Der Blick der Frau geht zum Fenster heraus und strahlt Sehnsucht aus. Das Foto stammt aus einer anderen Zeit: Das legt der Arbeitskittel nahe, den die Frau trägt. Und da liegt vor ihr dieser fast vollendete Hut auf der Arbeitsfläche. Die Aufnahme entstand im Herbst 1999 kurz vor der endgültigen Schließung der Hutwerke im brandenburgischen Guben.
Die Aufnahme steht nicht nur für den Niedergang der deutschen Hutmacher. Sie zeigt auch, wie sehr die Hüte aus unseren Köpfen verschwunden sind. Oder sollte man besser sagen von den Köpfen?
Die letzten Tage der Gubener Hutwerke als Fotoserie – das ist ein Teil in der Ausstellung "Châpeau – 150 Jahre Hutgeschichte(n)".
"Was drückt ein Hut aus? Der sitzt oben auf dem Kopf und ist ja wie so ein Signal, ne? Man sagt sofort, hier bin, und ich erzähl euch was!"
... macht Museumsdirektorin Claudia Gottfried gleich zu Beginn des Rundgangs klar. Auf zwei Etagen sind in der historischen Textilfabrik über 200 Hüte zu sehen. Die Ausstellungsmacher wollen nicht nur modische Veränderungen der Kopfbedeckung zeigen – sie wollen auch deutlich machen, wie sich kulturhistorisch betrachtet die Rolle des Huts verändert hat.
Kulturhistorische Veränderung
Das Geschlecht, der Beruf, der Rang oder der Studienabschluss – man denke an den Doktorhut – all dies ließ sich lange Zeit sehr gut am Hut ablesen. Bis in die 50er Jahre sei es praktisch gar nicht möglich gewesen, ohne Hut aus dem Haus zu gehen, sagt Gottfried, die die Ausstellung organisiert hat.
"Und dann ist in der Folge der 68er, der Studentenunruhen und so weiter, diese Ära zu Ende gegangen. Weil der Hut dann zum Symbol von Spießigkeit, Konvention, Konservatismus und so weiter wurde. Und dann eben viele Leute überhaupt keinen Hut mehr trugen. Und aufgehört haben, das lesen zu können."
Das Lesen können der Hut-Botschaft – das war früher recht klar. In einer Vitrine hängen gleich mehrere weiße Hauben, die an die 200 Jahre alt sind. Die Hauben aus Baumwolle wirken starr. Das liegt vor allem an dem Gerüst aus Holzstäben, die das ganze zusammenhält- das Gesicht der Frauen wird sprichwörtlich abgeschirmt. Die Kopfdeckung unterstreicht die Unterwerfung der Frauen: Hier die Männer, die draußen arbeiten, dort die Frauen, die für Haus und Kinder sorgen. Mit der Heirat kamen die Frauen sprichwörtlich unter die Haube. Sie mussten die Kopfbedeckung im Haus, aber auch auf der Straße tragen, denn die erotische Wirkung der Haare sollte gebannt werden.
Unter der Haube
"Die Frauen werden nicht nur unter die Haube gesteckt, sie werden auch stilisiert zu einer Art Blume. Also, domestiziert zu einer Pflanze, zu einer Blume. Das heißt, wenn die Sachen verziert werden, sind die immer mit Rüschen und mit Blümchen und Blumengirlanden und Ähren. Und es gibt ganz viele Zitate, wo gesagt wird, ja, der Mann ist der große Baum und die Frau ist die Zimmerblume oder die Schnittblume, die verblüht. Also, so ganz stark dieses auf's Haus begrenzte und domestizierte."
Zum Teil hat die Haube bis heute überlebt – auf den Köpfen von Dienstmädchen. Ende des 19. Jahrhunderts wurden Frauen immer stärker erotisiert, was sich auch an solch Hüten ablesen lässt, die mit Federn geschmückt sind. Ganze Vogelarten in fernen Ländern seien dadurch ausgerottet worden, erzählt Museumsdirektorin Gottfried. Beim Blick auf den Hut vor uns kann man sich dies gut vorstellen: Auf der Krempe haben zehn echte kleine Singvögel ihre letzte Ruhe gefunden.
Doch die Ausstellung betrachtet keineswegs nur die Hüte der Frauen. Da ist der Zylinder, der früher ein geradezu revolutionäres Symbol war oder aber auch die einfache Arbeitermütze.