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125. Geburtstag von Paul Hindemith
Avantgardist mit Ohr am Publikum

Paul Hindemith gilt als einer der produktivsten deutschen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Der Vorreiter einer musikalischen Sachlichkeit wurde international gefeiert, zugleich von Joseph Goebbels als "atonaler Geräuschemacher" verspottet, ins Exil getrieben. Am 16. November 1895 wurde Hindemith geboren.

Von Stefan Zednik |
    Mit Streichinstrumenten kannte er sich aus: Der Komponist, Bratschist und Dirigent Paul Hindemith
    Mit Streichinstrumenten kannte er sich aus: Der Komponist, Bratschist und Dirigent Paul Hindemith (imago / Photo 12)
    "Wenn mir keine anständige Musik mehr einfällt, schreibe ich immer solche Sachen", so Paul Hindemith gegenüber seinem Verleger. Die Wagner-Bearbeitung für Streichquartett mit ihren bewusst schräg gesetzten Tönen trägt den Titel: "Ouvertüre zum ‚Fliegenden Holländer‘, wie sie eine schlechte Kurkapelle morgens um 7 am Brunnen vom Blatt spielt". Sie ist keineswegs leicht zu spielen und parodiert eine Erfahrung, die Hindemith selbst gemacht hatte: seinen Lebensunterhalt mit Kurkonzerten verdienen zu müssen.
    Paul Hindemith wird als ältester Sohn eines Handwerkers am 16. November 1895 in Hanau geboren. Der Vater ist streng, er achtet vor allem auf eine gute musikalische Ausbildung. Paul erhält früh Instrumentalunterricht, er ist begabt und kommt als 13-Jähriger an das berühmte Hoch'sche Konservatorium in Frankfurt. Dabei wird sein bevorzugtes Instrument eines, das kaum einen Komponisten reizt: die Bratsche.
    Hindemith spielt im Orchester und in einem mit seinem Bruder gegründeten Quartett, wird schließlich zum herausragenden Solisten auf nationalen und internationalen Podien. Und er komponiert, experimentell, doch stets mit einem Ohr für sein Publikum. Denn, so Paul Hindemith:
    "Ich war ja kein Komponist, der einfach sich leisten konnte, zum Vergnügen Noten zu schreiben, ich war ja ein Musiker, der tagtäglich spielen musste. Dda kann man sich gar nicht leisten, sehr wilde Sachen zu machen, die unkontrollierbar sind."
    "Hindemith - Schott. Der Briefwechsel" - Eine Edition für Liebhaber und Fachleute
    Fordernd und selbstbewusst, humorvoll und direkt: Der Briefwechsel zwischen Paul Hindemith und dem Schott-Verlag lässt den Komponisten in all seinen Facetten sichtbar werden.
    In der musikalischen Öffentlichkeit wird er dennoch bald zum Prototyp des Avantgardisten, der angeblich mit Sachlichkeit der Romantik des 19. Jahrhunderts die Stirn bietet. Dazu Paul Hindemith selbst:
    "Es ist nicht so, dass da plötzlich ein radikaler Stil sich aufbäumte gegen alles bisher Gelernte. Diese Entwicklung folgte einfach einem Zug der ganzen Zeit, dass man einfach neues Material kennenlernen oder, sagen wir, sogar erobern will."
    Hitler ist nicht amüsiert
    Das "neue Material" ist vielfältig: Es gibt in den experimentierfreudigen 20er-Jahren neue Formen wie Kurz-, Jazz- oder Funkoper, neue harmonische Möglichkeiten, neue aus der Unterhaltungsmusik stammende Rhythmen, Foxtrott und Ragtime.
    Ab 1927 unterrichtet Hindemith an der Musikhochschule in Berlin, die sich mehr und mehr zu einem Zentrum der musikalischen Moderne Europas entwickelt. Hindemith arbeitet an der Entwicklung neuer Klänge und komponiert etwa für das Trautonium, einem Vorläufer des modernen Synthesizers.
    Furtwängler springt Hindemith bei
    Hindemith arbeitet mit Dichtern wie Bert Brecht oder Gottfried Benn und bringt in der von Otto Klemperer geleiteten legendären Kroll-Oper "Neues vom Tage" auf die Bühne, eine Großstadtoper, deren Text aus Zeitungsannoncen montiert zu sein scheint.
    Vermutlich hat Adolf Hitler eine Aufführung erlebt - sein Groll gegen den Komponisten führt 1934 zur größten musikpolitischen Auseinandersetzung der Nazi-Zeit. Stardirigent Furtwängler bezieht für Hindemith öffentlich Stellung:
    "Wir können es uns nicht leisten, angesichts der auf der ganzen Welt herrschenden unsäglichen Armut an wahrhaft produktiven Musikern, auf einen Mann wie Hindemith so ohne weiteres zu verzichten." Hitler lässt durch Propaganda-Minister Joseph Goebbels kontern:
    "Gewiss können wir es uns nicht leisten, angesichts der auf der ganzen Welt herrschenden unsäglichen Armut an wahrhaft produktiven Künstlern auf einen echten deutschen Künstler zu verzichten. Aber es soll dann eben ein wirklicher Künstler sein, kein atonaler Geräuschemacher."
    Verschiedene Bilder sind am 06.01.2014 in der Ausstellung "Entartete Musik" in der Tonhalle in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) auf einer Stellwand zu sehen.
    Niedergang der Musikkultur im Dritten Reich 
    Der Rassenwahn der Nationalsozialisten machte auch vor der Musik nicht halt. Rein sollte die deutsche Musik sein, rein von allem Undeutschen, Nichtarischen. Die jüdischen Musiker, die Dirigenten, die Sänger und Sängerinnen, die Intendanten, verloren ihre Anstellungen.
    1935 erfolgt ein Aufführungsverbot, Hindemith geht zeitweise in die neutrale Türkei, wo er am Aufbau eines staatlichen Musikwesens mitarbeitet. 1938 erlebt seine Oper "Mathis der Maler" ihre Uraufführung in Zürich.
    Hindemith verlässt mit seiner Frau Deutschland endgültig und geht in die USA. Am Neuanfang nach 1945 hat er kaum Anteil, die musikalische Moderne fährt mit hohem Tempo in eine andere Richtung. Hochgeehrt und weltweit gefeiert stirbt Hindemith im Alter von 68 Jahren am 28. Dezember 1963 in Frankfurt.