Jasper Barenberg: Über 100 Schulen aus ganz Deutschland haben sich beworben, eine Handvoll wird die Robert-Bosch-Stiftung heute in Berlin mit dem Deutschen Schulpreis auszeichnen. Prämieren will die Stiftung Einrichtungen, die es schaffen, fürs Lernen zu begeistern, Lust an Leistung zu wecken, Fairness und Verantwortung zu vermitteln und mit all dem Vorbild auch für andere Schulen sein können. Eine Jury aus Schulleitern und Erziehungswissenschaftlern hat am Ende 15 Schulen nominiert.
- Auf einen Preis hoffen darf auch die Waldschule in Flensburg, eine Grundschule. Ihr Leiter ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen, Volker Masuhr.
Volker Masuhr: Guten Morgen.
Barenberg: Herr Masuhr, warum haben Sie sich für den Schulpreis der Bosch-Stiftung beworben?
Masuhr: Die Geschichte liegt ein bisschen zurück. Die Waldschule ist eine Schule, die ein Imageproblem hatte vor einigen Jahren. Und da war ein Aspekt, wenn man das Imageproblem beseitigen möchte, braucht man Experten, die der Schule gutes Arbeiten bestätigen. Es funktioniert ja nicht, dass man selbst sagt, man macht hervorragende Arbeit, sondern andere Leute müssen das bestätigen. Wir kamen dann auf die Idee, uns bei Preisen zu bewerben. Und haben uns dann mit Qualitätskriterien beschäftigt. So hat sich die schulische Arbeit immer weiter ausdifferenziert und ist genauer und besser geworden, bis es jetzt zur Bewerbung für den Deutschen Schulpreis gereicht hat.
Barenberg: Um ausgezeichnet zu werden – ich habe es ein bisschen schon angerissen – müssen Schulen in sechs Bereichen gut sein, in einem herausragend. Dazu zählen Leistungen der Schüler, Umgang mit unterschiedlichen Voraussetzungen bei den Schülerinnen und Schülern, Qualität des Unterrichts, die Förderung von Verantwortung, das Schulklima, also eine ganze Menge. Wo, glauben Sie denn, liegen Ihre Stärken, die Stärken der Waldschule?
Masuhr: Ja, das ist natürlich immer schwer zu sagen, wo die eigenen Stärken sind, weil in der Regel das, was man selbst tut, man als normal empfindet. Unser Problem war, der Deutsche Schulpreis ist sehr breit aufgestellt, was die Qualitätskriterien angeht. Das ist bei anderen Preisen anders: Die setzen einzelne Schwerpunkte. Zum Beispiel beim Kulturpreis ist das der kulturelle Aspekt. Beim Deutschen Schulpreis steht eine umfassende Bildungsidee dahinter. Punkten können wir möglicherweise – ich weiß es nicht genau – bei der Vielfalt. Wir haben bei uns eine Schule, die ein gespreiztes Bildungsgebiet hat. Das bedeutet, dass wir einen Teil der Kinder aus sehr bildungsnahen Schichten haben, aber auch einen Teil der Familien, die aus bildungsfernen Schichten kommen. Und das Problem ist auch gleichzeitig die Chance. Wir müssen gucken, dass die bildungsnahen Schichten auch zu uns kommen wollen, dass wir ein Angebot machen, das auch für Menschen interessant ist, die sich für ihr Kind dann später ein Studium wünschen. Das zu organisieren, das haben wir aus meiner Sicht ganz gut hinbekommen. Wir haben Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Schule, geistige Entwicklung, körperlich-motorische Entwicklung, sprachgestörte Kinder. Also wir haben die ganze Palette. Aber wir haben auch Hochbegabte an der Schule.
Barenberg: Kinder aus unterschiedlichen Milieus also. Wenn ich Sie recht verstehe, auch schwächere und stärkere Schüler, die gemeinsam unterrichtet werden. Ist das die große Herausforderung, in der wir zurzeit in der ganzen Bildungslandschaft in Deutschland stehen, dass man Schüler unterschiedlicher Stärken und Schwächen gemeinsam unterrichtet und dann auch immer mehr Schülern die Chance gibt auf eine immer bessere, immer höhere Bildung?
Masuhr: Genau das ist der Punkt. Deutschland ist ein Land, das über Jahrzehnte die Praxis gehabt hat, wir versuchen, lerngleiche Gruppen zu kriegen. Mit dem Effekt, dass der Lehrer es vermeintlich einfacher hat. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass man überhaupt lerngleiche Gruppen bekommen kann. Fragen Sie einen Gymnasiallehrer, ob der eine lerngleiche Gruppe vor sich hat. Das ist niemals der Fall. Das Problem ist: Man muss das Lernen so arrangieren, dass jeder zu dem Zeitpunkt auf dem Level arbeiten kann, zu dem er befähigt ist.
Barenberg: Um das zu erreichen, gibt es zum einen die gesetzlichen Vorgaben der Landesregierung. In Ihrem Fall kommen die aus Kiel. Es geht um zugewiesene Mittel, die man dafür zur Verfügung gestellt bekommt, die der Staat zur Verfügung stellt. Aber wenn ich Sie recht verstehe, hat auch die Schule selber einigen Spielraum, ihre eigene Schule so zu gestalten, so zu organisieren, dass daraus eine wirklich gute Schule wird?
Masuhr: Nur so funktioniert es. Es funktioniert: Die Kraft kommt aus einem selbst. Man muss selbst die Ideen entwickeln, man muss selbst sagen, das und das will ich. Für mich ist immer ganz wichtig, dass ich sagen kann, ich habe und ich will, anstatt ich brauche und ich muss. Oft erlebe ich in der Gesellschaft oder in den Gesprächen mit Kollegen, dass gesagt wird, wenn ich das noch machen soll, dann muss ich das und das haben, ich brauche das und das. Und dann rutscht man in die Passivität. Es entsteht eine Versorgermentalität. Meine Erfahrung ist, dass die Ressource in der Regel den Ideen folgt. Das heißt, erst ist die Idee da und man kümmert sich um die Verwirklichung und die Ressource rutscht automatisch nach. Das ist quasi wie ein Vakuum, das gefüllt wird. Aber dafür braucht es auch eine ganze Menge Energie und Gemeinschaft, Teamarbeit, damit so was überhaupt entstehen kann.
Barenberg: Sie müssen also auch die Lehrer mitnehmen an der Schule?
Masuhr: Ohne dem geht's natürlich nicht! Das kann Leitung niemals alleine machen und das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt. Wir müssen lernen, zunehmend im Team zu arbeiten, im Team zu gestalten. Dazu gehört auch, dass nicht immer genau das gemacht wird, was ich mir vorstelle, oder was ein Kollege sich vorstellt, sondern es ist der gemeinsame Weg. Wir haben für uns gesehen, dass es ein wichtiger Aspekt ist, Probleme von Zielen zu unterscheiden. Probleme sind in der Regel lebensbedeutsam oder auch unternehmensbedeutsam, schulbedeutsam. Ziele haben einen schwächeren Charakter. Wenn die Heterogenität der Schülerschaft das Problem ist, dann bringt es nichts, wenn ich mich mit der Schulhofgestaltung beschäftige. Dann kann ich zwar das Ziel Schulhofgestaltung lösen, aber dem Problem nähere ich mich nicht. Die Heterogenität der Schülerschaft ist ein großes Problem bei uns gewesen, das wir gelöst haben, indem wir den Faktor Zeit aus dem Lernen herausgezogen haben.
Barenberg: Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit, Herr Masuhr, für unser Gespräch. Aber eine Frage will ich natürlich unbedingt noch los werden. Sie sind jetzt in Berlin, auf dem Weg zu der Veranstaltung ein wenig später. Wie enttäuscht wären Sie, wenn die Waldschule heute bei der Preisverleihung doch leer ausgeht?
Masuhr: Man muss sehen, dass wir mit 14 Schulen gemeinsam hier stehen, alles überragende Einrichtungen aus allen Schularten. Ich bin mit der Idee hier hergekommen, wir sind nominiert für den Deutschen Schulpreis. Das ist schon Preis genug für mich oder für uns. Wenn wir den ersten Preis oder den zweiten, dritten, vierten, fünften nicht bekommen, werden wir trotzdem froh und zufrieden nachhause fahren. Wir sind in einem Atemzug genannt worden mit den besten Schulen Deutschlands.
Barenberg: ..., sagt der Schulleiter der Waldschule in Flensburg. Danke für das Gespräch, Volker Masuhr, und alles Gute für heute.
Masuhr: Ich bedanke mich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
- Auf einen Preis hoffen darf auch die Waldschule in Flensburg, eine Grundschule. Ihr Leiter ist jetzt am Telefon. Schönen guten Morgen, Volker Masuhr.
Volker Masuhr: Guten Morgen.
Barenberg: Herr Masuhr, warum haben Sie sich für den Schulpreis der Bosch-Stiftung beworben?
Masuhr: Die Geschichte liegt ein bisschen zurück. Die Waldschule ist eine Schule, die ein Imageproblem hatte vor einigen Jahren. Und da war ein Aspekt, wenn man das Imageproblem beseitigen möchte, braucht man Experten, die der Schule gutes Arbeiten bestätigen. Es funktioniert ja nicht, dass man selbst sagt, man macht hervorragende Arbeit, sondern andere Leute müssen das bestätigen. Wir kamen dann auf die Idee, uns bei Preisen zu bewerben. Und haben uns dann mit Qualitätskriterien beschäftigt. So hat sich die schulische Arbeit immer weiter ausdifferenziert und ist genauer und besser geworden, bis es jetzt zur Bewerbung für den Deutschen Schulpreis gereicht hat.
Barenberg: Um ausgezeichnet zu werden – ich habe es ein bisschen schon angerissen – müssen Schulen in sechs Bereichen gut sein, in einem herausragend. Dazu zählen Leistungen der Schüler, Umgang mit unterschiedlichen Voraussetzungen bei den Schülerinnen und Schülern, Qualität des Unterrichts, die Förderung von Verantwortung, das Schulklima, also eine ganze Menge. Wo, glauben Sie denn, liegen Ihre Stärken, die Stärken der Waldschule?
Masuhr: Ja, das ist natürlich immer schwer zu sagen, wo die eigenen Stärken sind, weil in der Regel das, was man selbst tut, man als normal empfindet. Unser Problem war, der Deutsche Schulpreis ist sehr breit aufgestellt, was die Qualitätskriterien angeht. Das ist bei anderen Preisen anders: Die setzen einzelne Schwerpunkte. Zum Beispiel beim Kulturpreis ist das der kulturelle Aspekt. Beim Deutschen Schulpreis steht eine umfassende Bildungsidee dahinter. Punkten können wir möglicherweise – ich weiß es nicht genau – bei der Vielfalt. Wir haben bei uns eine Schule, die ein gespreiztes Bildungsgebiet hat. Das bedeutet, dass wir einen Teil der Kinder aus sehr bildungsnahen Schichten haben, aber auch einen Teil der Familien, die aus bildungsfernen Schichten kommen. Und das Problem ist auch gleichzeitig die Chance. Wir müssen gucken, dass die bildungsnahen Schichten auch zu uns kommen wollen, dass wir ein Angebot machen, das auch für Menschen interessant ist, die sich für ihr Kind dann später ein Studium wünschen. Das zu organisieren, das haben wir aus meiner Sicht ganz gut hinbekommen. Wir haben Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Schule, geistige Entwicklung, körperlich-motorische Entwicklung, sprachgestörte Kinder. Also wir haben die ganze Palette. Aber wir haben auch Hochbegabte an der Schule.
Barenberg: Kinder aus unterschiedlichen Milieus also. Wenn ich Sie recht verstehe, auch schwächere und stärkere Schüler, die gemeinsam unterrichtet werden. Ist das die große Herausforderung, in der wir zurzeit in der ganzen Bildungslandschaft in Deutschland stehen, dass man Schüler unterschiedlicher Stärken und Schwächen gemeinsam unterrichtet und dann auch immer mehr Schülern die Chance gibt auf eine immer bessere, immer höhere Bildung?
Masuhr: Genau das ist der Punkt. Deutschland ist ein Land, das über Jahrzehnte die Praxis gehabt hat, wir versuchen, lerngleiche Gruppen zu kriegen. Mit dem Effekt, dass der Lehrer es vermeintlich einfacher hat. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass man überhaupt lerngleiche Gruppen bekommen kann. Fragen Sie einen Gymnasiallehrer, ob der eine lerngleiche Gruppe vor sich hat. Das ist niemals der Fall. Das Problem ist: Man muss das Lernen so arrangieren, dass jeder zu dem Zeitpunkt auf dem Level arbeiten kann, zu dem er befähigt ist.
Barenberg: Um das zu erreichen, gibt es zum einen die gesetzlichen Vorgaben der Landesregierung. In Ihrem Fall kommen die aus Kiel. Es geht um zugewiesene Mittel, die man dafür zur Verfügung gestellt bekommt, die der Staat zur Verfügung stellt. Aber wenn ich Sie recht verstehe, hat auch die Schule selber einigen Spielraum, ihre eigene Schule so zu gestalten, so zu organisieren, dass daraus eine wirklich gute Schule wird?
Masuhr: Nur so funktioniert es. Es funktioniert: Die Kraft kommt aus einem selbst. Man muss selbst die Ideen entwickeln, man muss selbst sagen, das und das will ich. Für mich ist immer ganz wichtig, dass ich sagen kann, ich habe und ich will, anstatt ich brauche und ich muss. Oft erlebe ich in der Gesellschaft oder in den Gesprächen mit Kollegen, dass gesagt wird, wenn ich das noch machen soll, dann muss ich das und das haben, ich brauche das und das. Und dann rutscht man in die Passivität. Es entsteht eine Versorgermentalität. Meine Erfahrung ist, dass die Ressource in der Regel den Ideen folgt. Das heißt, erst ist die Idee da und man kümmert sich um die Verwirklichung und die Ressource rutscht automatisch nach. Das ist quasi wie ein Vakuum, das gefüllt wird. Aber dafür braucht es auch eine ganze Menge Energie und Gemeinschaft, Teamarbeit, damit so was überhaupt entstehen kann.
Barenberg: Sie müssen also auch die Lehrer mitnehmen an der Schule?
Masuhr: Ohne dem geht's natürlich nicht! Das kann Leitung niemals alleine machen und das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt. Wir müssen lernen, zunehmend im Team zu arbeiten, im Team zu gestalten. Dazu gehört auch, dass nicht immer genau das gemacht wird, was ich mir vorstelle, oder was ein Kollege sich vorstellt, sondern es ist der gemeinsame Weg. Wir haben für uns gesehen, dass es ein wichtiger Aspekt ist, Probleme von Zielen zu unterscheiden. Probleme sind in der Regel lebensbedeutsam oder auch unternehmensbedeutsam, schulbedeutsam. Ziele haben einen schwächeren Charakter. Wenn die Heterogenität der Schülerschaft das Problem ist, dann bringt es nichts, wenn ich mich mit der Schulhofgestaltung beschäftige. Dann kann ich zwar das Ziel Schulhofgestaltung lösen, aber dem Problem nähere ich mich nicht. Die Heterogenität der Schülerschaft ist ein großes Problem bei uns gewesen, das wir gelöst haben, indem wir den Faktor Zeit aus dem Lernen herausgezogen haben.
Barenberg: Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit, Herr Masuhr, für unser Gespräch. Aber eine Frage will ich natürlich unbedingt noch los werden. Sie sind jetzt in Berlin, auf dem Weg zu der Veranstaltung ein wenig später. Wie enttäuscht wären Sie, wenn die Waldschule heute bei der Preisverleihung doch leer ausgeht?
Masuhr: Man muss sehen, dass wir mit 14 Schulen gemeinsam hier stehen, alles überragende Einrichtungen aus allen Schularten. Ich bin mit der Idee hier hergekommen, wir sind nominiert für den Deutschen Schulpreis. Das ist schon Preis genug für mich oder für uns. Wenn wir den ersten Preis oder den zweiten, dritten, vierten, fünften nicht bekommen, werden wir trotzdem froh und zufrieden nachhause fahren. Wir sind in einem Atemzug genannt worden mit den besten Schulen Deutschlands.
Barenberg: ..., sagt der Schulleiter der Waldschule in Flensburg. Danke für das Gespräch, Volker Masuhr, und alles Gute für heute.
Masuhr: Ich bedanke mich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.