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"20 Feet From Stardom"
Singend im Schatten der Stars

Die Musikdoku "Standing in the Shadows of Motown" berichtet von Musikarbeitern, die der Motown-Musik Rhythmus und Sound gaben. Morgan Nevilles oscar-prämierte Dokumentation "20 Feet From Stardom" holt unbekannte Backgroundsängerinnen aus dem Halbschatten ins Rampenlicht.

Von Hartwig Tegeler |
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    Die Backgroundsängerinnen Darlene Love, Merry Clayton, Judith Hill und Lisa Fischer (v.l.n.r.) vor der Oscarverleihung 2014. (picture alliance / dpa / Michael Nelson)
    Lou Reed hat ihnen irgendwie ein musikalisches Denkmal gesetzt. Er singt von den schwarzen Girls singt, die das Do-be-do-be-do singen. Und das singen sie dann natürlich auch in "Walk On The Wild Side". Das mit dem musikalischen Denkmal mag ja auch ganz nett sein, es mag ja auch für Black Singing Power stehen - denn die Background-, vor allem Sängerinnen, deren Geschichte "20 Feet From Stardom" erzählt, sie waren alle Afroamerikanerinnen, aber hat nicht, was Background-Gesang betrifft, hat nicht viel eher Mick Jagger recht, der meint, dass er keine Lust hätte, von all diesen "Uhs" und "Ahs" leben zu müssen.
    Ist das despektierlich, was Mr. Rolling Stone hier sagt? Na, den schnappen wir uns gleich noch mal. "Gimme Shelter" kommt später. Lynn Mabry, die mit Sly and the Family Stone, mit Bette Midler und den Talking Heads arbeitete, 1984, vorne auf der Bühne bei "Slippery People", neben David Byrne, bringt das auf den Punkt, was die Black Singing Power ausmacht, von der die Talking Heads ebenso wie Springsteen oder die Stones, Tom Jones oder oder profitierten.
    Wenn die Stimmen loslegen, dann kommt die Kraft in die Sache, dann entsteht die menschliche Verbindung.
    Also, wer kennt die Stars in dieser Musikdokumentation "20 Feet From Stardom", wer die Namen Lynn Mabry, Darlene Love, Merry Clayton, Claudia Lennear? Ihren Gesang gehört, klar, aber ihre Namen. Morgan Neville erzählt ihre Geschichte in einem wunderbaren Rhythmus von Musik, Interviews mit den jungen und alten Background-Sängerinnen und den Stars, für die sie sangen und singen. Erinnerungen an keineswegs nur gute, aber ebenso wenig nur schlechte Zeiten. Gute und böse Geschichten eben.
    Gruselgeschichten
    Beispielsweise die von Darlene Love, eine dieser göttlichen Stimmen, die mit Elvis Presley, Sony & Cher, Tom Jones oder Sam Cooke arbeitete, die Produzent Phil Spector bis aufs Blut ausbeutete und ihren Namen auf den Platten nicht nannte. Eine dieser Gruselgeschichten aus dem Business. Irgendwann hörte Darlene Love ihre Stimme aus dem Radio, und zwar da, wo sie gerade irgendjemandes Haus putzte. Natürlich gibt es in "20 Feet From Stardom" auch die
    wunderbaren Anekdoten. Was Wunder, bei einem Trip durch so viele Jahre Musikgeschichte von den 40er, 50er Jahren bis in die Jetztzeit. Und damit wären wir noch einmal bei den Stones und Mick Jagger inklusive der Frage, was "Gimme Shelter" - 1969 auf "Let It Bleed" das erste Mal erschienen - ohne das wäre, was Merry Clayton da im Hintergrund, ja, dazu tat.
    "Wir fanden es toll, wenn eine Frau den Teil über Vergewaltigung und Mord singen würde. Es war mitten in der Nacht. Ich kannte sie nicht. Nur Adam. Sie kreuzte in Lockenwicklern auf. Sie war schon im Bett gewesen. Und sollte diesen anrüchigen Text singen. - Ich sagte, was, Vergewaltigung, Mord? Nur einen Schuss entfernt? Dann sang ich mit Mick. - Sie steckte viel eigenen Ausdruck rein. Genauso sollte es sein."
    Für Filmemacher Morgan Neville sind die afroamerikanischen Background-Sängerinnen allerdings nicht einfach die benutzten Musikarbeiter im zweiten Glied, die gesanglich alles Zeug zum Star gehabt hätten. Denn grandiose Stimmen allein sind noch nicht ausreichende Basis für eine Solokarriere. Bruce Springsteen macht das in "20 Feet From Stardom" deutlich. Es sind eben nicht nur ein paar Schritte von da hinten, vom Background her nach vorne, meint er, es ist viel komplizierter. Du musst dich da vorne wohlfühlen, du musst diesen Narzissmus, dieses Ego haben, ohne den es vorne nicht geht.
    "Wenn du in diesem Geschäft nicht jemanden findest, der dich so versteht, so erkennt, wie du bist, dann kannst du ein noch so toller Sänger sein, aber der nächste Schritt zum Star, der klappt nicht."
    "Manche wollen einfach singen, anstatt berühmt zu werden"
    Meint Bruce Springsteen im Film. Bestes Beispiel, Lisa Fischer, deren Geschichte Morgan Neville ausführlich erzählt. Lisa Fischer, das ist die schwarze Sängerin, die seit 1989 bei jeder Stones-Tournee dabei ist und mit Mick Jagger zusammen "Gimme Shelter" singt, so, dass man den Atem anhält oder wahlweise den Mund nicht zu bekommt. Lisa Fischer hat eine kurze Solo-Karriere gemacht, gewann einen Grammy Award für die beste weibliche R&B-Sängerin, arbeitete u. a. mit Sting, Tina Turner zusammen, aber sie sagt nach all den Jahren im Geschäft:
    "Es gibt Leute, die wollen unbedingt berühmt sein. Andere wollen einfach singen, mit anderen in diesen einzigartigen Raum der Musik eintauchen. Das ist das Größte."
    Das Schöne an diesem Film "20 Feet from Stardom" von Morgan Neville: Er macht nicht nur Lisa Fischer, sondern auch die anderen nicht zu Opfern eines bösen Geschäftes, das übel ist, aber nicht nur. Und dann kommen sie am Ende natürlich alle zusammen, diese schwarzen Stimmen, hervor aus dem Background und legen richtig los.