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15 Jahre Bologna-Prozess
Hochschulreform hat Auslandssemester nicht erleichtert

Bologna sollte den internationalen Austausch vereinfachen: Wer in Spanien studiert, sollte in Kopenhagen nahtlos weiterarbeiten können. Doch Theorie und Praxis klaffen auseinander. Einige europäische Hochschulen treffen deshalb zusätzliche Abkommen untereinander.

Von Hans-Günter Kellner |
    Eine Studentin sucht ein Buch in der Bibliothek einer Universität
    Einheitliche Recherche und Studiengänge - noch ist das international nicht so weit (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Bologna sollte auch den internationalen Austausch vereinfachen: Wer in Spanien studiert, sollte in Kopenhagen nahtlos weiterarbeiten können. Doch Theorie und Praxis klaffen auseinander. Einige europäische Hochschulen treffen deshalb zusätzliche Abkommen untereinander.
    Die kleine Cafetería an der Madrider Polytechnischen Universität ist gut besucht. Bei Kaffee und belegten Broten sehen die Studierenden der Ingenieursstudiengänge ihre Aufzeichnungen vor den Examen noch einmal durch. José Manuel Cabella ist nicht im Prüfungsstress, sondern gerade von zwei Auslandsemestern aus Kopenhagen zurückgekehrt:
    "Eine Erfahrung, die ich jedem empfehle. In Dänemark wird mehr in Gruppen und praxisorientiert studiert. Dort kann sich der Student mehr seine eigenen Schwerpunkte setzen. Während wir hier technisch besser ausgebildet werden."
    In Kopenhagen konnte der 24-Jährige auch schon ein bisschen an den Bologna-Reformen schnuppern. Denn während er in Madrid noch nach der alten Studienordnung studiert hat, hatte die Uni in Kopenhagen die Bologna-Vorgaben längst umgesetzt. Sein Fazit:
    "Auf der einen Seite ist Bologna gut, weil es die Titel auf EU-Ebene angleicht. Auf der anderen Seite wurden die Studieninhalte übers Knie gebrochen. Diese ganzen Neuerungen ... "
    Für den Studienaustausch habe ihm Bologna jedoch keine Vorteile gebracht. Das wird es wohl auch in Zukunft kaum, sagt Juan de Juan Marquez. Er ist bei der Hochschulleitung für den akademischen Austausch zuständig. Viel wichtiger als das Bologna-Abkommen seien die vielen internationalen Abkommen seiner Hochschulen mit Unis in Dänemark, Finnland, Großbritannien oder auch Darmstadt und München. Dank dieser Abkommen machen viele Studenten sogenannte Doppeldiplome:
    "Mit München und Darmstadt haben wir Abkommen über vier Semester zwei Semester in Spanien und zwei in Deutschland. Bei den Deutschen ist es umgekehrt. Zum Ende schreiben sie ihre Masterarbeit. Die wird im Ausland geschrieben, aber dann auch hier bewertet. So bekommen sie einen spanischen wie einen deutschen Mastertitel. Mit Bologna werden die beiden Titel in ganz Europa anerkannt."
    Nur mit halbem Master zugelassen
    Die in Deutschland geschriebene Arbeit müssen die spanischen Studenten dann aber noch einmal in Madrid vor einem Komitee "verteidigen", wie die mündliche Prüfung genannt wird. Doch wer an einer anderen Hochschule im Ausland studieren möchte, mit der die Madrider Uni kein Abkommen hat, hat größere Probleme bei der Anerkennung seiner Auslandsemester. Dabei sollten doch mit Bologna die Studienordnungen und -inhalte angepasst werden.
    "Bologna sollte ja mehr Mobilität erreichen. Wir haben da aber das Problem der Zulassungsbeschränkungen. Unsere Hochschule ist sehr begehrt, wir fordern eine sehr hohe Note in der spanischen Zulassungsprüfung, zuletzt 11,4 von 14 Punkten. Eigentlich kann hier niemand im Bachelor studieren, der die spanische Zulassungsprüfung nicht abgelegt hat. Aber wer einen halben Master in München oder Darmstadt gemacht hat, hat hier keine Probleme, weil unsere Abkommen mit diesen Hochschulen über die allgemeinen Zulassungsbeschränkungen hinausgehen."
    So verfehlt zumindest bei den Ingenieursstudiengängen Bologna das Ziel, den Austausch zu erleichtern. Bolognas Verdienst sei hingegen, dass die Abschlüsse nun in ganz Europa anerkannt würden, sagt Professor Marquez. Die Studierenden in der Cafetería sehen hingegen ihre Befürchtungen bestätigt, Bologna würde vor allem das Studium verteuern. Die Universitäten könnten nun mit teuren Masterstudiengängen den Studierenden noch mehr "Geld aus der Tasche ziehen", klagt dieser junge Spanier.