Dass es endlich doch gespielt wurde, kam so. In Braunschweig wurde 1813 August Klingemann Intendant. Er war 35 Jahre alt, Theatertheoretiker und Dramatiker. Als dann Klingemanns Faust auf dem Spielplan stand, machte sich der junge Herzog darüber lustig. Eduard Devrient, Mitglied einer berühmten Schauspielerfamilie, erzählt es in seiner 1848 erschienenen Geschichte der deutschen Schauspielkunst, als wäre er dabeigewesen:
Warum er den Faust von Goethe nicht aufführen lasse, er fürchte doch wohl den seinigen dadurch verdunkelt zu sehen? Klingemann erwiderte, dass er sein Gedicht nicht im Entferntesten dem Goethe'schen vergleiche, dass dieses aber nicht für die Bühne gedacht, also nicht wohl aufzuführen sei. Der Herzog ermüdete nicht, versicherte ihm beim Nächsten: er habe sich das Stück darauf angesehen, es sei ganz gut aufzuführen, sei in Szenen abgetheilt und die Personen sprächen miteinander wie in allen anderen Stücken. Klingemann endlich, der unaufhörlichen Neckereien überdrüssig, die bald von den Umgebungen des Herzogs getheilt wurden, richtete das Gedicht für die Darstellung ein wie es eben ging und führte es am 19. Januar 1829 auf.
Man weiss wenig von dieser Inszenierung. Klingemann gliederte Faust I in 6 Abteilungen, der Rotstift wütete gewaltig, gespielt wurde von "Habe nun ach, Philosophie..." bis "Trüber Tag, Kerker", das, was zum Verständnis der Gretchentragödie gehörte.
Der Bann war gebrochen. Die Faust-Inszenierungen folgten sich nun rasch. Empfanden die Braunschweiger schon dasselbe grimmige Vergnügen wie die Berliner, die 1901 den damals berühmten Josef Lewinsky (1835-1907) als Mephisto hörten?
Den schlepp' ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hätt' er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müsste doch zugrunde gehen!
(Faust Erster Teil, Studierzimmer)
1829 beklagten Zeitgenossen den Verfall der Schauspielkunst, Iffland ärgerte sich schon zwanzig Jahre früher über den weinerlichen, singenden Ton, die heulende Deklamation, alles schien ihm kalt, eintönig, gedehnt. Ludwig Tieck warnte vor der wachsenden Gefahr des aushöhlenden Deklamationswesens, bemängelte das Übergewicht der Rhetorik.
Was sahen die Zuschauer? Der Schriftsteller August Lewald sah 1829 in Mephistopheles die Wiederbelebung des Volksbuch- und Marionettenteufels.
Das Kleid von glänzendem hochroten Zeuge mit gelben Zierraten, das Mäntelchen von starrer Seide grasgrün. Der Leib ist wespenartig dünn; die Finger sind gekrümmt wie Krallen. Beim Gehen wird der Pferdefuss mit vornehmer Grandezza nachgezogen. Den Schädel bedeckt struppiges schwarzes Haar, die Augen schielend und schief, die Zähne gefletscht, der Mund an den Winkeln in die Höhe gezogen, der fürchterlichste Hohn spricht sich darin aus; die Nase senkt sich in grasser Unförmigkeit zum Kinne.
Schmierenzauber. Hohler Ton, hölzerne Manieren. Hat Goethe deshalb ein halbes Jahr später darauf verzichtet, sich seinen Faust I in Weimar anzusehen? Am 29. August 1829 schrieb er in sein Tagebuch: "Abends allein. Aufführung von 'Faust' im Theater."
Viele glaubten, dass das grosse Gedicht durch seine Aufführung auf der Bühne verlieren musste, das seine Aufführung nichts als eine Konzession an das sehbegierige Publikum sei. Aber sind das, was wir hören können, Konzessionen? Karl Zander, 1925, Berlin
Faust:
O tönte fort, ihr süssen Himmelslieder!
Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder
(Erster Teil, Nacht)
Warum er den Faust von Goethe nicht aufführen lasse, er fürchte doch wohl den seinigen dadurch verdunkelt zu sehen? Klingemann erwiderte, dass er sein Gedicht nicht im Entferntesten dem Goethe'schen vergleiche, dass dieses aber nicht für die Bühne gedacht, also nicht wohl aufzuführen sei. Der Herzog ermüdete nicht, versicherte ihm beim Nächsten: er habe sich das Stück darauf angesehen, es sei ganz gut aufzuführen, sei in Szenen abgetheilt und die Personen sprächen miteinander wie in allen anderen Stücken. Klingemann endlich, der unaufhörlichen Neckereien überdrüssig, die bald von den Umgebungen des Herzogs getheilt wurden, richtete das Gedicht für die Darstellung ein wie es eben ging und führte es am 19. Januar 1829 auf.
Man weiss wenig von dieser Inszenierung. Klingemann gliederte Faust I in 6 Abteilungen, der Rotstift wütete gewaltig, gespielt wurde von "Habe nun ach, Philosophie..." bis "Trüber Tag, Kerker", das, was zum Verständnis der Gretchentragödie gehörte.
Der Bann war gebrochen. Die Faust-Inszenierungen folgten sich nun rasch. Empfanden die Braunschweiger schon dasselbe grimmige Vergnügen wie die Berliner, die 1901 den damals berühmten Josef Lewinsky (1835-1907) als Mephisto hörten?
Den schlepp' ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis und Trank vor gier'gen Lippen schweben;
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn,
Und hätt' er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müsste doch zugrunde gehen!
(Faust Erster Teil, Studierzimmer)
1829 beklagten Zeitgenossen den Verfall der Schauspielkunst, Iffland ärgerte sich schon zwanzig Jahre früher über den weinerlichen, singenden Ton, die heulende Deklamation, alles schien ihm kalt, eintönig, gedehnt. Ludwig Tieck warnte vor der wachsenden Gefahr des aushöhlenden Deklamationswesens, bemängelte das Übergewicht der Rhetorik.
Was sahen die Zuschauer? Der Schriftsteller August Lewald sah 1829 in Mephistopheles die Wiederbelebung des Volksbuch- und Marionettenteufels.
Das Kleid von glänzendem hochroten Zeuge mit gelben Zierraten, das Mäntelchen von starrer Seide grasgrün. Der Leib ist wespenartig dünn; die Finger sind gekrümmt wie Krallen. Beim Gehen wird der Pferdefuss mit vornehmer Grandezza nachgezogen. Den Schädel bedeckt struppiges schwarzes Haar, die Augen schielend und schief, die Zähne gefletscht, der Mund an den Winkeln in die Höhe gezogen, der fürchterlichste Hohn spricht sich darin aus; die Nase senkt sich in grasser Unförmigkeit zum Kinne.
Schmierenzauber. Hohler Ton, hölzerne Manieren. Hat Goethe deshalb ein halbes Jahr später darauf verzichtet, sich seinen Faust I in Weimar anzusehen? Am 29. August 1829 schrieb er in sein Tagebuch: "Abends allein. Aufführung von 'Faust' im Theater."
Viele glaubten, dass das grosse Gedicht durch seine Aufführung auf der Bühne verlieren musste, das seine Aufführung nichts als eine Konzession an das sehbegierige Publikum sei. Aber sind das, was wir hören können, Konzessionen? Karl Zander, 1925, Berlin
Faust:
O tönte fort, ihr süssen Himmelslieder!
Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder
(Erster Teil, Nacht)