeptisch.
    "Das war nicht üblich, und das war für die Plattenfirma mit gewissen Kosten verbunden, und das war natürlich auch ein Risiko, weil das hat vorher niemand ausprobiert.Und er hat’s geschafft, sie zu überzeugen, so, dass sie sich drauf einlassen."
    Simon Zirkunow ist Kommunikations-Designer und arbeitet an einem Buch über die Geschichte der Grafik.
    "Für mich, auch als praktizierender Gestalter, war es faszinierend, dass er ein Medium, was so noch nicht genutzt wurde, für die Grafik entdeckt hat."
    Aus Platten-Hüllen macht Steinweiss Kunstwerke
    Mit vorher nicht gekannter Stilvielfalt, mit grellen Farben, leichten Pastelltönen, mit Collage-Elementen und mit ständig wechselnder Typografie machte Steinweiss aus Platten-Hüllen Kunstwerke.
    "Ich wollte, dass die Leute die Musik schon hörten, wenn sie nur meine Schallplattencover anschauten!"
    Eine stilisierte dunkle Hochhauskulisse auf blauem Grund. Davor ein kleines, einsames, weißes Piano, von einer Straßenlaterne beschienen. In der Mitte der Schallplattenhülle in dicken, gelben Buchstaben der Titel des Albums: "Rhapsody in Blue".
    Die von Steinweiss gestalteten Platten bescherten Columbia-Records ungeahnte kommerzielle Erfolge.
    "Man hat verglichen, wie einzelne Aufnahmen vorher verkauft wurden, ohne eine besondere Gestaltung, mit dem, wie sie dann mit der Alex Steinweiss-Gestaltung verkauft wurden und hat festgestellt, dass die Absätze um ein Vielfaches hochgingen, also so um das Vier- bis Achtfache."
    "Es war einfach lächerlich, wie Platten vorher verkauft wurden!"
    Auch als andere Schallplattenfirmen nachzogen und ihre Cover von Grafikern gestalten ließen, blieb Steinweiss unangefochten der Star der Szene. Sein Ideenreichtum blieb unübertroffen und seine Hüllen wurden sogar mit eingedruckter Signatur versehen.
    1945 konnte es sich Steinweiss erlauben, seine feste Anstellung bei Columbia zu kündigen. Als freier Grafiker wurde er für alle großen Schallplattenfirmen tätig und entwarf mehr als zweitausend Hüllen.
    Sein Cover für Beethovens 5. Klavierkonzert gehört zu den berühmtesten.
    1972 entschied er sich zum Rückzug aus dem Musik-Geschäft
    "Da ist ein schwarzer Hintergrund. Und dann sieht man in der linken oberen Ecke einen Flügel, und auf den fällt ein weißer Lichtstrahl. Und der bricht sich in dem Flügel, wie ein Prisma. Das ist ein Bild, das man nie mehr vergisst."
    Doch als man Schallplattenhüllen nur noch mit Fotoportraits der Musiker bedruckte, entschied sich Alex Steinweiss 1972 zum Rückzug aus dem Musik-Geschäft und widmete sich der Malerei. Unter dem Pseudonym Piedra Blanca, den spanischen Wörtern für Stein und Weiß, schuf er Gemälde, bei denen er sich durch die Musik berühmter Komponisten inspirieren ließ und wurde auch damit erfolgreich. 2011 starb Alex Steinweiss im Alter von 94 Jahren.