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20 Jahre Bologna-Prozess
Chancen auf Berufseinstieg für Absolventen umstritten

Zu praxisfern und zu wenig anerkannt - das sind die Hauptkritikpunkte am Bachelor: Absolventen fühlen sich in einigen Fächern nicht ausreichend für den Berufseinstieg vorbereitet, manche Unternehmen misstrauen dem Abschluss. Doch es gibt auch positive Bilanzen.

Von Philip Banse |
    Studentinnen und Studenten sitzen im Hörsaal einer Universität.
    Nur 12 Prozent der Studierenden wollen einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages zufolge nach dem Bachelor in den Job gehen, die große Mehrheit plant den Master (imago/Future Image)
    Felix Dietz arbeitet in einer Erziehungsberatungsstelle in München. Er ist Sozialpädagoge, hat also soziale Arbeit studiert, auf Bachelor.
    " Genau, das ist der Standardabschluss. Es gibt dann natürlich noch mal so Leute, die sich spezialisieren, die dann in Richtung akademische Karriere gehen, dafür braucht man schon einen Master, oder Leute, die ins Management gehen wollen, die machen dann auch noch mal einen Master, aber der normale Sozialpädagoge, das ist ein Bachelor-Abschluss."
    Misstrauen in den Bachelor
    20 Jahre nach Einführung ist der Bachelor in Hochschuldeutschland etabliert, hat aber nicht nur Freunde. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat eine Umfrage veröffentlicht. Demnach wachse das Misstrauen in den Bachelor seit Jahren - bei Unternehmen und Studierenden. Nur 12 Prozent der Studierenden wollten nach dem Bachelor in den Job gehen, die große Mehrheit plane den Master. Auch über die Hälfte der befragten Unternehmen sei vom Bachelor enttäuscht - zu praxisfern, lautet die Hauptkritik.
    Dagegen ist Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, mit den Bachelor-Absolventen zufrieden: "Rein faktisch, wenn man die Einstellungspraxis der Unternehmen betrachtet, dann hat das ganz gut geklappt."
    Noch zu wenige Auslandsstudierende
    Das Ziel des Bachelor-Systems war: Uni-Absolventen sollten jünger werden und öfter im Ausland studieren. "Beide Ziele sind ein gutes Stück weit erreicht", sagt Michael Stahl vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Für Bertram Brossardt von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft studieren dennoch zu wenig im Ausland:
    "Hier müssen die Anrechnungsverfahren, die gegenseitigen, noch verbessert werden, hier müssen die Informationen für die Studierenden noch verbessert werden."
    Gute Chancen auf Berufseinstieg in BWL
    Ob der Bachelor als Hochschulabschluss für den Berufseinstieg funktioniert, scheint auch stark vom Fach abzuhängen. "Von den Rückmeldungen der Studierenden weiß ich, dass wer in der Betriebswirtschaftslehre direkt in den Beruf einsteigt, dort auch gute Chancen hat."
    Maria-Christina Nimmerfroh unterrichtet an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Bachelorstudierenden in Wirtschaftspsychologie und BWL. Schlüssel sei das mehrmonatige verpflichtende Praxissemester.
    "Aus diesem Praxissemester bekommen viele Studierende Anregungen für ihren Beruf und auch eine Reihe von Studierenden wird direkt aus dem Praxissemester für den späteren Job rekrutiert."
    Für Physik und Biologie nicht ausreichend
    Schwieriger hat es der Bachelor in den Naturwissenschaften. "In der Physik arbeitet niemand mit einem Bachelor." Severin Bang studiert in Freiburg Physik - natürlich auf Master und er will auf jeden Fall promovieren. Nach dem bundesweit sehr einheitlichen Physik-Bachelor hätten Studierende gerade mal das absolute Basiswissen zusammen.
    Wenn es darum geht, Physik zu machen, also in dem Fach zu bleiben, ist dieser Bachelor für den Berufsalltag absolut wertlos. "Mein BA-Abschluss wird akzeptiert, aber man hat damit nicht so viele Möglichkeiten."
    Florian Kraus hat an der Uni Würzburg den Bachelor in Biologie gemacht. Damit könne er allenfalls als Laborkraft oder Pharmareferent arbeiten, sagt er. Deswegen macht er jetzt noch seinen Master in Bioinformatik. Dem Bachelor fehle auch in der Biologie die Praxisnähe: "Ansonsten hat man nach dem Studium viel Wissen, kann aber natürlich wenig praktisch umsetzen."
    Bachelor-Absolventen gelten als lernwilliger
    "Ich glaube schon, dass der Bachelor als berufsvorbereitender Hochschulabschluss taugt", sagt Unternehmensberater Ivo Huffer von der Berliner Agentur Si2H, die Startups und Online-Händler berät. Er schätzt an Bachelor-Absolventen, dass sie nicht mit überzogenen Gehaltsvorstellungen ankommen und oft viel lernwilliger seien als Master-Absolventen.
    "Vielleicht ist es für einen Bachelor-Studenten eher sinnvoll, ein, zwei Jahre zu arbeiten oder ein Trainee-Programm zu machen, dann vielleicht noch mal einen Master zu machen, auf jeden Fall Erfahrungen zu sammeln. Denn wenn man in einen anspruchsvolleren Job gehen will, braucht man Erfahrung, und ich glaube nicht, dass man die mit Anfang 20 und drei Jahren an der Uni schon hat."
    Arbeiten und nebenbei den Master, das klappe noch nicht so gut, sagt Michael Stahl vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall:
    "Das hat sich noch so richtig durchgesetzt, da müssen die Hochschulen noch bessere Angebote machen, denn heute geschieht das weitgehend konsekutiv, man macht erst den Bachelor und dann direkt den Master."
    Bachelos-Abschluss hat weniger gutes Image
    Unternehmensberater Huffer sagt jedoch auch, ob Bachelor-Absolventen eingestellt werden, hänge mitunter vom Hintergrund der Arbeitgeber ab: Käme die Führungsriege von Elite-Unis, könnten die mit Bachelor-Abschlüssen nicht viel anfangen. Ähnliche sozial-psychologische Effekte beobachtet Felix Dietz, der Sozialpädagoge mit Bachelor aus der Erziehungsberatungsstelle in München:
    "Mein bester Freund ist Mathematiker, der sagt: Bachelor ist gar nichts wert. Auch bei Klienten, die sehen auf meiner Visitenkarte 'Bachelor' und sagen, ja,ok ... Ich habe manchmal das Gefühl, dass man nicht so ganz für voll genommen wird, und das finde ich schade, weil das ja nicht stimmt."