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20 Jahre Grünes Band am innerdeutschen Grenzstreifen

Es ist ein Naturschutzgebiet mit zwiespältiger Vergangenheit: das Grüne Band. Dort wo die ehemalige streng gesicherte innerdeutsche Grenze verlief, erstreckt sich heute ein wertvolles Biotop von Tier und Pflanzenarten, die im restlichen Deutschland als bedroht und an manchen Orten als ausgestorben galten.

Von Annegret Faber |
    Wir befinden uns noch auf bayrischer Seite und wenn wir ein paar Schritte vorgehen, dann laufen wir in das Grüne Band hinein.

    Wiese, so weit das Auge blickt, durchbrochen von Blumen, Kräutern, Büschen. Weiter hinten bewaldete Hügel. Karin Kowol vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND steht im Naturschutzgebiet Milzgrund. Hier verläuft die Grenze zwischen Bayern und Thüringen. Ein Stück Land, das ab dem Bau der Mauer, 1961, für Menschen unzugänglich war. Zwei Grenztürme, circa 20 Meter hoch, gemauert und verputzt, sind letzte Zeugen des Todesstreifens.

    "In dem Turm, der jetzt gleich hier im Milzgrund ist, da war wohl zwischenzeitlich die Schleiereule drin und einer von den Türmen ist spezielle für Fledermäuse aufgepeppt wurden."

    Zwei Reihen Betonplatten, ehemals für Grenzfahrzeuge und Grenzer gemacht, schlängeln sich beständig durch die abgeschiedene Wiesen- und Waldlandschaft. Orchideen wachsen zwischen den Platten. Die Heilpflanze Arnika blüht auf den Wiesen. Pflanzenarten, die auf der Roten Liste stehen und vom Aussterben bedroht sind. Auch seltene Vogelarten sind hier noch zu finden. Auf bayrischer Seite wurde das schnell bemerkt. Schon seit den 1970er-Jahren lauschten Ornithologen erstaunt in Richtung Grenzgebiet.

    "Die haben festgestellt, dass sie genau entlang im Grenzbereich die ganzen, seltenen Vögel gehört haben."

    Schwarzstorch, Braunkehlchen, Neuntöter, Wasseramsel und der Kranich. Sie alle leben hier. Auch die Wildkatze nutzt das Band, um ungehindert zu wandern. 1200 bedrohte Tier und Pflanzenarten wurden im Grünen Band entdeckt, so eine Kartierung des BUND aus dem Jahr 2007. Von der Fläche her kaum von Bedeutung, sagt Dr. Reinhard Klenke, Umweltforscher am Helmholtzzentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig.
    "Und der eigentliche Streifen, der zu den Grenzanlagen gehört, der ist ganz schmal und bewegt sich im Bereich zwischen 50 und 200 Metern Breite. Das ist eine Fläche von ungefähr 177 Quadratkilometer."

    177 Quadratkilometer. Das sind gerade mal 0,028 Prozent der gesamten Fläche Deutschlands. Heute wird zudem auf einem guten Zehntel des ehemaligen Grenzstreifens Landwirtschaft betrieben. 450 Straßen queren das Band, darunter 5 Autobahnen.

    "Es gibt Lücken im Grünen Band, die bis zu sieben Kilometer lang sein können."

    Trotzdem. Das Grüne Band ist wichtig, sagen Naturschützer. 16 Prozent der Fläche wurden als Lebensraumtyp von europäischer Bedeutung ausgewiesen, knapp ein Drittel zudem als Naturschutzgebiet gesetzlich geschützt. Es ist das längste Biotopverbundsystem Mitteleuropas. Und genau da liege der Vorteil, sagt Umweltforscher Reinhard Klenke. Denn der Hauptgrund für den Artenrückgang ist die Zerschneidung der Natur. Im Grünen Band können Tiere noch ungehindert von einem Biotop zum nächsten wandern. Ebenso können sich Pflanzen besser ausbreiten. Karin Kowol vom BUND.

    "Biotopverbund und Biodiversität ist beides ein Ziel, was sich Europa, aber auch Deutschland auf die Fahnen geschrieben hat und es gibt ja Projekte, die explizit versuchen Biotopverbundstrukturen herzustellen. Da kann man sagen, so etwas wie das Grüne Band, das könnte man gar nicht so schnell herstellen. Es ist aber tatsächlich wichtig für den Artenaustausch und den Erhalt der Artenvielfalt."

    Ortswechsel. Von Thüringen nach Sachsen Anhalt. Ernst Paul Dörfler, Elbeexperte beim BUND sitzt in einem Schlauchboot und fährt am Flusskilometer 473 vorbei. Ab hier diente die Elbe als Grenzfluss. 89 Kilometer Wasser und Auenlandschaften zwischen den ehemaligen britischen und der sowjetischen Besatzungszonen. Mittendrin Eisvogel, Seeadler, Fischotter, seltene Libellenarten; auch noch über 20 Jahre nach der Maueröffnung.

    "Ach da, jaja, genau Bachstelze, man sieht es am schwarzen Latz, und an der Art zu laufen. Dort könnte auch der Flussregenpfeifer sein. Ja, das sind Tierarten, Bachstelze, Flussregenpfeifer und Flussuferläufer, die sonst kaum noch Lebensraum haben."

    Rot-Grün hat das Grüne Band zum Nationalen Naturerbe erklärt – ein Status ohne Schutzmechanismen. Bundesumweltminister Siegmar Gabriel wollte das Grüne Band als Nationales Naturmonument ausweisen. Das sind Gebiete, die wissenschaftlich, naturhistorisch oder kulturell von Bedeutung sind, bei dem die Ökologie aber nicht im Fordergrund steht. Momentan wird noch geprüft, ob dieser Titel für das Grüne Band berechtigt wäre. Und während das Bundesfinanzministerium Land aus dem Grünen Band verkaufen und wirtschaftlich nutzen will, hält das Bundesumweltministerium dagegen.

    Trotz all der Querelen wurde in diesem Jahr ein wichtiges Ziel umgesetzt. Alle bundeseigenen Flächen, das sind immerhin 50 Prozent, wurden an die Länder übergeben. Die sollen das Land unter Naturschutz stellen. Denn Umweltschutz ist Ländersache. Langfristiges Ziel sei es, das gesamte Grüne Band unter Schutz zu stellen und wirtschaftlich Flächen zurück zu kaufen, so Liana Geidezis vom BUND: für den Artenschutz in Deutschland und als Mahnmal der jüngeren deutschen Geschichte soll dieses Stück Natur erhalten bleiben.