Die Friedensbewegung hatte es im Deutschen Kaiserreich schwer. Die Reichsgründung von 1871 war militärisch erzwungen worden, entsprechend hoch standen Militär und Machtpolitik im Kurs.
Der Berliner Kleinverleger Alfred Hermann Fried, 1864 in Wien als Kind armer jüdischer Eltern geboren, fand sich mit diesem Zustand nicht ab. Seit er als 17-jähriger Buchhandelslehrling eine Ausstellung der realistischen Kriegsgemälde des russischen Malers Wassili Wereschtschagin besucht hatte, war er ein entschiedener Kriegsgegner. 1891 gewann er Bertha von Suttner, Autorin des Erfolgsromans "Die Waffen nieder!", als Herausgeberin der ersten pazifistischen Zeitschrift in Deutschland. Mit Suttners Unterstützung wurde Fried zur treibenden Kraft bei der Gründung der Deutschen Friedensgesellschaft. Der Hohn nationalistischer Kreise war ihnen gewiss. Der populäre Schriftsteller Felix Dahn dichtete:
"Die Waffen hoch! Das Schwert ist Mannes eigen
Wo Männer fechten, hat das Weib zu schweigen
Doch freilich, Männer gibt’s in diesen Tagen
Die sollten lieber Unterröcke tragen."
"Die Waffen hoch! Das Schwert ist Mannes eigen
Wo Männer fechten, hat das Weib zu schweigen
Doch freilich, Männer gibt’s in diesen Tagen
Die sollten lieber Unterröcke tragen."
Als unmännlich verhöhnt
Der Vorwurf der Unmännlichkeit war nur eine der Beleidigungen, die Fried zu erdulden hatte. Sein Eintreten für eine Versöhnung mit dem angeblichen Erbfeind Frankreich grenzte für viele an Vaterlandsverrat. Weil Antisemiten die Friedensbewegung als Machenschaft des "Internationalen Judentums" zu diskreditieren versuchten, legten wohlmeinende Mitstreiter Fried den Übertritt zum Christentum nahe. Obwohl ohne religiöse Bindung an das Judentum, wies Fried diesen Rat aus Solidarität mit den Angefeindeten zurück. Den Antisemiten entgegenzukommen, hielt er ohnehin für zwecklos:
"Ich würde immer der getaufte Jude bleiben, der Renegat. Nein! Ich würde nicht Pazifist geworden sein, wenn ich nicht eine helle Freude daran hätte, zu kämpfen und gegen den Strom zu schwimmen, wenn ich nicht den Beruf in mir fühlen würde, der in unserer Zeit noch vorherrschenden Mittelalterlichkeit zu trotzen."
Als unermüdlicher Publizist und Verleger wurde Fried national und international zu einer zentralen Figur der Friedensbewegung vor 1914. In Deutschland blieb der Pazifismus aber eine Randerscheinung: In der Friedensgesellschaft waren zehn Jahre nach ihrer Gründung gerade einmal 6.000 Mitglieder organisiert. Die als Multiplikatoren umworbenen Professoren, Pfarrer und Oberlehrer engagierten sich lieber in nationalistischen Verbänden wie dem Deutschen Flottenverein oder dem Alldeutschen Verband.
Für einen "wissenschaftlichen" Pazifismus
Fried zog daraus eine produktive Lehre: Er hielt es für zwecklos, an die "Friedensliebe" der herrschenden Klassen zu appellieren. Anstelle eines bloß ethisch motivierten Pazifismus, der den Imperativ der Kriegsvermeidung ins Zentrum stellt, propagierte er einen – wie er meinte – "wissenschaftlichen" Pazifismus, der den Beweis erbringen sollte, dass die Friedensidee keine weltfremde Utopie war, sondern den Entwicklungsgesetzen der modernen Gesellschaft entsprach. Auf Dauer würde das Interesse an internationaler Kooperation stärker sein als Rüstungsinteressen und kriegerische Instinkte. Voller Optimismus formulierte er 1908:
"Geleitet von der Erkenntnis der natürlichen Entwickelung des Organisationsprozesses der großen sozialen Gemeinschaften, gestützt von der Logik der Dinge und ihrer bezwingenden Macht, strebt der Friedensgedanke dem unausbleiblichen Siege zu."
Friedensnobelpreis 1911
Dieser Zukunftsglaube sollte die aktive Friedenspolitik aber nicht etwa ersetzen, sondern anspornen. Große Hoffnungen setzte Fried in internationale Begegnungen, den Aufbau grenzüberschreitender Verkehrsinfrastrukturen und die Entwicklung des Völkerrechts, die besonders bei der deutschen Regierung auf hinhaltenden Widerstand traf. Für sein publizistisches Wirken erhielt Fried 1911 den Friedensnobelpreis, die Universität Leiden verlieh dem Autodidakten ehrenhalber den Doktorgrad.
Im Exil gegen den Weltkrieg angeschrieben
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs traf Fried hart, die Kriegszensur ruinierte ihn wirtschaftlich, doch in seinen Überzeugungen ließ er sich nicht erschüttern. Im Schweizer Exil griff er weiter zur Feder.
Am 4. Mai 1921 starb Alfred Hermann Fried verarmt in Wien. Die Schriftstellerin Annette Kolb rief ihm nach: "Wenn je der Aufbau einer bessern Welt gelingen sollte, wird er als einer ihrer Gründer stehen. Sein Name wird nie vergehen."