"Während ich schreibe, rauscht das Meer zu mir herauf und ich schließe die Augen."
Schreibt Thomas Mann in seiner Novelle "Tonio Kröger".
"Ich schaue in eine ungeborene und schemenhafte Welt hinein, die geordnet und gebildet sein will."
"Ich schaue in eine ungeborene und schemenhafte Welt hinein, die geordnet und gebildet sein will."
Elisabeth Mann Borgese: "Das Meer hat natürlich eine ungeheure Rolle in seinem Leben und seiner Arbeit gespielt, und obwohl mir das als Kind nicht so bewusst war, hat das natürlich einen Einfluss auf mich gehabt."
Der Schutz der Ozeane war ihre Berufung
"Die Meerfrau" wurde Elisabeth Mann Borgese genannt, weil für sie der Schutz der Ozeane nicht nur Beruf, sondern Berufung war. Eine Leidenschaft, die ihr offenbar im Blut lag, wie sie dem Autor und Filmemacher Wolf Gaudlitz in einem ihrer seltenen Interviews erzählte.
Elisabeth kommt am 24. April 1918 zur Welt, als fünftes der sechs Kinder von Katja und Thomas Mann.
Ihre Kindheit und Jugend sind geprägt vom Exil: 1933 geht die Familie in die Schweiz, wo Elisabeth Abitur macht und anschließend ihr Lehrdiplom als Pianistin. Gleichzeitig begeistert sie sich für die antifaschistischen Schriften des italienischen Historikers und Literaturprofessors Giuseppe Antonio Borgese:
"Die hab ich dann studiert noch in Zürich und dann schon beschlossen, das wäre der Mann, den ich heiraten will."
In Italien beginnt Elisabeth Mann Borgese zu schreiben
Tatsächlich treffen die Manns, als sie 1938 nach Princeton gehen, auf den ebenfalls in die USA emigrierten Borgese. Elisabeth heiratet den 36 Jahre älteren Mann und bekommt zwei Töchter. Nach dem Krieg kehren sie zusammen nach Italien zurück. Elisabeth Mann Borgese beginnt zu schreiben, politische und wissenschaftliche Essays, aber auch Erzählungen. "Nur bescheidene kleine literarische Versuche", sagt sie selbst dazu:
"Nein, nein, Schriftsteller wollt’ ich bestimmt nicht werden."
Lieber will sie den mit Borgese begonnenen Kampf für eine "neue Weltverfassung" fortsetzen, engagiert sich in der internationalen Friedensbewegung und gegen den Vietnamkrieg. Und dann, 1967, hört sie eine Rede des maltesischen UN-Botschafters Arvid Pardo vor den Vereinten Nationen. Er fordert die Anerkennung der Meere als Gemeinerbe der Menschheit und ein neues Seerecht.
"Die Vision, mit der ich mich immerzu beschäftige natürlich, ist, wie sich die soziale und politische Weltordnung umbildet, und mein Gedanke war immer, dass es mit der neuen Meeresordnung anfängt."
Das einzige weibliche Gründungsmitglied des Club of Rome
Dafür kämpft sie nun unermüdlich: 1970 ist sie – das einzige weibliche – Gründungsmitglied des Club of Rome, 1972 ruft sie das International Ocean Institute auf Malta ins Leben, vor allem aber arbeitet sie maßgeblich an der UN-Seerechtskonvention von 1982, einer völkerrechtlichen Vereinbarung zum Schutz der Meere.
Obwohl sie das Fach nie studierte, hat sich Elisabeth Mann Borgese so tief in die Materie eingearbeitet, dass die Universität von Halifax sie 1980 als ordentliche Professorin für Internationales Seerecht beruft. Sie nimmt die kanadische Staatbürgerschaft an und kauft sich ein einsam gelegenes Holzhaus mit ausreichend Platz für ihre geliebten Hunde und einem riesigem Panoramafenster zum Atlantik:
"Denn das ist der beste Platz, den man finden kann, um an Meeresangelegenheiten zu arbeiten. Alles schaut aufs Meer."
Bis zu ihrem Tod 2002 wirbt sie überall auf der Welt für den Schutz der Ozeane. Doch so sehr die internationale Wissenschaft und Politik Elisabeth Mann Borgese schätzte, so unbekannt war sie als Tochter des berühmten Schriftstellers:
"Ja, ich hab‘s eigentlich als ein lebenslanges Prinzip gehabt, nicht über meine Familie öffentlich zu reden oder irgendwie Vorteile in der Öffentlichkeit daraus zu ziehen, dass ich halt aus dieser Familie komm."
Das änderte sich erst, als sie 2001 in dem Fernseh-Dreiteiler "Die Manns" als letzte lebende Zeitzeugin dieser komplizierten Familiengeschichte auftrat. Nun lernte ein breites Publikum Thomas Manns erklärtes Lieblingskind, "die Medi", kennen, die anders als ihre Geschwister auf ihr ganz eigenständiges erfülltes Leben zurückblicken konnte; eine 83-Jährige, die das Lebensende nicht herbeisehnte – aber auch nicht fürchtete:
"Ich sag immer, wenn schon, dann will ich in den Hundehimmel."