Wann das Gewitter wohl ausbrechen wird? Während einer langen Wanderung in seiner österreichischen Heimat-Landschaft beobachtet der Erzähler in Adalbert Stifters 1857 erschienenem Prosaband "Nachsommer" besorgt "die sanften Wolken" dieses Gewitters, das sich in der Ferne "sachte zu bilden begann und den Himmel umschleierte":
"Als ich mich in einem Teile des Landes befand, wo sanfte Hügel mit mäßigen Flächen wechseln, Meierhöfe zerstreut sind, der Obstbau gleichsam in Wäldern sich durch das Land zieht, zwischen dem dunkeln Laube die Kirchtürme schimmern, in den Talfurchen die Bäche rauschen und überall wegen der größeren Weitung, die das Land gibt, das blaue, gezackte Band der Hochgebirge zu erblicken ist, musste ich auf eine Einkehr denken; denn das Gewitter war weit gediehen."
Allein die bange Frage, wann das Gewitter ausbrechen wird, löst im "Nachsommer" eine knapp 1.000-seitige Landschaftsbeschreibung aus. Heute unterwegs in dieser weiten, in wohltemperierten Sätzen gestalteten Text-Landschaft, verglich die österreichische Schriftstellerin Ilse Aichinger die Wirkung der Prosa mit der Erfahrung einer langen Flugzeug-Reise:
"Man fliegt über den Ozean, der gleichförmig ist, und auch der Himmel ist blau. Allmählich hat man die Empfindung bekommen, man stünde in der Luft. Da taucht eine Wolke aus dem Himmel auf, diese Wolke neben dem Flugzeug, dieser stille Geschwindigkeitsmesser ist sehr vergleichbar mit Stifters Werk und seinem Verhältnis zu uns."
"Als ich mich in einem Teile des Landes befand, wo sanfte Hügel mit mäßigen Flächen wechseln, Meierhöfe zerstreut sind, der Obstbau gleichsam in Wäldern sich durch das Land zieht, zwischen dem dunkeln Laube die Kirchtürme schimmern, in den Talfurchen die Bäche rauschen und überall wegen der größeren Weitung, die das Land gibt, das blaue, gezackte Band der Hochgebirge zu erblicken ist, musste ich auf eine Einkehr denken; denn das Gewitter war weit gediehen."
Allein die bange Frage, wann das Gewitter ausbrechen wird, löst im "Nachsommer" eine knapp 1.000-seitige Landschaftsbeschreibung aus. Heute unterwegs in dieser weiten, in wohltemperierten Sätzen gestalteten Text-Landschaft, verglich die österreichische Schriftstellerin Ilse Aichinger die Wirkung der Prosa mit der Erfahrung einer langen Flugzeug-Reise:
"Man fliegt über den Ozean, der gleichförmig ist, und auch der Himmel ist blau. Allmählich hat man die Empfindung bekommen, man stünde in der Luft. Da taucht eine Wolke aus dem Himmel auf, diese Wolke neben dem Flugzeug, dieser stille Geschwindigkeitsmesser ist sehr vergleichbar mit Stifters Werk und seinem Verhältnis zu uns."
Trauer um Verlorenes und Nicht-Erreichbares
Wo war Stifter selbst am Ende seiner Schreib- und Lebensreise angekommen? Geboren 1805 als Sohn eines Webers in dem österreichisch-böhmischen Dorf Oberplan, schaute er sich besuchsweise knapp ein Jahr vor seinem Tod die Kindheits-Landschaft noch einmal an:
"Weit zurück in dem leeren Nichts ist etwas wie Wonne und Entzücken, das gewaltig fassend, fast vernichtend in mein Wesen drang und dem nichts mehr in meinem künftigen Leben glich."
Trauer um Verlorenes und Nicht-Erreichbares spricht aus diesen Sätzen, die so gar nicht dem Bild entsprechen, das man sich schon zu Lebzeiten von Stifter gemacht hatte: dem des beschaulichen Dichters einer heilen Welt und stillen Feierlichkeit. Während Stifter sein bürgerliches Berufsleben als für oberösterreichische Volksschulen zuständiger Schulrat fristete, erprobte er nebenbei sein Talent als Landschaftsmaler, bis er erkannte, dass er seine Wahrnehmungslust besser im Schreiben ausagieren konnte. Dabei verstand er sich bescheiden als bloßen "Beschreiber der Dinge" – so hat ihn der Komponist Heiner Goebbels in einem Klangstück auch porträtiert. Es war das von Stifter sogenannte sanfte Gesetz, an dem der Dichter seine Beobachtungen ausrichtete:
"Das Wehen der Luft das Rieseln des Wassers das Wachsen der Getreide das Wogen des Meeres das Grünen der Erde das Glänzen des Himmels das Schimmern der Gestirne halte ich für groß; das prächtig einherziehende Gewitter, den Blitz, welcher Häuser spaltet, den Sturm, der die Brandung treibt, den feuerspeienden Berg, das Erdbeben, welches Länder verschüttet, halte ich nicht für grösser."
"Weit zurück in dem leeren Nichts ist etwas wie Wonne und Entzücken, das gewaltig fassend, fast vernichtend in mein Wesen drang und dem nichts mehr in meinem künftigen Leben glich."
Trauer um Verlorenes und Nicht-Erreichbares spricht aus diesen Sätzen, die so gar nicht dem Bild entsprechen, das man sich schon zu Lebzeiten von Stifter gemacht hatte: dem des beschaulichen Dichters einer heilen Welt und stillen Feierlichkeit. Während Stifter sein bürgerliches Berufsleben als für oberösterreichische Volksschulen zuständiger Schulrat fristete, erprobte er nebenbei sein Talent als Landschaftsmaler, bis er erkannte, dass er seine Wahrnehmungslust besser im Schreiben ausagieren konnte. Dabei verstand er sich bescheiden als bloßen "Beschreiber der Dinge" – so hat ihn der Komponist Heiner Goebbels in einem Klangstück auch porträtiert. Es war das von Stifter sogenannte sanfte Gesetz, an dem der Dichter seine Beobachtungen ausrichtete:
"Das Wehen der Luft das Rieseln des Wassers das Wachsen der Getreide das Wogen des Meeres das Grünen der Erde das Glänzen des Himmels das Schimmern der Gestirne halte ich für groß; das prächtig einherziehende Gewitter, den Blitz, welcher Häuser spaltet, den Sturm, der die Brandung treibt, den feuerspeienden Berg, das Erdbeben, welches Länder verschüttet, halte ich nicht für grösser."
Der Wunsch, in den Wolken lesen zu können
Hinter dem Ehrgeiz, in seinen Büchern wie "Nachsommer", "Das Haidedorf", "Der Hochwald", "Bunte Steine" oder "Witiko" alle Steine und Bäume und Bäche und Vögel korrekt beim Namen nennen zu können, verbarg sich aber zugleich der Wunsch, in den Wolken lesen zu können. Beim Versuch, Geheimnisse hinter den flüchtigen Erscheinungen zu fixieren und zu entziffern, geriet ihm allerdings auch das hinter den Bildern lauernde Bedrohliche und Unheile immer wieder in den Blick:
"Das war kein Schneien wie einst, nicht eine einzige Flocke war zu sehen, sondern wie wenn Mehl von dem Himmel geleert würde, strömte weißer Fall nieder, und dieses Flimmern und Flirren und Wirbeln dauerte fort und fort und fort wie Stunde an Stunde verrann."
Adalbert Stifter starb am 28. Januar 1868 in Linz. Beim letzten Besuch im Heimatdorf hatte er poetisch-realistisch Bilanz gezogen:
"Es waren dunkle Flecken in mir. Die Erinnerung sagte mir später, dass es Wälder gewesen sind, die außerhalb mir waren. Dann war eine Empfindung, wie die erste meines Lebens, Glanz und Gewühl, dann war nichts mehr."
"Das war kein Schneien wie einst, nicht eine einzige Flocke war zu sehen, sondern wie wenn Mehl von dem Himmel geleert würde, strömte weißer Fall nieder, und dieses Flimmern und Flirren und Wirbeln dauerte fort und fort und fort wie Stunde an Stunde verrann."
Adalbert Stifter starb am 28. Januar 1868 in Linz. Beim letzten Besuch im Heimatdorf hatte er poetisch-realistisch Bilanz gezogen:
"Es waren dunkle Flecken in mir. Die Erinnerung sagte mir später, dass es Wälder gewesen sind, die außerhalb mir waren. Dann war eine Empfindung, wie die erste meines Lebens, Glanz und Gewühl, dann war nichts mehr."