"Das ist ja eigentlich, wie soll man sagen, das Theater mit dem Hut. Und wenn ich sage, das Theater mit dem Hut, betrachte ich es wirklich als die Tragödie oder Komödie, oder die Tragikomödie noch besser, der Kunst in unserer Zeit. Und diese Tragikomödie, die ja noch viel tiefer geht als die Tragödie oder die Komödie allein, die Koppelung von Tragikomödie ist doch die Tatsache unserer gegenwärtigen Welt. Und da ich zur Aktionskunst gehöre, führe ich das vor."
Joseph Beuys in einem Fernsehgespräch 1980.
Jenseits von Holz, Stein, Filz und Fett
Unter der "Tragikomödie unserer Zeit" verstand er die Verhärtung der Gesellschaft, die Verdrängung innerer Verletzungen und mangelndes ökologisches Bewusstsein. Der Bildhauer, geboren am 12. Mai 1921 in Krefeld, beschränkte sich nicht auf die formale Gestaltung von Holz oder Stein, sondern griff die Eigenschaften von Materialien wie Filz und Fett auf, um energetische Formprozesse zu demonstrieren. Joseph Beuys 1969 in einem Werkstattgespräch:
"Ich glaube, da liegt vielleicht doch ein kleines Missverständnis vor, insofern als viele Menschen meinen, mich würden die Relikte des Lebens, also das Abgelebte, der Abfall und das Schmutzige und so weiter primär interessieren als ein Problem meiner künstlerischen Darstellung. Das ist insofern ein Irrtum, als das erst sekundär auftaucht innerhalb meiner Arbeit. Die Hauptintentionen meiner Arbeit drehen sich um eine plastische Theorie und um den Begriff Plastik selbst."
Zu den kontrovers diskutierten Arbeiten von Joseph Beuys gehört die Installation "Das Rudel" aus dem Jahr 1969. Sie bestand aus einem alten VW-Bus, aus dessen Heckklappe Schlitten quollen, die jeweils mit einem Stück Fett und Filz als Überlebenspack ausgerüstet waren. Thomas Messer, in den 70er-Jahren Direktor des Guggenheim Museums in New York, fühlte sich bei deren Anblick an die Besetzung Prags 1939 durch die deutsche Wehrmacht erinnert, die er als 19-Jähriger miterlebt hatte:
"Und dann habe ich weiter in mir getobt über Beuys, was natürlich immer ein Warnzeichen ist, und lange Zeit ihn abgelehnt. Und dann sah ich die Ausstellung im Deutschen Pavillon in Venedig, wo die große Trolley-Statue stand. Da wurde es mir plötzlich klar, dass ich alles missverstanden habe, und habe ihn prompt angesprochen auf eine Ausstellung."
Bezug auf schamanistische Methoden
Die Installation "Straßenbahn-Haltestelle" auf der Biennale in Venedig bezog sich auf ein Monument aus dem 17. Jahrhundert in seiner Heimatstadt Kleve. Beuys Adaption bestand aus einem vertikal aufgerichteten Kanonenrohr, auf dessen Spitze ein modellierter Kopf mit schmerzvoll verzogenem Gesicht lag. Für Caroline Tisdall stand Beuys Skulptur für - wie sie sagte - "den aktiven Schmerz des Tuns und den passiven Schmerz des Erleidens", die gesamte Installation für - so wörtlich - "den Widerstreit der Ideen und das schöpferische Ringen eines Prinzips mit einem anderen". Die britische Kunsthistorikerin gilt als profundeste Kennerin des Werks von Joseph Beuys:
"Dass der Mensch im Wesentlichen ein geistiges Wesen ist, ist die fundamentale Grundaussage seines Werkes. Er überträgt diese Idee der Beseelung auf Materie, auf die materielle Welt, in der wir Menschen leben. Diese Energie freizusetzen, ist das Thema seines gesamten Werkes, und deshalb bezieht er sich so stark auf schamanistische Methoden."
Joseph Beuys schuf einprägsame Bilder für energetische Prozesse. Ein prominentes Beispiel ist seine Aktion "7000 Eichen - Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung", die 1982 in Kassel stattfand. Vor dem Fridericianum türmten sich zu Beginn der documenta 7000 Basaltsteine auf. Der Berg schmolz in dem Tempo ab, wie Eichen gepflanzt wurden, denn jeder Baum erhielt einen Basaltstein an seine Seite.
"Wir wollen Sonne statt Reagan, ohne Rüstung leben ..."
Beuys engagierte sich auch als Aktivist in der Friedensbewegung. Er war Gründungsmitglied der Grünen und nahm diesen Song mit BAP-Musikern im Auftrag der Partei auf. Er kandidierte sogar für den Bundestag. Als Joseph Beuys 1986 starb, hatte er nicht nur den Kunstbegriff revolutioniert, sondern auch Impulse für Debatten gesetzt, die weit über die Kunst hinausgingen.