2. Kölner Forum für Journalismuskritik
"Oft sind wir gefangen im eigenen Weltbild"

Deutschlandradio-Intendant Willi Steul hat von Journalisten mehr Selbstbewusstsein bei ihrer Arbeit gefordert. Zur Eröffnung des 2. Kölner Forums für Journalismuskritik sagte er, das erfordere permanente Selbstkritik. "Guter Journalismus entsteht immer auch im Widerspruch zu gängigen Meinungen."

    Journalisten-Mikrofone.
    "Opfern wir nicht zu oft unsere Glaubwürdigkeit auf dem Altar der Zuspitzung und im Run darauf, unbedingt die Ersten mit einer Sensation sein zu wollen?" (dpa-Bildfunk / Rolf Vennenbernd)
    In einer Videobotschaft für die Konferenz sagte Steul, Journalistinnen und Journalisten müssten sich selbst immer wieder befragen, inwieweit ihre Arbeit im eigenen Weltbild oder sogar mit Vorurteilen "gefangen" sei. Selbstverständlich müssten Medien um Aufmerksamkeit werben, betonte Steul. Dennoch sei zu fragen, ob nicht zu oft "Glaubwürdigkeit auf dem Altar der Zuspitzung und im Run darauf, unbedingt die Ersten mit einer Sensation sein zu wollen" geopfert werde. Der Intendant warnte darüber hinaus vor einem "elitären Metropolenblick", der nicht alle Lebenswirklichkeiten in der Gesellschaft berücksichtige.

    Die Videobotschaft im Wortlaut:
    Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    seien Sie sehr herzlich begrüßt im Deutschlandradio. Das Nachdenken über das eigene journalistische Tun war immer schon wichtig, aber heute ist es wichtiger denn je. Als immer noch leidenschaftlicher Journalist und wäre deshalb gerne bei Ihren Diskussionen dabei, aber die Intendantenpflichten hindern mich daran, ich kann leider nicht dabei sein.
    Was würde ich gerne einbringen in das gemeinsame Nachdenken? Zunächst einmal: Halten wir alle den Rücken gerade. Lassen wir uns nicht ins Bockshorn jagen. Seien wir selbstbewusst. Aber: Ein ordentliches Selbstbewusstsein verlangt gleichzeitig die permanente Selbstkritik.
    Und da nenne ich uns einige Stichworte: Laufen wir nicht viel zu oft dem Meinungs- und auch Themen-Mainstream hinterher? Beispiel: die berühmte Causa Wulff. Guter Journalismus entsteht immer auch im Widerspruch zu gängigen Meinungen.
    "Opfern wir nicht zu oft unsere Glaubwürdigkeit?"
    Wir sollen möglichst objektiv die gesellschaftliche und politische Realität abbilden. Aber oft sind wir, zu oft, gefangen im eigenen Weltbild und sogar in unseren Vorurteilen. Beispiel: die teilweise unsäglich hämische Darstellung Griechenlands. Übrigens: Bei aller berechtigten Kritik an Erdogan: Auch die Türkei ist komplexer.
    Medien müssen um Aufmerksamkeit werben. Deshalb ist die Schlagzeile so wichtig – und der "Lead" gewinnt im Internet noch einmal mehr Bedeutung. Aber: Opfern wir nicht zu oft unsere Glaubwürdigkeit auf dem Altar der Zuspitzung und im Run darauf, unbedingt die Ersten mit einer Sensation sein zu wollen?
    Journalismus ist ein Handwerk, das muss man lernen, mit professionellen Regeln. Halten wir sie skrupelhaft ein und vermitteln wir dies den Lesern, Zuhörern, Zuschauern, Nutzern.
    "Was machen wir falsch?"
    Und noch ein paar andere Stichworte: Wir halten professionelle Distanz zur Politik. Kritischer Umgang mit Politik ist unsere Pflicht. Aber: Wenn mehr als die Hälfte der Menschen glaubt, sie könnte die Probleme besser lösen als die Politiker, dann frage ich mich, was wir als die Übersetzer politischer Komplexität falsch machen.
    Sind wir uns bewusst, dass unsere Lebenswirklichkeit nicht die Lebenswirklichkeit der meisten unserer Kunden ist? Wir haben - in der Regel - eine akademische Ausbildung, die meisten von uns entstammen und leben in bürgerlichen Milieus, die allermeisten arbeiten in großen Städten. Haben wir nicht zu sehr den elitären "Metropolenblick"?
    Ich würde gerne mit Ihnen diskutieren - aber das schafft Ihr auch alleine. Danke und viel Vergnügen.