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100 Tage vor Olympia
Steigende Sorgen vor einer Ansteckung

Am 23. Juli beginnen die Olympischen Spiele in Tokio, das sind noch gut 100 Tage und noch ist vieles unklar, was die Sicherheit der Athletinnen und Athleten angeht. Wie kann der Schutz vor einer Ansteckung mit Covid-19 gewährleistet werden und wie kann verhindert werden, dass diese Veranstaltung zu einem Super-Spreading-Event wird?

Von Jessica Sturmberg | 13.04.2021
    Die japanische Frauenfußball-Nationalmannschaft beginnt den olympischen Fackellauf.
    Die japanische Frauenfußball-Nationalmannschaft beginnt den olympischen Fackellauf. (Kim Kyung-Hoon/Reuters/AP/dpa)
    Die Nervosität steigt spürbar, und auch eine Veränderung in der Sorge um die eigene Gesundheit lässt sich bei vielen Sportlerinnen und Sportlern ausmachen. Zum Jahreswechsel war noch ziemlich klar, dass sich die Athleten hinten anstellen und in der Impfreihenfolge nicht bevorzugt werden wollen. Da waren aber auch viele Athleten aus anderen Ländern noch nicht geimpft und die Mutanten noch nicht so dominant - und es gab noch nicht so viele mit Corona infizierte Sportlerinnen und Sportler. Zudem waren die jüngeren Jahrgänge noch weniger von schweren Verläufen betroffen und Long-Covid noch nicht so bekannt und verbreitet.
    Das alles ist inzwischen anders: Diejenigen, die sich noch qualifizieren und dafür zu Wettkämpfen in Hochinzidenzländer reisen müssen, haben zumeist kein gutes Gefühl. So geht es auch dem Präsidenten des Deutschen Kanuverbandes, Thomas Konietzko. Er sagte im NDR Sportclub: "Es ist nicht nur ein schlechtes Gefühl, es ist auch eine große Gefahr, die jetzt noch zu Qualifikations-Wettkämpfen nach Ungarn, nach Russland müssen, wenn sie dort ungeimpft hinfahren und ich tue mich wirklich schwer, die Verantwortung zu übernehmen."
    Long Covid im Sport - "Habe Angst, dass manche Symptome nicht so schnell zurückgehen"
    Im vergangenen August wurde bei Extremsportlerin Katharina Blach eine Covid-Erkrankung nachgewiesen. Noch heute leidet sie unter den Folgen, berichtete sie im Dlf-Sportgespräch. Wichtig sei eine "dosierte Belastung und ein ganz langsamer Belastungsaufbau", sagte Sportmediziner Wilhelm Bloch.
    Inzwischen gibt es mehr Erkenntnisse auch über Langzeitfolgen bei Sportlerinnen und Sportlern, die eine Corona-Infektion durchgemacht haben. Der Sportmediziner Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule forscht in dem Bereich und weist darauf hin, dass die Belastung nach einer Erkrankung erst wieder behutsam gesteigert werden dürfe und selbst eine Heranarbeiten an die alte Leistungsfähigkeit oftmals nicht ausreichen dürfte:
    "Wir reden über ein, zwei, drei Prozent Leistungsunterschied und die sind im absoluten Spitzenniveau schon entscheidend und klar es ist jeder Sportler versucht momentan wieder heranzukommen und wenn man dann mit Sportlern redet, dann sagen sie, ja, ich bin jetzt soweit wieder bei 95 Prozent, haben aber im Endeffekt noch spezifische Ausfälle. Am Schluss des Tages werden die 95 Prozent nicht ausreichen, um wieder in die absolute Spitze zu kommen."

    Langzeitfolgen einer Covid-Erkrankung unklar

    Ob die betroffenen Athletinnen und Athleten jemals wieder auf ihr altes Leistungsniveau kommen werden, lasse sich gegenwärtig nicht sagen:
    "Das hängt damit zusammen, wir haben eine Erkrankung, die kennen wir jetzt seit gut einem Jahr. Und wir kennen die Erkrankung nicht wirklich, wir wissen nicht einmal genau, warum es so viele neurologische Ausfälle gibt. Wir haben auch noch nicht hundert Prozent verstanden, warum es Muskelprobleme gibt oder warum es eine erhöhte Herzfrequenz gibt und letztendlich Leistungsverluste gibt."
    100 Tage vor den Spielen sind die Wettbewerbsvoraussetzungen so ungleich wie vielleicht noch nie zuvor. Geimpfte Sportler treten gegen Ungeimpfte bei den Qualifikationen an. Aber auch in der Trainingsvorbereitung macht eine Impfung einen großen Unterschied, sagt Ruderer Richard Schmidt aus dem deutsche Ruderachter.
    Der Deutschland-Achter mit Steuermann Martin Sauer (l-r), Hannes Ociks, Richard Schmidt, Malte Jakschik, Jakob Schneider, Torben Johannesen, Olaf Roggensack, Laurits Follert, Johannes Weissenfeld - hier bei einer Trainingsfahrt über den Ems-Kanal.
    Deutschland-Achter gewinnt Gold bei EM in Posen (dpa /Bernd Thissen / dpa-Bildfunk )
    "Bei uns sind Trainingslager ausgefallen. Das Training allgemein ist auch schon sehr umständlich. Wir trainieren nur in Kleingruppen. Dann die ständige Angst, zu erkranken und dann länger auszufallen. Wir haben jetzt alles darauf ausgerichtet und wenn wir jetzt erkranken, dann kann es sein, dass es mit Tokio war."
    Darum schränkten er und sein Team, genauso wie seine Familie sich stark ein, träfen schon seit Monaten niemanden mehr und reduzierten alles auf den Sport. Vor einem Jahr hatten sie entschieden, für den Olympiatraum nochmal ein Jahr dranzuhängen, doch mittlerweile sei der Preis ebenso wie das Risiko schon sehr hoch:
    "Ich würde schon ganz gerne zeitnah geimpft werden und wenn man sieht, dass andere Nationen sich schon geimpft haben oder fast alle Nationen geimpft sind, dann ist das ein Nachteil. Die verhalten sich ganz anders als man selbst und können viel freier trainieren als wir."
    Dazu kommen die Wettbewerbs-Verzerrungen dadurch, dass gerade nur sehr eingeschränkt Dopingkontrollen stattfinden.

    Mehr als 80 Prozent warten auf eine Impfung

    Auch der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann weist nun mit Nachdruck darauf hin, dass die Athletinnen und Athleten bald geimpft werden sollten.
    "Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir mehr und mehr an den Punkt kommen, wo das Risiko zunimmt, weil wir – letzte Informationen – beispielsweise wissen, dass sich alleine im vergangenen Monat, Größenordnung 35 Athletinnen und Athleten aus dem Team D an Corona infiziert haben. Das heißt es wird erkennbar, dass das Risiko von Woche zu Woche größer wird."
    DOSB-Präsident Alfons Hörmann
    Olympia - "Wenn die Spiele stattfinden, wird es auch ein Team D geben"
    Die Absage an die ausländischen Zuschauer bei den Olympischen Spielen in Tokio sei bedauerlich, aber verständlich, sagte DOSB-Präsident Alfons Hörmann im Dlf. Für eine generelle Absage der Spiele sieht er keinen Grund. Er vertraue in professionelle Hygienekonzepte.
    Eine Umfrage des Deutschen Olympischen Sportbundes unter den feststehenden und potenziellen Olympiateilnehmenden ergab laut Hörmann, dass rund zwölf Prozent über verschiedenste Wege geimpft sind, sieben Prozent wollen keine Impfung und gute 80 Prozent warten noch darauf. Sportmediziner Bloch wies darauf hin, dass eine Impfung des Teams spätestens Anfang Mai erfolgen sollte, da die Impfung selber noch ihre Wirkung entfalten und auch die Nebenwirkungen in den Wettkampfplan berücksichtigt werden müssten.