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20 Jahre Bologna-Reformen
Gut, aber noch nicht gut genug

Vor 20 Jahren begann der Bologna-Prozess mit dem Ziel, den europäischen Hochschulraum zu vereinheitlichen. Bei den offiziellen Jubiläumsfeiern in Bologna ziehen die meisten Anwesenden eine positive Bilanz. Klar ist aber, dass der Prozess für die Zukunft neue Impulse braucht.

Von Karl Hoffmann |
An der Universität in Leipzig sitzen Lehramts-Studenten des ersten Semesters in einer Vorlesung.
Europaweit einheitliche Studiengänge und -abschlüssen und eine größere internationale Mobilität der Studierenden – die Ziele des Bologna-Prozesses sind bisher nur zum Teil erreicht worden. (dpa/Waltraud Grubitzsch)
Ein auch für Bologna ungewöhnliches Schauspiel: 200 Rektoren aus aller Welt in ihren reichgeschmückten Talaren schritten in brütender Hitze über die Piazza Maggiore von Bologna. Eine Prozession zu Ehren des Bologna-Prozesses, von dem inzwischen Millionen Studenten profitieren, wenn auch so manche das nicht so genau wissen, wie etwa die Studentin Francesca in der staunenden Menge:
"Ich hatte davon bisher noch nie gehört. Aber es scheint eine wichtige Sache zu sein in der heutigen Zeit."
Spätestens beim Wort "Erasmus" geht auch ihr ein Licht auf:
"Die Möglichkeit zu haben, im Ausland zu studieren und die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen, ist unverzichtbar."
"Nicht von außen oktroyiert"
Der Prozess , der vor 20 Jahren hier in Bologna seinen Anfang nahm, zielt auf die Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraums. Mit gegenseitig anerkannten Abschlüssen, Möglichkeiten, sich an verschiedenen Orten in Europa zu bilden und Arbeit zu finden über die Grenzen des eigenen Landes hinaus. Eine Erfolgsstory, sagt Karin Amos, Korektorin für Studium und Lehre an der Uni Tübingen:
"Jetzt nach 20 Jahren würde ich sagen, der Prozess ist angekommen und die Universitäten haben auch verstanden, dass das nicht von außen oktroyiert ist - bei allem Schimpfen über die Verschulung - dass der Prozess auch gerade mit den Studenten gestaltet und den Studierenden wirklich viel gebracht hat."
Bachelor und Master sind inzwischen die gängigen Studienformate, die die Studenten auf vielen Wegen ansteuern können, sagt Sylvia Heuchemer, Vizepräsidentin der Technischen Hochschule in Köln:
"Es hat uns vor allem an Fachhochschulen viel gebracht. Einführung von Bachelor und Masterstudiengängen waren für uns was besonderes und wirklich eine einmalige Chance."
Und nicht zu vergessen : der Bologna Prozess habe auch eine wichtige politische Dimension.
Auch Francesco Ubertini, Rektor der Uni in Bologna, gibt sich zufrieden mit dem Bologna Prozess. Er kritisiert allerdings, dass es viel zu langsam gehe:
"Die automatische Anerkennung der Studienabschlüsse gibt es noch nicht, die Mobilität der Studenten ist noch nicht die Regel, die europäische Studentencharta ist auch noch nicht eingeführt, deshalb braucht es jetzt nach 20 Jahren dringend einen neuen Schub nach vorne."
"Bildung nicht nur als Mittel, um einen guten Job zu bekommen"
In Bologna ist eine neue universelle Charta der Universitäten bereits in Arbeit. Im nächsten Jahr sollen die Minister der 48 Teilnehmerstaaten den Prozess modernisieren und weiter vorantreiben. Heute wurde in Bologna noch einmal diskutiert. Unter anderem über immer noch fehlende soziale Gerechtigkeit. Ex Rektor Fabio Roversi Monaco, einer der Gründerväter:
"Der Bologna Prozess nützt bisher vor allem den Studenten aus besseren Kreisen, ich sage nicht allein der Reichen. Aber für die Ärmeren ist es viel schwerer, sich in den neuen Berufen durchzusetzen oder im Ausland zu studieren."
Und schließlich geht es auch um die grundsätzliche Frage: lernen wozu? Der junge Professor Teun Deckker von der Uni Maastricht fordert eine Rückkehr zu den Wurzeln:
"Was wir brauchen, ist ein uraltes Prinzip. Deswegen sind wir ja hier in Bologna, wo diese uralte Tradition gepflegt wird: eine höhere Bildung nicht nur als Mittel, um einen guten Job zu bekommen, sondern auch als ein Mittel der Sozialisierung und nach höheren Bildungsidealen zu streben – Ideale, die sich in den letzten 50 Jahren verwischt haben. Die Herausforderung für die Zukunft ist, sie wieder zu entdecken."