Wie schaffen es Journalisten mit Migrationshintergrund, sich in den deutschen Medien zu etablieren? Die Teilnehmerinnen des Podiums berichten von ihren sehr unterschiedlichen Wegen. Agnese Franceschini vom WDR-Sender Funkhaus Europa erzählt, dass ihr Einstieg nicht sonderlich schwer war. Einmal drin im Medienbusiness, machte sie jedoch eine überraschende Feststellung: "Ich wusste zum Beispiel gut über Sportthemen Bescheid. Meine Redaktion in Deutschland sah meine Kompetenz aber nur darin, Italienerin zu sein. Dabei wollte ich Themen aus Deutschland behandeln." Erst kürzlich habe ihr eine Redaktion angeboten, als italienischer "Tifosi" über die Fußball-Europameisterschaft zu berichten. "Ich kenne die deutsche Mannschaft aber besser als die italienische", so Franceschini, die den Auftrag dankend ablehnte.
Auch Katia Artsiomenka von der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft berichtet von Vorurteilen, mit denen sie zu kämpfen hat. "Ich muss erklären, warum ich meinen Beruf ausüben darf. Ja, ich mache grammatikalische Fehler. Ich habe den Eindruck, dass ich aber auch immer eine Legitimation für Inhalte vorlegen muss." Auch die mit italienischem Akzent sprechende Franceschini beklagte, dass sie ihre Beiträge nicht selbst vertonen dürfe - und das obwohl sie bei Funkhaus Europa arbeite. "In Live-Sendungen darf ich wiederum berichten, das gilt dann als Folklore für den Hörer."
Einstellungshürden zu hoch?
Ähnliche Erfahrungen macht auch Sheila Mysokra, die in Deutschland geborene Vorsitzende der "Neuen deutschen Medienmacher". Zu Beginn ihres Volontariats sei sie für die korrekte Orthografie ihrer Texte gelobt worden. "Die Kollegen dachten ernsthaft, ich kann nicht ordentlich Deutsch sprechen wegen meines Aussehens." Und sobald Sprache nicht mehr das Problem sei, werde von Redaktionen häufig die inhaltliche Kompetenz bei Journalisten mit Migrationshintergrund problematisiert - obwohl die Medien vom Know-How der Journalisten profitierten.
Dass das Problem möglicherweise kein rein deutsches ist, weiß die DRadio-Wissen-Journalistin Nilofar Elhami zu berichten. Die junge Frau, im Iran geboren, hat bereits Berufserfahrung beim schwedischen Radio gesammelt. Sie sei bei dem Sender sehr gefragt gewesen, aber immer nur aufgrund ihrer Biografie. "Man hätte mir sagen sollen, wir wollen dich, weil du uns inhaltlich bereicherst", so Elhami, "aber niemand hat mir das gesagt". Also lernte die junge Journalistin Deutsch und zog nach Berlin. Ein Volontariat habe sie hierzulande nicht bekommen. "Die Einstellungshürden sind grundsätzlich zu hoch", so Elhami.
Für und Wider einer Migrantenquote in den Redaktionen
Und Sheila Mysorekar ergänzt: "Programmmacher sind natürlich Menschen mit denselben Stereotypen wie andere auch." Es sei viel Arbeit nötig, um das zu ändern. Besonders verheerend sei die Situation in den Printmedien: "Da wird von 'Wir' und 'Die' ausgegangen." Diesem Missverhältnis müssten sich die Medien stellen. Lediglich jeder 50. Journalist in Deutschland verfüge über einen Migrationshintergrund, ergänzte Moderatorin Brigitte Baetz und fragte die Diskussionsteilnehmerinnen, ob sie eine Migrantenquote unter Journalisten befürworteten.
Agnese Franceschini hält dies für sinnvoll – weil sie es als Sportreporterin mit Migrationshintergrund in einer Männerdomäne besonders schwer habe. "Freiwillig passiert nichts oder es dauert 40 Jahre", pflichtete Sheila Mysorekar ihrer Kollegin bei. Sie wolle nicht so lange warten, bis es den Redaktionen leichter falle, multikulturelle Kompetenzen zu nutzen. Allein Katia Artsiomenka will lieber keine Quotenregelung in den deutschen Medien sehen: Sie habe Bedenken, ob eine derartige Auswahl mit der Kommunikationsfreiheit vereinbar sei.
"Es geht um den gesellschaftlichen Frieden"
Die Runde diskutierte aber nicht nur, wie Journalisten mit Migrationshintergrund in deutschen Redaktionen wahrgenommen werden, sondern auch ob die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland adäquat in den Medien abgebildet wird. Mysorekar kritisierte, dies sei nicht ausreichend der Fall: 20 Prozent der Bevölkerung würden in den Medien nicht repräsentiert. Sie gehörten zu den regelmäßigen Nutzern, würden aber nicht angesprochen. Das Problem könne nicht nur mit Sendungen für Migranten gelöst werden. Medien sollten generell die gesamte Bandbreite der gesellschaftlichen Realität widerspiegeln, forderte Mysorekar. Viele Programmacher verfolgten stattdessen die These, dass "die Deutschen" etwas über das "Migrantenleben" erfahren müssten. Dies sei eine Gefahr, so Mysorekar ."Es geht um den gesellschaftlichen Frieden und nicht um ein Land, wie es die AfD gerne hätte."
Als positives Beispiel berichtete Agnese Franceschini von ihrem Arbeitgeber, Funkhaus Europa. Fremdsprachensendungen seien keine Ghettos. "Wir müssen dazu stehen, dass wir zweisprachig sind. Warum sollten wir das vergessen?", fragte Franceschini. Journalisten mit einem anderen kulturellen Hintergrund könnten eine Perspektive vermitteln, die Deutsche nicht vermitteln könnten. "Unsere Zuhörer lieben das." Und auch die DRadio-Wissen-Journalistin Nilofar Elhami appellierte an Redaktionen, Migranten nicht vorschnell abzulehnen: Es könne sich schließlich um sehr gute Journalisten handeln, die in ihrer Heimat umfangreich ausgebildet worden seien.