"Jetzt oder nie muss versucht werden, all die Güter der Kultur und der Technik, die bis jetzt nur einer kleinen Minderheit zugute gekommen sind, der ganzen Menschheit dienstbar zu machen. Gewiss, es wird auch in Zukunft Unterschiede geben, aber nur die Unterschiede der persönlichen Begabung, nicht mehr die Unterschiede des Geldes und der Erziehung."
Käte Duncker war eine Pädagogin mit Visionen. Ende des 19. Jahrhunderts engagierte sie sich für bessere Lebensbedingungen von Arbeiterfrauen und deren Kindern. Dafür, so die Frauenforscherin Isabel Rohner, setzte sie sich nicht nur in der Schule ein:
"Sie war Journalistin. Sie war Politikerin. Sie engagierte sich für Kinderschutz. Für eine bessere Bildung für Mädchen und Frauen. Für gleichen Lohn. Für gleiche Arbeit. Sie war Übersetzerin. Sie war Deutschlehrerin. Käte Duncker ist nun wirklich ein politisch aktiver Mensch gewesen."
"Wir verlangen die Einheitsschule!"
Die Fabrikantentochter Paula Kathinka Doell wurde am 23. Mai 1871 im badischen Lörrach geboren. Als sie sechs war, starb ihr Vater, und die Familie zog nach Thüringen, wo die Mutter in Friedrichroda eine Pension führte. Kathinka sollte eine Haushaltsschule besuchen, doch sie setzte eine Ausbildung am Eisenacher Lehrerinnenseminar durch. Wegen ihrer radikalen Ansichten verlor die junge Volksschullehrerin jedoch mehrmals ihre Anstellung:
"Wir verlangen die Einheitsschule! Nicht mehr soll wie bisher der sechsjährige Adels-Sprössling von vornherein für die höhere Schule, das Arbeiterkind für die Gemeindeschule bestimmt sein, ohne jede Rücksicht auf ihre geistige Begabung."
1893 lernte die fortschrittliche Pädagogin die sozialistische Frauenrechtlerin Clara Zetkin kennen und engagierte sich politisch im Umfeld der SPD. Dort traf sie den Geschichtsstudenten Hermann Duncker. Sie heirateten 1898 und führten eine für damalige Verhältnisse moderne Ehe, so Isabel Rohner:
"Hermann Duncker hat seine Frau sehr darin unterstützt, weiter berufstätig zu sein. Er hat sie darin unterstützt, Kurse zu besuchen an der Universität, was offiziell noch gar nicht möglich war damals. Die Universitäten in Preußen öffneten ihre Pforten erst 1908 den Frauen, und das hätte er ihr natürlich auch verbieten können."
Da sie mehrfach ihre Anstellung verlor, gab Käte Duncker ihre Lehrerinnentätigkeit schließlich ganz auf. Sie übernahm den Vorsitz des sozialdemokratischen Mädchenvereins in Leipzig und war häufig auf Vortragsreisen unterwegs. 1907 nahm sie als Stellvertreterin Clara Zetkins eine Stelle als Redakteurin bei der sozialdemokratischen Frauenzeitung "Die Gleichheit" an und zog mit ihrem Mann und ihren drei Kindern nach Stuttgart.
Politik an der Seite von Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
Mehrfach zwangen sie gesundheitliche Zusammenbrüche zu längeren Sanatoriumsaufenthalten. Doch ihre politische Arbeit gab sie deshalb nicht auf. Im Ersten Weltkrieg organisierte die linke Pazifistin mehrere internationale Kongresse, auf denen sie Frieden und das Frauenwahlrecht einforderte. Gemeinsam mit Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gründeten die Dunckers den Spartakusbund, aus dem 1918 die KPD hervorging. In einem Brief erklärte Käte Duncker ihrem 15-jährigen Sohn Karl ihren Aktionismus:
"Wir, die wir ein Menschenalter lang für eine neue, bessere Zeit gekämpft haben mit Wort und Schrift, können nicht im Hintergrund bleiben, wenn es gilt, dafür auch mit der Tat zu kämpfen. …"
1920 wurde Käte Duncker als KPD-Abgeordnete in den thüringischen Landtag gewählt. Von den Nationalsozialisten verfolgt, emigrierte sie 1938 in die USA zu ihrem Sohn Karl, der in Pennsylvania an einem College Psychologie lehrte. Als der sich wegen schwerer Depressionen zwei Jahre später das Leben nahm, schlug sich die fast 70-Jährige als Deutschlehrerin und Haushaltshilfe durch. In dieser ganzen Zeit quälte Käte Duncker zudem die Sorge um ihren jüngeren Sohn Wolfgang. Der Journalist war 1935 ins Exil nach Moskau gegangen und während der stalinistischen Säuberungen verhaftet worden.
Erst 1948, da lebte Käte Duncker mit ihrem Mann bereits in der Sowjetischen Besatzungszone [*], erreichte sie eine Nachricht des Roten Kreuzes, dass Wolfgang sechs Jahre zuvor in einem russischen Arbeitslager umgekommen sei. Den Verlust ihrer beiden Söhne konnte Käte Duncker nicht verwinden. Sie starb, krank und zurückgezogen, am 2. Mai 1953 und wurde in Friedrichroda beigesetzt.
[*] Anmerkung der Red.: Aus der Sowjetischen Besatzungszone entwickelte sich ab 1949 die Deutsche Demokratische Republik (DDR).