Susanne Gaschke war 2013 von ihrem Amt als Oberbürgermeisterin von Kiel zurückgetreten – ihr war ein Nachlass für einen Steuersünder zum Verhängnis geworden. Sie macht auch die Berichterstattung in den Medien dafür verantwortlich, die alle in gleicher Weise darüber geschrieben hätten. "In Schleswig-Holstein gibt es drei bis fünf meinungsbildende Journalisten – wenn die sich eine Meinung gebildet haben, ist der Tenor klar", führte sie beim 2. Kölner Forum für Journalismuskritik im Funkhaus des Deutschlandfunks aus.
Rechtlich sei der Fall klar, sagte Medienanwalt Christian Solmecke: "Es gilt zunächst die freie Meinungsäußerung, Medien dürfen scharfe Kritik äußern, das müssen Sie ertragen. Kritisch wird es, wenn Medien anfangen, unwahre Tatsachen zu verbreiten."
"Es gibt einen Konsens mit den Eliten"
Der Kommunikationswissenschaftler Uwe Krüger sah den Fall Gaschke kritischer: Es sei zwar Aufgabe des Journalismus, die Politik kritisch zu begleiten, aber nicht, einzelne Personen fertig zu machen.
Er sieht bei den großen Medien generell die Neigung, übereinstimmend zu berichten: Es gebe einen "Konsens mit den Eliten": "Es gibt einen passiven Journalismus, der verlässt sich auf die Meinungen der Akteure." Außerdem gebe es Studien, die zeigten, dass die Kommentare zu politischen Themen in den großen Medien häufig mit dem Parlament übereinstimmten. Kritik in Medien gebe es vor allem, wenn es auch im Establishment Kritik gebe.
Krüger erklärt sich so auch das Misstrauen der Menschen gegenüber den die Medien. Er meint: "Wenn Politik gegen die Interessen der Bevölkerung gemacht wird und die Medien bilden das ab, dann erfahren sie das gleiche wie Politik: Ablehnung. Der eigentliche Frust der Menschen besteht über die Politik." Journalisten, die es anders machen wollten, hätten es schwer: "Wer sich dagegen stellt, wird sozial sanktioniert."
"Ein paar Monate nur Wulff, ein paar Monate nur Griechenland, ein paar Monate nur Flüchtlinge "
Auch Gaschke beobachtet eine Medienverdrossenheit – die für sie nachvollziehbar, aber gefährlich ist. "Die Menschen fühlen das richtige – aber sie benutzen die falschen Argumente." Den Lügenpresse-Vorwurf hält sie für ein Spiel mit dem Feuer. Dennoch sei die demokratische Öffentlichkeit wichtig. Laut Gaschke gibt es eine Themenkonjunktur, bei der wochenlang in allen Medien nur ein Thema bestimmend sei. "Es gibt eine freiwillige Gleichrichtung in den Medien. Ein paar Monate nur Wulff, ein paar Monate nur Griechenland, ein paar Monate nur Flüchtlinge – so läuft das Leben nicht, das weiß man und das ärgert die Leute."
Gaschke forderte am Ende der Diskussion: "Wir müssen weg von den Themenkonvergenzen. Wir brauchen Chefredakteure, dich sich etwas trauen. Raus aus dem Mainstream!"
(cvo/tgs)