"Als es bei mir prima lief und ich im 'Kicker' geile Noten eingeheimst habe, da hat das 'Kicker'-Lesen natürlich viel Spaß gemacht. Wenn dann irgendwann mal so eine Krise kommt - man vielleicht auch nicht ganz so wohl gelitten ist von einem Schreiberling - da kann sich das gleich mal ins Gegenteil verkehren. Also, gemischte Gefühle als Profi."
Thomas Broich weiß, wovon er spricht, wenn über den "Kicker" redet. Knapp 200 Spiele hat Broich für Vereine wie Gladbach, den 1.FC Köln oder Wacker Burghausen gemacht. Das hieß auch 200 Mal das, wofür der "Kicker" bekannt ist: Spielerbewertung in Form von Schulnoten.
Das sei natürlich subjektive Beurteilung gewesen und Trainer hätten sich auch niemals von "Kicker"-Noten leiten lassen, dennoch: "Ignorieren kann man es nicht. Dafür ist das Blatt zu wichtig und auch zu präsent in diesem Kontext."
"Alle schätzen, dass der 'Kicker' nicht boulvardesk ist"
Heute kennt Thomas Broich auch die andere Seite der Berichterstattung. Der Ex-Profi arbeitet als Co-Kommentator und analysiert Spiele, unter anderem für die "Sportschau". Eine Arbeit für die vor allem der Statistik-Teil im "Kicker" sehr wichtig sei.
Broich: "Ich kann mir gar nicht vorstellen, mich ohne 'Kicker' auf meine Projekte vorzubereiten. Du hast Noten, Assists, Laufleistungen, Formationen, die erklärt werden, besprochen werden. Du hast unheimlich viele Informationen da."
Broich sagt, das sei einer der Gründe, warum der "Kicker" bei Profis gut ankommt, aber nicht der Einzige. "Ich glaube, was alle schätzen, ist, dass der 'Kicker' nicht boulvardesk ist."
"Nicht die schnellste Nachricht, sondern die schnellste zutreffende"
Daran mangelt es der Bundesliga-Berichterstattung nämlich nicht, vor allem nicht online. Meldungen über Transfergerüchte, Instagram-Postings oder zuletzt sogar Friseurbesuche einzelner Profis erzeugen seit Jahren eine Art Grundrauschen, das unter anderem durch starke Zuspitzung funktioniert. Außerdem bleibt der Wahrheitsgehalt teils sehr vage, zum Beispiel, wenn über Spielerwechsel spekuliert wird.
"Das ist ein Segen für uns", meint "Kicker"-Chefredakteur Jörg Jakob, denn: "Nicht die schnellste Nachricht, sondern die schnellste zutreffende Nachricht ist, das, was wir liefern wollen, und auch das, was von uns erwartet wird."
Der "Kicker" sei aus Tradition nah dran und bei jedem Bundesligaverein mindestens ein Reporter vor Ort, die für alle Kanäle schreiben, weil Online- und Print-Redaktion seit 2014 verzahnt sind. Zudem gebe es ein großes Korrespondenten-Netz für ausländische Ligen und die unteren Spielklassen.
Jakob: "Und was uns auszeichnet ist sicherlich eine Kontinuität. Sowohl bei der festangestellten Mannschaft als auch bei unseren Korrespondenten haben wir ein Team, das zwar immer wieder erfrischt und ergänzt wird, aber doch auch eine unglaublich stark gebündelte Erfahrung."
"Fankultur ist dem 'Kicker' irgendwie suspekt"
Der 100. "Kicker"-Geburtstag ist auch Thema in anderen Redaktionen. Bereits seit einigen Wochen sind ausführliche Dokumentationen der ARD-"Sportschau" und der Sportplattform DAZN online. In beiden Dokus wird es für den "Kicker" kritisch, wenn es um sein Verhältnis zur aktiven Fanszene geht. Von relevanten Aspekten einer Fankultur habe der "Kicker" keine Ahnung - aber trotzdem eine Meinung, so der Vorwurf.
Oder wie es Philipp Köster, Chefredakteur des Magazins "11Freunde" in der "Sportschau"-Doku sagt: "Der 'Kicker' weiß, wie wichtig die Anhänger für das Spiel sind. Es wird da immer geredet vom zwölften Mann. Aber gleichzeitig sind so Fanbelange, Fankultur dem 'Kicker' irgendwie suspekt, weil man sich da auf ein Gebiet bewegt, dass man nicht so richtig versteht, das man auch nicht so richtig beschreiben kann. Ich glaube, Fan-Themen kommen immer dann vor, wenn’s gar nicht zu vermeiden ist, aber eigentlich ist die Haltung des 'Kickers' eine Nichthaltung. "
Gegen diese Kritik verteidigt sich "Kicker"-Chef Jörg Jakob. Der "Kicker" beschäftige sich bereits intensiv mit diesem Thema, bilde aber gemäß seiner Leitlinien die Breite aller Stimmen im Fußball ab: "Selbstverständlich müssen wir auch die Fans hören, aber eben nicht nur sie."
Trotzdem: Als Ende Februar Fans gegen den DFB protestierten und mit kritischen aber auch beleidigenden Spruchbändern gegen den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp vorgingen, fanden sich in "Kicker"-Artikeln und Kommentaren Begriffe wie "Chaoten", "Täter" oder "geistige Brandstifter". Es wurden Bezüge sogar zum rechtsextremen Anschlag von Hanau aus der Vorwoche hergestellt.
Print fürs Hintergründige, Online fürs Aktuelle
Sind solche pauschalen Zuschreibungen passend sind für ein Magazin, das sonst für präzise Analyse und differenzierte Wortwahl steht? Jörg Jakobmeint ja: "Die Fanproteste in der Art, wie sie dann stattgefunden haben, waren möglicherweise von der Tonlage her zu diesem Zeitpunkt nicht die richtigen - und dann bekommt man auch einmal vielleicht in einer deutlichen Tonlage etwas zurück. In einem Meinungsbeitrag wohlgemerkt."
In die Zukunft blickt der "Kicker" optimistisch. Er muss nicht wie andere Zeitschriften darauf warten, dass die digitalen Erlöse die aus dem Print übertreffen. Das ist bereits seit zwei Jahren der Fall. Trotzdem kann der "Kicker" noch nicht auf die klassischen Print-Ausgaben montags und donnerstags verzichten, sagt Jakob - auch wenn es eine inhaltliche Differenzierung gibt.
"Logisch und klar ist doch, dass sich Print immer mehr zu einem tiefgründigen, hintergründigen und erklärenden Medium entwickelt, und dass das aktuelle Geschehen, die reine Spielberichterstattung sich in der Zukunft deutlich mehr noch im Digitalen abspielen werden."