Auf dem Antonin Poncelet-Platz im Zentrum von Lyon erhebt sich eine weiße Kuppel - ein Werk des 1983 gestorbenen amerikanischen Künstlers Richard Buckminster Fuller, wiederaufgebaut und neu belebt: Im Innern der begehbaren Kuppel, in einem runden Wasserbecken, schwimmen um die 40 weiße Keramikschalen. Durch die sanften Wellenbewegungen des Wassers stoßen sie immer wieder aneinander und verwandeln die Kuppel in einen meditativen, poetischen Konzertsaal.
Klänge, Geräusche, Musik spielen eine wichtige Rolle auf dieser Biennale. Überall tönt es. In der Sucrière, einer ehemaligen Zuckerfabrik am Ufer der Saône hat der kalifornische Künstler Doug Aitken seine "Sonic Fountain" installiert. Aus einem Gitternetz von Rohren tropft Wasser von der hohen Decke in ein rundes Becken. Der elektronisch verstärkte Klang der Tropfen erfüllt den Raum.
Für Kuratorin Emma Lavigne sind Töne und Musik ein roter Faden der Ausstellung, der sie den vielsagenden Titel "Mondes flottants" gegeben hat - "Fließende Welten".
"Ich denke, es gibt bei vielen Künstlern ein Bewusstsein dafür, dass Töne eine vierte Dimension bedeuten, eine Art unterlagerte Sprache. Eine unmittelbare Sprache. Der Schriftsteller Pascal Quignard hat einmal gesagt: "Die Ohren haben keine Augenlider." Die Augen kann man schließen, man kann an Arbeiten vorbeigehen, die einem nicht gefallen. Töne aber ergreifen uns, nehmen uns mit."
Kuratorin: "Die emanzipatorische Dimension der Kunst"
In einem Film des Mexikaners Fernando Ortega ist eine Flötistin zu sehen. Allein steht sie am Eingang eines Betontunnels und spielt das Requiem des japanischen Komponisten Kzuo Fukushima. Doch immer wieder kommt ihr an diesem unwirtlichen Ort der Wind in die Quere. Wind, der ähnlich wie die Musik, als eine Art roter Faden die ganze Ausstellung durchweht.
Etwa in Hans Haackes Installation "Wide white Flow", eine Arbeit von 1967, die in Lyon jetzt wiederbelebt wird: Wind aus Ventilatoren verwandelt da ein riesiges weißes Stoff-Rechteck in ein wogendes Wellenmeer und suggeriert das Bild einer, unserer instabilen Welt. Oder auch die Möglichkeit, sich zu erheben gegen vermeintlich unverrückbare Verhältnisse.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, aber das Politische ist omnipräsent in Emma Lavignes Ausstellung.
"Ich bekam den Auftrag für diese Biennale kurz nach den Attentaten in Paris. Die Kunst ist kein Rückzugsort. Kunst reflektiert die Welt. Ich wollte aber keine eindeutigen Werke zeigen. Deshalb habe ich mich mehr für die emanzipatorische Dimension der Kunst interessiert, statt den Leuten einzuhämmern, wie düster es in der Welt aussieht. Es geht darum, dass der Mensch seinen Platz findet. Und das ist auch politisch!"
Überwältigend schöne, poetische Räume
Ganz anders als die gerade zu Ende gegangene documenta 14, setzt die 14. Biennale von Lyon nicht auf politische Parolen sondern auf das, was Kunst ausmacht, nämlich ästhetische Erfahrungen. Und auch dort, wo die Ausstellung ganz ohne Geräusche allein dem Visuellen vertraut, präsentiert sie überwältigend schöne, poetische Räume. Räume, in denen sich die Werke von Künstlern verschiedener Epochen der Moderne begegnen und zu einer manchmal überraschenden Gegenwart ergänzen:
So vereint eine Installation des Brasilianers Ernesto Neto die abstrakt-amorphen Skulpturen von Hans Arp, ein schwebendes Mobile von Alexander Calder und Fontanas ikonisches ei-förmiges Bild "Das Ende Gottes" zu einem Raumerlebnis, das allein schon die Reise nach Lyon lohnt. Nach den eher enttäuschenden Großausstellungen dieses "Superkunstjahres" gelingt es der Lyon-Biennale tatsächlich, die Kraft der Kunst in Erinnerung zu rufen, die menschliche Fähigkeit, diese instabile Welt zu gestalten und zu verändern.