Zumindest in der Taxibranche ist der erwartete massive Kundenschwund ausgeblieben. Rund einhundert Tage nach Einführung des Mindestlohns gibt Michael Müller, der Präsident des Branchenverbandes BZP Entwarnung. Die Fahrgastzahlen seien nicht dramatisch zurückgegangen, obwohl laut Statistischem Bundesamt das Taxifahren über das Bundesgebiet hinweg im Februar im Vergleich zum Vorjahr rund zehn Prozent teurer geworden ist.
Steigende Preise - eine logische Folge der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro, sagt Gustav Horn, der Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung:
"Wir werden also in Zukunft auch sicher mehr für das Taxifahren zahlen müssen. Ebenso wie wir auch mehr zahlen müssen, wenn wir zum Friseur gehen. Das ist sicher eine Folge der Einführung des Mindestlohns."
Mindestlohn führte nicht zu Preiserhöhungen auf breiter Front
Insgesamt aber habe die Einführung des Mindestlohns nicht zu Preiserhöhungen auf breiter Front geführt, stellt Konjunkturexperte Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung fest. Für die Unternehmen bedeutet das aber: Können sie die Kosten nicht über höhere Preise abfangen, müssen sie Alternativen finden. Die Folgen etwa im Taxigewerbe: In einigen Fällen säßen die Unternehmer wieder selber am Steuer, um Kosten zu sparen, teilt die Fachvereinigung Personenverkehr Nordrhein Taxi-Mietwagen mit.
Außerdem habe es Entlassungen bei Minijobbern und Vollzeitkräften gegeben. Kein flächendeckendes Phänomen quer über alle betroffenen Branchen, erklärt Wirtschaftswissenschaftler Horn:
"Das sehen wir insgesamt noch überhaupt nicht. Wir sehen zwar eine Umschichtung von Jobs. Minijobs werden unattraktiver. Das scheint sich schon zu zeigen. Das ist aber noch nichts Schlimmes. Wenn daraus normale sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstehen."
Entlassungen bei Minijobbern und Vollzeitkräften
Das derzeit robuste wirtschaftliche Umfeld in Deutschland halte mögliche negative Auswirkungen erst einmal klein, sagt Thorsten Schulten vom WSI-Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung. Doch gerade in strukturschwachen Regionen in Ostdeutschland machten die Lohnsteigerungen vielen Unternehmen zu schaffen, klagen Branchenverbände. Etwa aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe.
Vielen Arbeitgebern gehen auch die Dokumentationspflichten zu weit. In einigen Branchen, die im Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit genannt sind, weil sie in der Vergangenheit besonders aufgefallen sind, müssen Anfang, Ende und Gesamtdauer der Arbeitszeit dokumentiert werden. Auch, um sicherzustellen, dass der Mindestlohn pro Stunde nicht durch längere Arbeitszeiten bei gleicher Entlohnung umgangen wird. Das gilt etwa für Gastronomie, Baugewerbe, Gebäudereinigung. Und für den Personentransport.
Anfang, Ende und Dauer der Arbeitszeit dokumentieren
Dort seien 8,50 Euro pro Stunde trotz Mindestlohn für viele angestellte Taxifahrer immer noch nicht Alltag, sagt Bernd Hoffmann. Ein Berliner Taxifahrer, der eigentlich anders heißt. Oft sei nur die Abrechnungspraxis kreativer geworden. Eine Methode: Umsatzlose Standzeiten – in Berlin, nicht selten eine Viertelstunde oder länger - werden als Pausen gerechnet.
"Da die Arbeitszeit ja kontrolliert werden soll, acht Stunden fahren. Da aber in den acht Stunden das nicht reinkommt, was man braucht, damit es rundläuft, werden weiterhin zehn, zwölf Stunden gefahren. Das andere wird als Pause rausgerechnet."
Verdi-Chef Frank Bsirske betont, die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit sei unverzichtbar, um die Einhaltung des Mindestlohns kontrollieren zu können. Auch Arbeitsministerin Andrea Nahles hat sich gegen grundlegende Änderungen am Mindestlohngesetz ausgesprochen. Sie zeigt sich aber gesprächsbereit, die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeiten praxisnäher zu gestalten.