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150. Geburtstag der Revolutionärin
Alexandra Kollontai - ein Leben für die Rechte der Frauen

Als Bolschewikin, Diplomatin – und erste Ministerin der Welt kämpfte Alexandra Kollontai nicht nur im patriarchalen Russland für mehr Frauenrechte. Vor 150 Jahren wurde die Ikone des Feminismus als "höhere Tochter" in Sankt Petersburg geboren.

Von Ursula Keller |
Alexandra Kollontai als Diplomatin, 1951
Alexandra Kollontai als Diplomatin, 1951 (imago / ITAR TASS)
"Genossinnen! Arbeiterinnen! Viele Jahrhunderte lang war die Frau unterdrückt und rechtlos! Viele Jahrhunderte war sie lediglich ein Beiwerk des Mannes! Doch die Oktober-Revolution hat die Frau aus ihrer Leibeigenschaft befreit.“
So beginnt Alexandra Kollontai 1919 ihre „Rede an die Arbeiterinnen“. Ihrer radikal-feministischen Positionen wegen wurde sie in den 1980er-Jahren als Kämpferin für Frauenrechte und die „freie Liebe“ von den westlichen Feministinnen gefeiert. In der Sowjetunion gehörte die Revolutionärin zu den „kommunistischen Heiligen“.

Sie soll eine "gute Partie“ werden

Am 31. März 1872 in eine hochgestellte Familie in Sankt Petersburg hineingeboren, scheint Alexandras Lebensweg als der einer wohlbehüteten jungen Dame vorgezeichnet. Sie erhält eine vorzügliche Bildung, spricht mehrere Fremdsprachen fließend und soll eine „gute Partie“ machen. Aber sie widersetzt sich dem Wunsch ihrer Eltern und geht 1893 die nicht standesgemäße Ehe mit Wladimir Kollontai ein. Schon fünf Jahre später jedoch verlässt Alexandra Kollontai Mann und Sohn: „Wir haben uns getrennt, obgleich wir uns liebten. Aber ich fühlte mich eingesperrt. Die unbedeutenden Sorgen des Alltags füllten das ganze Leben aus. Ich wollte frei sein."

Wider die "bürgerlich-dekadente Institution“ Ehe

Wie zahlreiche andere bildungsbeflissene junge Damen aus Russland nimmt sie in Zürich ein Studium auf. Doch sie ist keine strebsame Studentin, sondern widmet sich, wie zuvor bereits in Russland, vor allem der Lektüre revolutionärer Schriften. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat 1899 wird sie aktives Mitglied der sozialrevolutionären Bewegung. Kollontai kämpft für die Auflösung der – wie sie es nennt - „bürgerlich-dekadenten Institution“ der Ehe.
In ihrer Autobiografie schreibt sie, "die Frauen und ihr Schicksal beschäftigten mich ein Leben lang, und ihr Los war es auch, das mich zum Sozialismus führte“. Nach den revolutionären Unruhen des Jahres 1905 muss Alexandra Kollontai nach Westeuropa emigrieren und kann erst 1917 wieder nach Russland zurückkehren. Nach dem Oktoberumsturz der Bolschewiki wird sie zur Volkskommissarin für Soziales und Volksfürsorge ernannt und ist als einzige Frau Mitglied der ersten Sowjetregierung.
„Zu meinen größten Sorgen gehört die Versorgung der zweieinhalb Millionen Krüppel und Invaliden unter den Soldaten, deren Situation verzweifelt ist“, beschreibt sie ihre Aufgabe in einem nach Revolution, Krieg und Bürgerkrieg zerrütteten Land.

Zivile Eheschließung und Scheidungsrecht durchgesetzt

Aus Protest gegen den Frieden von Brest-Litowsk, mit dem Sowjetrussland unter großen Gebietsverlusten und Reparationszahlungen aus dem Ersten Weltkrieg ausscheidet, legt Kollontai ihr Regierungsamt schon 1918 nieder und wird Leiterin der Frauenabteilung im Zentralkomitee. Unter ihrer Ägide werden die zivile Eheschließung und das Scheidungsrecht sowie staatlicher Mutterschutz eingeführt und Abtreibungen legalisiert:
„Nicht die sexuellen Beziehungen bestimmen das moralische Ansehen der Frau, sondern ihr Wert im Arbeitsleben, bei der gesellschaftlich nützlichen Arbeit", ist Kollontai überzeugt. Doch der Versuch, die überkommenen Beziehungen zwischen Frauen und Männern zu revolutionieren, ist zum Scheitern verurteilt. Die liberale Gesetzgebung der 1920er-Jahre ist schon ein Jahrzehnt später Geschichte.

Zweifach für den Friedensnobelpreis nominiert

Auf dem X. Parteitag im März 1921 kritisiert Kollontai den Führungsanspruch und die Bürokratisierung der Partei scharf und gerät ins Abseits. Sie muss sich noch einmal neu erfinden und betritt als Diplomatin das internationale Parkett. "Das ist nicht nur eine persönliche Freude, sondern eine weitere Errungenschaft für die Frauen“, schreibt sie über ihre Ernennung zur Leiterin der Handelsvertretung in Norwegen im Jahr 1923.
Zwei Mal für den Friedensnobelpreis nominiert, beendet Alexandra Kollontai 1945 ihre diplomatische Laufbahn im Rang der Botschafterin in Schweden.
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„Ich habe nicht ein, sondern viele Leben gelebt“, resümiert sie in ihren autobiografischen Aufzeichnungen. Kurz vor ihrem 80. Geburtstag stirbt sie am 9. März 1952 in Moskau. Das stalinistische Regime versagt ihr nach ihrem Tod jegliche Ehrung.