»Europa ist ein Monster, das Mozart spielt.«
Für solche herausfordernden Meinungskundgaben war Miroslav Krleža berühmt. Das Requiem, das er selbst in seiner Wortmusik auf die untergegangene Welt des alten österreich-ungarischen Habsburgerreichs gestaltete, enthielt keinen Anklang von Trauer, war geprägt von brutaler Nüchternheit:
»Das imposante Gebäude der europäischen Zivilisation ist aufgebaut auf den Knochen zahlloser besiegter europäischer Völker. (…) Neben dem klassischen westeuropäischen, museal-grandiosen, historisch-pathetischen Europa lebt noch ein zweites, das bescheidene, in die Ecke gedrängte, seit Jahrhunderten immer wieder unterworfene periphere Europa der östlichen und südöstlichen europäischen Völker.«
Gedichtbände und Kriegsliteratur
Geboren am 7. Juli 1893 in der damals zum alten Habsburgerreich gehörenden Vielvölkerstadt Zagreb, sprach man in Krležas Familie Štokavisch und Kajkavisch, aber auch das Agramer Deutsch war geläufig – Agram war der alte Name Zagrebs. Die frühen Lebensspiele endeten 1912 mit der Teilnahme am Kampf der serbischen Armee gegen die Türken und ab 1914 als Soldat des österreich-ungarischen Heeres an der russischen Front – von diesen Gemetzeln hat Krleža in dem 1922 erschienenen Novellen-Band »Der kroatische Gott Mars« Zeugnis abgelegt. Vorher waren Gedichtbände erschienen, Poesie aus dem Ursprung einer alten Tradition:
»Das Wort ist ein schwangeres Weib, das Kolosse gebiert. Seine Nerven wimmern und sein Leib voller Blut bricht auf. Durch das Wort schimmert das Gebein aller Dinge.«
Tief unterhalb der Konventionalität unserer Lebensformen, in einem Bereich, in dem die Welt gesellschaftlich nicht kontrolliert, überformt und auf Lösungen hin durchdacht ist, sondern noch durch Vulkanisches geprägt ist, hat Miroslav Krleža seine Literatur angesiedelt – und neben dem kämpferischen Impetus seines Schreibens zugleich den Einsamkeitscharakter zum Beispiel seiner Gedichte hervorgehoben:
»In dem blutigen Wirrwarr dieser Tage zeigt sich meine Lyrik artistisch-platonisch, gewidmet dem metaphysischen Motiv der Negierung alles Bestehenden, und deshalb ist meine Lyrik dem Buddhismus näher als dem Marxismus, viel mehr fasziniert von dem Todeswehen und der Sinnlosigkeit des Geschehens als von einem schöpferischen Voluntarismus.«
Engagement in Kommunistischer Partei
Solche Ansichten waren in der Philosophie der Kommunistischen Partei, in der sich Krleža früh engagiert hatte, natürlich nicht unterzubringen, aber trotz massiver Polemiken pochte er auf seine Unabhängigkeit und literarischen Maßstäbe, die er nicht an einem sozialistischen Realismus orientierte, sondern an der Moderne:
»In poetischen Welten gibt es Beschreibungen, die deshalb wirken, weil sie so komponiert sind, dass sie durch ihre Magie, durch ihren eigenen Ereignisrhythmus viel intensiver wirken als die Fakten, die sie hervorgebracht haben. In dem heutigen Wirbel von Leidenschaften und Temperamenten, in dieser entfesselten und geradezu wahnwitzigen Dynamik ist die Kunst nicht für ein stilles Leben geschaffen.«
Aus dieser inneren Lebens- und Schreibhaltung eines magischen Realismus hat Krleža ein imposant-vielseitiges Werk geschaffen: Tief die Vergangenheit ausleuchtende Erzählungen wie »Beisetzung in Theresienburg« und Romane wie »Die Rückkehr des Filip Latinovics«, Gedichte und Dramen, autobiographische Rückblicke wie »Eine Kindheit in Agram« sowie Essays, in denen sein geradezu enzyklopädisches Wissen wie zugleich seine wache Beobachtung der aktuellen Zeitläufe zum Ausdruck kamen.
Immer wieder Angriffe
Als undogmatischer Sozialist und literarischer Avantgardist weiterhin immer wieder angegriffen, mussten allerdings auch seine Gegner Krležas internationalen Ruf anerkennen, der ihn als einzigen Autor seines Landes von weltliterarischer Geltung auswies. Was bleibt nach all der langen, täglich praktizierten Schreibarbeit, die Krleža erst kurz vor seinem Tod 1981 im Alter von 88 Jahren einstellte?
»In einem meiner Romane, ‚Bankett in Blitwien‘, beendet einer der sogenannten Linksliberalen seine politische Karriere in völliger Resignation. Und er schließt seine tragische Bilanz mit der Frage: Was bleibt dann noch übrig? Eine Schachtel voll Bleibuchstaben, und das ist nicht viel. Aber es ist das einzige, was der Mensch bis heute als Waffe zur Verteidigung seiner Menschenwürde erfunden hat.«