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175. Geburtstag des Hotelgründers Eduard Sacher
Persona gratissima der Aristokratie

Der Vater schuf die unvergessliche Torte, Sohn Eduard die Kulisse für zahlreiche Anekdoten, Romane und Liebesfilme: Heimliche Rendezvous in Hinterzimmern gehören zu den vielen Erinnerungen, mit denen das Hotel Sacher sein Image schmückt. Doch nicht seine Fähigkeiten als Unternehmer machten den Ort zur Legende - sondern seine Frau.

Von Beatrix Novy |
    Das Foyer des Hotels Sacher in Wien
    1867 hat Eduard Sacher das berühmte gleichnamige Hotel gegründet. Dort haben Gäste nicht nur Sachertorte verspeist, sondern sich auch in Hinterzimmern zu geheimen Liebesabenteuern getroffen. (dpa / picture alliance / Jens Kalaene)
    "Typisch für Wien, und nur für Wien, ist nach wie vor, dass die Legenden funktionieren."
    So sah das schon in den 50er-Jahren der Schriftsteller Friedrich Torberg - und zählte zu den vielen Legenden, mit denen Wien aus seiner Vergangenheit unentwegt Gegenwart macht: das "Sacher". Den bislang unauslöschlichen Ruhm dieses Namens begründete eine kleine Dynastie hochtalentierter Gastronomen.
    Es begann mit dem Vater und einer Torte
    Aber das "Sacher", das Hotel, verdankt seine Existenz nur einem: Eduard Sacher, geboren am 8. Februar 1843, Sohn von Franz Sacher, dem Erfinder der berühmten Torte gleichen Namens. Franz, der früh ein überdurchschnittliches Interesse am Kochen zeigte, landete seinen großen Coup schon als Lehrling in der Küche des Fürsten Metternich. Diese Begebenheit von 1832 gehört zum Legenden-Repertoire. Und Sacher-Angestellte wie Robert Palfrader, ein Onkel des Schauspielers gleichen Namens, trugen sie ins 20. Jahrhundert:
    "Er machte zum ersten Mal aus seinem eigenem Spirit eine Schokoladentorte mit Marillenmarmelade und Schlagobers. Diese Torte, die hat sofort geschmeckt. Er musste sie dann immer wieder machen und nach einer gewissen Zeit hieß es: die Torte von dem kleinen Sacher. Das ist die Geburtsstunde der Sachertorte."
    Franz Sacher hatte sich zu den Spitzen der Gesellschaft hochgekocht, als er sein eigenes Delikatessengeschäft mit Luxus-Gastronomie eröffnete und zum begehrtesten Traiteur Wiens wurde. Dort ging der nicht minder begabte Sohn Eduard in die Lehre, holte sich dann im Ausland die höheren Weihen, kehrte zurück nach Wien, übte noch ein bisschen mit einem Lokal im Weinbauviertel Döbling und eröffnete 1866 ebenfalls ein Wein- und Delikatessengeschäft: Im ganz neuen Palais Todesco an der Ringstraße.
    Eduard Sacher - persona gratissima
    Ohne den Bau der Wiener Ringstraße ist der Aufstieg der Sachers kaum zu denken. 1857 hatte Kaiser Franz Josef die Schleifung der alten Festungsmauern und -wälle sowie den Bau eines repräsentativen Boulevards verfügt. Es folgte der größte Stadtumbau, den Europa je gesehen hatte. Auf den freigewordenen Gründen entstanden neben Parlament, Universität, Oper, Burgtheater und Museen die historistischen Wohnpaläste der schwerreichen neuen Industriellen - der Ephrussis, Epsteins, Rothschilds - und der Bankiersfamilie Todesco. An dieser vornehmlich jüdischen und sehr kunstsinnigen "zweiten Gesellschaft" hing Sachers Aufstieg. Aber auch mit der "ersten" Gesellschaft, der unnahbaren alten Aristokratie, stand er sich bestens.
    "Wie man aus bester Quelle weiß, ist der k.u.k. Hoflieferant Eduard Sacher 'oben' persona gratissima", vermeldete die Wiener Presse - selbst der Kaiser hatte ja schon huldvoll den Sacher-Garten im Prater beehrt, noch eine Filiale des umtriebigen Eduard.
    Erst sie schuf die Legende Sacher
    1876 eröffnete er sein Hotel, gleich hinter der neuen Oper. Es lag auf dem Gelände des alten Kärntnertors und damit auf der Grenze zwischen beiden Polen seines Erfolgs: den aristokratischen Palais der Innenstadt und den bürgerlichen der Ringstraße. Aber zur Legende fehlte noch ein wichtiger Schritt.
    "Der Eduard hat geheiratet. Und diese Anni Fuchs wurde dann die berühmte Frau Sacher."
    Eduard hatte wie sein Vater alle Fähigkeiten eines Unternehmers. Doch seine 16 Jahre jüngere Frau, eine sehr hübsche und selbstbewusste Metzgerstochter, muss über das Charisma verfügt haben, das Wirte zu Königen macht und ihre Gäste zu Untertanen. Sie schuf sich ihr Image. Sie rauchte Zigarren. Um ihre Gunst und einen Sitzplatz buhlten die Hochgeborenen. Zu ihr flüchteten die Erzherzöge aus der Hofburg, weil sie am frugalen Tisch des Kaisers und seiner magersüchtigen Gattin Sisi nicht satt geworden waren oder weil sie ein Séparée für ihre Liebesabenteuer brauchten.
    Treffpunkt der Prominenz
    "In kürzester Zeit hat sie verstanden, aus dem Sacher wirklich den Mittelpunkt der damaligen Prominenz zu machen, die Aristokratie, die Wirtschaftsmagnaten, die wichtigsten Gäste waren ja damals die Aristokraten vom Osten, die waren ja unglaublich reich damals und so reich wie heute die Ölscheichs."
    Die global-touristische Sacher-Kundschaft von heute war noch sehr fern, als Anna Sacher 1929 das Zepter abgeben musste, ein Jahr vor ihrem Tod. Die längste Zeit hatte sie ohne Eduard regiert: Er war 1892 gestorben, erst 49 Jahre alt.