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100 Jahre Schlacht um Verdun
Von der Hölle zum Erinnerungsort

Verdun ist bis heute ein Synonym für die Sinnlosigkeit des Krieges schlechthin. Vor 100 Jahren, am 21. Februar 1916, begann dort jene monströse Schlacht, in der bis zum Jahresende hunderttausende französische und deutsche Soldaten ihr Leben ließen - und durch die die deutsch-französischen Beziehungen sehr lange schwer belastet wurden.

Von Andreas Noll |
    Französische Infanterie auf dem Schlachtfeld von Verdun im 1. Weltkrieg (1914-1918).
    Französische Infanterie auf dem Schlachtfeld von Verdun im 1. Weltkrieg. (picture alliance / AFP)
    - "Der Kamerad neben mir, der Kamerad, den sehe ich noch stehen. Der lachte und nahm sein Gewehr und schoss hinter dem fliehenden Gegner hinterher. Und auf einmal hörte ich ein Klatsch. Da muss der eine Gewehrkugel gekriegt haben, durch den Körper. Und ich sah nur, wie er sich um sich dreht und mit lachendem Gesicht zusammenbrach und in den Schnee fiel."
    - Leohnhard: "Verdun ist eine unglaubliche Materialschlacht mit einem unvorstellbaren Einsatz von Gewaltmitteln auf engstem Raum. Die Deutschen verbrauchen pro Tag das, was in 35 Munitionszüge geht."
    - Meriot: "Mein Großvater hat Momente gehabt. Ich war da noch ein kleines Kind und habe das nicht richtig verstanden, aber er hat Momente gehabt, zum Beispiel am Sonntag nach dem Kaffee, wo er zusammengesackt ist und dann kam: Verdun, Verdun. Und dann dachten wir, der Opa spinnt ein bisschen."
    Es ist kalt auf den Schlachtfeldern von Verdun in diesem Februar. Lautlos fällt der Schnee auf das Fort Douaumont, dem damals größten und modernsten Fort der lothringischen Festung Verdun. Ursula Meriot hat ins Innere des mächtigen Bollwerks gebeten. Die Familiengeschichte der 65 Jahre alten Fremdenführerin ist eng mit dem Krieg verbunden. Ihr Großvater hat hier auf deutscher Seite vor 100 Jahren gekämpft. Schon als Kind ist ihr Verdun ein Begriff:
    "Da hat mein Vater früher eine Kiste von Dias mitgebracht von Verdun, vom Gebeinhaus. Und das war das erste Mal, dass ich das Gebeinhaus auf einem Bild sah. Und der Großvater hat geweint, als er das gesehen hat. Das Gebeinhaus ist ja ein Denkmal. Er wusste ja, dass die Verstorbenen, die man nicht identifizieren konnte, dass die dort waren."
    Ursula Meriot lebt seit den 1970er-Jahren in Frankreich, ist heute französische Staatsbürgerin und führt Besuchergruppen an die Erinnerungsorte des Ersten Weltkriegs. Das Beinhaus von Douaumont gehört dazu – oder das Fort, das am 21. Februar 1916 zu den wichtigsten Zielen der Deutschen zählte:
    "Der Angriff sollte Anfang Januar stattfinden. Und weil das Wetter schlecht war, Nebel, wurde er verlegt auf den 21. Februar. Am 21. Februar soll es klar gewesen sein. Es war bitterkalt, aber das spielte keine Rolle."
    Um 9 Uhr begann der Angriff
    Ab 8 Uhr morgens feuert die deutsche Artillerie aus mehr als 1.200 Geschützen auf die Stellungen des Gegners. Eine Million Granaten gehen allein am ersten Tag auf die Franzosen nieder. Auf den Höhenzügen der Maas erleben die völlig überraschten Verteidiger ein apokalyptisches Inferno.
    Nach neun Stunden Trommelfeuer klettern Tausende deutsche Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten aus ihren Stellungen und stürmen in Richtung des Gegners.
    Ausgerechnet Verdun.
    Warum die Deutschen an diesem besonders stark befestigten Abschnitt der Front angreifen, erklärt der Chef der Obersten deutschen Heeresleitung nach dem Krieg. Die Offensive sollte so viele feindliche Kräfte wie möglich bei Verdun bündeln und vernichten, schreibt General Erich von Falkenhayn in seinen Memoiren. In einer Weihnachtsdenkschrift 1915 will er das festgehalten haben.
    Erster Weltkrieg: Französische Soldaten klettern während der Schlacht um die ostfranzösische Stadt Verdun zu einem Angriff aus ihren Schützengräben (Archivfoto von 1916).
    Schlacht um Verdun: Französische Soldaten klettern während der Schlacht um die ostfranzösische Stadt Verdun zu einem Angriff aus ihren Schützengräben (Archivfoto von 1916). (picture-alliance / AFP)
    "Hinter dem französischen Abschnitt der Westfront gibt es in Reichweite Ziele, für deren Behauptung die französische Führung gezwungen ist, den letzten Mann einzusetzen. Tut sie es, so werden sich Frankreichs Kräfte verbluten, da es ein Ausweichen nicht gibt, gleichgültig, ob wir das Ziel selbst erreichen oder nicht. Tut sie es nicht und fällt das Ziel in unsere Hände, dann wird die moralische Wirkung in Frankreich ungeheuer sein."
    In den Archiven suchen Historiker später vergebens nach dieser Weihnachtsdenkschrift. Sie hat es in der Form nie gegeben. Die Motive, die Falkenhayn für seinen Angriff nachträglich anführte, halten Wissenschaftler wie der Freiburger Geschichtsprofessor Jörn Leonhard trotzdem für stichhaltig:
    "Es gibt, glaube ich, doch Anzeichen dafür, dass die Idee dieses Ausblutens – so zynisch dieser Begriff klingt – nicht nur eine nachträgliche Stilisierung und Rechtfertigung in Falkenhayns Memoiren ist, die er nach 1918 geschrieben hat. Sondern Falkenhayn erlebt das Jahr 1915. Und er hat an vielen Stellen der Westfront erlebt, dass Durchbrüche nicht möglich sind. Ich glaube, dass man auch aufgrund der Unterredung zwischen ihm und dem Kaiser Ende 1915 gegeben hat, erkennen kann: Er sucht einen strategischen Ort, den er handstreichartig nimmt und dann die Franzosen ultimativ schwächt. Um entweder an einer anderen Front durchzubrechen oder aber durch die Schwächung die Koalition zwischen den Briten und den Franzosen ultimativ aufzulösen und damit die Entscheidung im Westen zu erzwingen."
    Beispielloser Einsatz von Mensch und Kriegsgerät
    Erreichen wollen die Deutschen dieses Ziel mit einem bis dahin beispiellosen Einsatz von Mensch und Kriegsgerät. Bereits vier Tage nach dem Beginn der Materialschlacht erobern Soldaten der Division Brandenburg handstreichartig das zu diesem Zeitpunkt ungeschützte Fort Douaumont:
    "Das war für die Franzosen ein riesengroßer Verlust. Auf deutscher Seite wurde das als Sieg angesehen. Douaumont ist gefallen – in Berlin hatten die Kinder schulfrei."
    Hinter Stacheldraht wehen auf der ehemaligen französischen Festung Fort Douaumont bei Verdun/Frankreich (Lorraine) die Fahnen Deutschlands (l-r), Frankreichs und der EU, aufgenommen am 25.04.2014.
    Hinter Stacheldraht wehen auf der ehemaligen französischen Festung Fort Douaumont bei Verdun die Fahnen Deutschlands (l-r), Frankreichs und der EU. (picture alliance / Uwe Zucchi)
    Das Deutsche Reich feiert seine tapferen Soldaten: Neun Monate lang wird Fort Douaumont von den Deutschen gehalten. Für Frankreich wird diese Niederlage zu einem Wendepunkt:
    "Weil man jetzt begreift: Das ist der Ort, wo Frankreich auf dem eigenen Territorium, die Nation, die Republik verteidigt. Die Aufgabe, Verdun zu verteidigen, wird eine der gesamten Nation. Es ist dann ein symbolischer Ort für die Franzosen, an dem sich zeigt, wie man gegen die Invasoren aus Deutschland kämpft. Das ist etwas, was man in Deutschland unterschätzt hat."
    Logistisch ist Verdun für die Verteidiger schwer zu versorgen. Während die Deutschen über 14 Eisenbahnlinien Nachschub an die Front bringen können, bleiben Frankreich nur eine einzige Straße und eine kleine Eisenbahnstrecke. Dem Defensivtaktiker Philippe Pétain gelingt es dennoch, eine effiziente Verteidigung der Stadt zu organisieren. Der General lässt die Straße zur Nabelschnur an die Front ausbauen, über die ohne Unterbrechung Soldaten, Munition und Lebensmittel nach Verdun gelangen. Pétain wird zum Helden für die Männer in den Schützengräben - die Versorgungsstraße geht als Voie Sacrée – als heilige Straße – in die Geschichte ein.
    Erfolge der Franzosen auf dem Schlachtfeld
    Auch auf dem Schlachtfeld verzeichnen die Franzosen Erfolge. Die Offensive der Deutschen Anfang April bleibt schon nach wenigen Tagen stecken. Besonders heftig und verlustreich wird um die Gebirgsrücken Toter Mann und 304 gekämpft. Artilleriefeuer, Giftgas und Flammenwerfer bringen zehntausendfach den Tod über Angreifer und Verteidiger. Das Leben des einzelnen Soldaten zählt wenig:
    "Die Verluste waren groß. Auch in unseren Reihen hat es etliche herausgerissen. Ich höre heute noch, wie da einer ruft: Kameraden helft. Und wir mussten sagen: Die Sanitäter werden kommen, für uns heißt es vorwärts. Wir durften uns nicht um die Verwundeten kümmern."
    Der brutale Stellungskrieg und der ständige Regen hat die Schlachtfelder in Schlammlandschaften verwandelt. Aber nicht nur dort sterben die Soldaten. Im Mai kommt es im Inneren von Fort Douaumont zur Katastrophe. Das Bauwerk dient zu diesem Zeitpunkt rund 3.000 deutschen Soldaten als Schutzraum. Ursula Meriot führt die Besucher vorbei an den porösen Festungsmauern, durch die unablässig Wasser dringt, zu einem deutschen Soldatenfriedhof:
    "Wir stehen vor einer Mauer mit einem Kreuz. Da steht drauf: den toten Kameraden. Hinter dieser Mauer sind die Reste von 679 deutschen Soldaten beigesetzt. In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 1916 ist hier ein schreckliches Unglück passiert. Unten waren Munitionslager. Diese Munitionslager sind explodiert."
    Zur Beisetzung der Soldaten im Inneren des Forts gibt es keine Alternative. Bis zu 1.400 Geschosse gehen damals täglich auf das Bauwerk nieder. Das Leiden der Verdun-Kämpfer hat Deutschlandfunk-Redakteur German Werth in den 1970er-Jahren nachgezeichnet. Bevor die Kriegsgeneration für immer zu verstummen drohte, gab der Journalist den Veteranen eine Stimme. Der spätere Goethe-Biograf Richard Friedenthal wurde als Pionier bei Verdun verwundet:
    "Die Sache war aussichtslos. Meiner Ansicht nach. Das Angriffsziel war ein mythisches, nämlich ein Fort der älteren Art, während die Franzosen sehr intelligent die ganze Festung Verdun umgewandelt hatten in eine Région fortifiée - mit Feldbefestigungen, Blockhütten, Schützengräben und so weiter. Die waren durch die Feuerwalz gar nicht erreicht. Die mussten einzeln genommen werden."
    Rückfall in die Ausgangsstellungen nach 300 Tagen
    Als die Alliierten Ende Juni die Deutschen an der Somme angreifen, muss Falkenhayn Truppen aus Verdun abziehen. An große Offensiven ist nun nicht mehr zu denken. Ende August wird der Generalstabschef durch die Generäle Erich Ludendorff und Paul von Hindenburg ersetzt. "Die Helden der Ostfront" setzen in Verdun umgehend auf die Defensive. Am 24. Oktober erobern die Franzosen das Fort Douaumont zurück. Am 19. Dezember fallen die Konfliktparteien nach 300 Tagen und Nächten in ihre ursprünglichen Ausgangspositionen zurück.
    Viele Soldaten sind erleichtert, dass die militärisch sinnlose Schlacht, die schon Zeitgenossen als "Knochenmühle" oder "Blutpumpe" beschreiben, vorbei ist.
    "Ich glaube, vom Hass ist nie die Rede gewesen. Weder gegenüber dem Franzosen, noch gegenüber dem Engländer. In den französischen Familien nahe der Front gab es ja nur einen Spruch, der immer wiederholt wurde: Malheur la guerre, pour vous, pour nous, pour tout le monde."
    160.000 gefallene französische Soldaten und 210.000 Verwundete. Das ist die Bilanz der Schlacht von Verdun. Auf deutscher Seite waren die Verluste nur unwesentlich kleiner: 140.000 Tote und 190.000 Verwundete. Dennoch geriet das Gemetzel östlich des Rheins schnell in Vergessenheit. Der Freiburger Historiker Jörn Leonhard:
    "Für die 20er-, dann auch für die 30er-Jahre ist nicht so sehr Verdun im Mittelpunkt. In der Schrift von Adolf Hitler, "Mein Kampf", wissen wir, dass Verdun im Register der neuen Ausgabe überhaupt nicht vorkommt. Da ist vielmehr die Schlacht von Tannenberg im Osten Europas wichtig. Das ist der Sieg von Hindenburg und Ludendorff. Das ist der Sieg, der andeutet, welche Raumgewinne und Möglichkeiten aus dem Bewegungskrieg im Osten entstehen können."
    Mythos Verdun in Frankreich
    In Frankreich ist der Mythos Verdun auch nach dem Ende des Krieges ungebrochen. Auch aufgrund des von Pétain erdachten Ablösesystems. Lediglich zehn bis 15 Tage blieben die französischen Soldaten an der Front – dann wurden sie abgelöst. 85 Divisionen – fast 80 Prozent der Armee - wurden im Verlauf der Schlacht in Verdun eingesetzt. So brachten die Kämpfe in Lothringen Leid über nahezu jede französische Familie.
    Auch, wenn die Schlacht an der Somme an der Seite der Briten noch blutiger war – im kollektiven Gedächtnis der Franzosen zählt bis heute Verdun. Hier hatte Frankreich den Kampf um das Weiterbestehen der Nation gewonnen. Und ebenfalls bedeutend: Hier standen sich ausschließlich deutsche und französische Truppen gegenüber.
    Die deutsche Öffentlichkeit nimmt erst am 22. September 1984 wieder Notiz von Verdun. Der französische Staatspräsident François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl besuchen die Schlachtfelder des Krieges, den die Franzosen bis heute den "Großen Krieg" nennen. Beide Politiker verbinden mit Verdun persönliche Erlebnisse. Mitterrand wurde hier im Zweiten Weltkrieg verwundet, Kohls Vater hatte hier im Ersten Weltkrieg gekämpft.
    Im Beinhaus von Douaumont liegen die sterblichen Überreste von mehr als 130.000 nicht identifizierbaren deutschen und französischen Soldaten. Zum ersten Mal erklingt an dieser Stelle die bundesdeutsche Nationalhymne - französische Weltkriegsveteranen salutieren. Kurz bevor die Militärmusiker die Marseillaise anstimmen, greift Mitterrand die Hand des deutschen Kanzlers – und lässt sie bis zum Ausklingen der Hymne nicht mehr los.
    Händedruck macht Verdun zu wichtigem Ort der deutsch-französischen Erinnerung
    Der Händedruck der beiden Staatsmänner im strömenden Regen über den Gräbern von Verdun: Diese Geste brennt sich ein ins kollektive Gedächtnis. Verdun wird zu einem wichtigen Ort der deutsch-französischen Erinnerung. Hier bekräftigen Kohl und Mitterrand die Aussöhnung der einstigen Erbfeinde.
    Das Beinhaus von Douaumont gehört zur Kommune Fleury-devant-Douaumont. Im Juni 1916 kommen die Kämpfe nach Fleury – das Dorf wechselt 16 Mal von einer Hand in die andere.
    Laparra: "90 Tonnen Geschosse pro Nacht fallen auf Fleury. Das entspricht ungefähr achtmal der Explosionskraft von Hiroshima."
    Am Ende der Kämpfe ist Fleury pulverisiert. Nicht ein Gebäude hat dem Feuersturm standgehalten. Das Dorf mit seinen Cafés, der kleinen Schule und den Bauernhöfen ist ausgelöscht. Einen Bürgermeister aber gibt es in Fleury bis heute. Jean-Pierre Laparra:
    "Ich empfange Besucher und kümmere mich um den Erhalt des Dorfes. Wir wollen die Landschaft so bewahren, wie sie der Krieg hinterlassen hat. Denn ein Wiederaufbau des Dorfes ist undenkbar. Zuviel Munition ist im Boden, zu viele Leichen. In dem Sektor hier befinden sich rund 10.000 deutsche und französische Soldaten, die noch nicht gefunden wurden. Sie gelten als vermisst, aber sie sind hier im Boden."
    Bis sie der Zufall wieder freigibt. Laparra zeigt auf ein unscheinbares Stück Waldboden:
    "Hier ist der Ort, an dem wir im vergangenen Juni einen deutschen Soldaten gefunden haben. Wir haben noch keine Erinnerungsplakette aufgestellt. Das wird aber kommen. Durch die Leute, die hier entlanggelaufen sind, ist das Gelände erodiert. Und plötzlich ragte dann die Schädeldecke aus dem Boden. Und das Fernglas des Soldaten. Hier schauen sie mal. Ich habe davon Fotos."
    Nur eine kleine Kapelle in Fleury
    Laparra geht weiter durch sein Dorf, das heute nur noch aus ein paar befestigten Wegen besteht. Der Wald hat das Gelände zurückerobert, in den alten Granattrichtern wächst Gras. Nur die Plaketten an den Wegrändern erinnern daran, dass hier früher Häuser standen und Menschen lebten. Obwohl an einen Wiederaufbau nach dem Krieg nicht zu denken war, gibt es heute ein Gebäude in Fleury - eine kleine Kapelle.
    "Das war der Wille der früheren Einwohner. Sie wollten einen Ort haben, an dem sie gedenken konnten. Und deshalb haben sie darum gebeten, eine Kapelle an die Stelle zu bauen, wo früher die Kirche war."
    Laparra, aber auch seine Vorgänger, haben stets Kontakt zu den Deutschen gesucht. Jedes Jahr kommen deutsche Abordnungen nach Fleury, feiern gemeinsam mit den Franzosen Messen und ehren die Gefallenen am Mahnmal für die Toten. Und doch gibt es auch 100 Jahre nach dem Krieg noch offene Wunden:
    "Meine Mutter hatte Probleme, mit den Deutschen zu sprechen. Sie hat ihren Vater im Krieg 1917 verloren. Aus der älteren Generation haben noch viele Menschen Vorbehalte. 2014 haben wir im Beinhaus eine Gedenktafel eingeweiht. Das war die erste Gedenktafel für einen deutschen Soldaten dort. Der Bürgermeister unserer Partnerstadt und ich, wir haben gefragt, ob das möglich sei. Die Antwort war: ja. Doch als die Tafel eingeweiht wurde, haben die Veteranen hier aus der Region protestiert. Warum machen Sie das, haben einige gefragt. Die Großväter werden sich im Grabe herumdrehen."
    Den Händedruck von Kohl und Mitterrand hat Laparra als 30-Jähriger aus nächster Nähe verfolgt: Die Geste hat ihn tief berührt. Ende Mai kommen François Hollande und Angela Merkel nach Verdun. Die von Volker Schlöndorff inszenierte Gedenkzeremonie wird der Bürgermeister als Gastgeber aus der ersten Reihe verfolgen.
    Am Wochenende war Laparra bei der Eröffnung des neuen Mémorial de Verdun. Auf dem Boden der Gemeinde, dort, wo früher der Bahnhof stand, erinnert das Museum seit 1967 an den Ersten Weltkrieg. Das Mémorial ist ursprünglich den französischen Veteranen gewidmet, doch nach dem Umbau in den vergangenen Jahren hat sich die Perspektive der Ausstellung geändert – die deutsche Präsenz an Gegenständen und Zeugnissen aus dem Krieg hat sich sichtbar verstärkt. Ein neues Gleichgewicht ist entstanden. Mémorial-Direktor Thierry Hubscher sieht darin eine Botschaft für die Zukunft:
    "Verdun gilt heute als symbolträchtigste Schlacht für den Horror des Krieges und das Chaos. Und in diesem Geist stellen die Historiker das Gedenken an den Soldaten von Verdun in den Vordergrund, egal welcher Nationalität."