Archiv

20 Jahre Schuldenuhr
Mahnung oder Populismus?

Eine Reihe 13 rot leuchtender Ziffern, an deren Ende es unaufhörlich tickert: Die Schuldenuhr in Berlin - nach wie vor das PR-Instrument Nummer eins vom Bund der Steuerzahler - wird heute 20 Jahre alt. Und auch wenn das, was sie anzeigt, eigentlich nicht sehr positiv ist, steht die Uhr bei Berlin-Touristen hoch im Kurs.

Von Daniela Siebert |
    Das Foto vom 18.01.2013 in Berlin zeigt die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler in Berlin.
    Die Schuldenuhr - bei Touristen beliebt, in den Augen vieler Statistiker allerdings keine objektive Maßnahme. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Die Französische Straße in Berlin-Mitte. Hier tickt sie, die Schuldenuhr, die der Bund der Steuerzahler vor 20 Jahren installiert hat, damals noch in Wiesbaden. Jetzt prangt die digitale Anzeige mit den roten Ziffern direkt über der Eingangstür zu einem mehrstöckigen Büro-Gebäude in der viel befahrenen Berliner Seitenstraße. Heute parkt hier auch ein riesiger Umzugslaster, Hunderte Pappkartons stehen ringsum. Einer der Umzugshelfer versucht, die Zahlenzeile abzulesen.
    "Also: Zwei, Null, Fünf, Null, Vier, Eins, Fünf, Neun, Drei, Neun, Vier, und so weiter..."
    Gar nicht so einfach, die lange Zeile mit den roten Ziffern in Worte zu fassen, zumal sich die hintersten drei Zahlen ständig ändern. Sein Kollege versucht es auch.
    "Zwei Millionen, 50 Milliarden, 415 Millionen ja und 94 tausend blablablabla. Unvorstellbar, würde ich mal sagen, mit der Zahl kann ich garnichts anfangen, so viel ist das."
    Beim Bund der Steuerzahler sieht man das Geburtstagskind – die Schuldenuhr -als Erfolg. Ziel sei es gewesen, die Politik vom weiteren Schuldenmachen abzuhalten und die Bürger für das Thema zu interessieren, sagt Sebastian Panknin, Leiter der Abteilung Haushalts- und Finanzpolitik.
    "Vorher, vor 1995, war es so: Die Politik hat neue Ausgaben beschlossen, der Schuldenberg ist weiter angestiegen, die Bürger hat das gar nicht weiter interessiert, die haben das auch nicht mitbekommen. Weil wer beschäftigt sich schon mit einem komplexen öffentlichen Haushalt, das sind Werke von Tausenden Seiten. Seit 2009 steht die Schuldenbremse im Grundgesetz und man sieht auch in den letzten Jahren mit den rückgehenden Zuwächsen beim Anstieg des Schuldenberges, dass die Schuldenuhr sehr wohl Wirkung erzielt, vor allem bei der Politik."
    Viele Statistiker betrachten die Schuldenuhr kritisch
    Zwar habe sich die Verschuldung in den letzten 20 Jahren verdoppelt, doch der Schuldenberg wachse nicht mehr so schnell, fasst Panknin zusammen. Die Schuldenuhr in Berlin läuft also deutlich langsamer als früher. Den Trend zu gesetzlich verankerten Schuldenbremsen – auch in mehreren Länderverfassungen - verbucht der Bund der Steuerzahler ganz klar auf der Habenseite. Doch es gebe noch weitere Ziele. Die schwarze Null im derzeitigen Bundeshaushalt von Finanzminister Wolfgang Schäuble sei zwar erfreulich, aber:
    "Der Weg muss weitergehen. Ein Schuldenstopp ist der erste Schritt, der zweite Schritt muss sein, diesen großen Schuldenberg von 2.000 Milliarden, den wir alle Bürger quasi an der Backe haben und den wir finanzieren müssen, der muss abgetragen werden, Schritt für Schritt, substanziell."
    Würde man alle öffentlichen Schulden einrechnen, etwa die für Flughäfen und Spaßbäder, betrage der Schuldenberg außerdem deutlich mehr, nämlich 2,6 Billionen Euro. Unter Statistikern sehen viele die Schuldenuhr ohnehin kritisch, weil sich eine objektive Zahl zur Staatsverschuldung kaum ermitteln lasse. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema als ein Ziel der Schuldenuhr ist ganz sicher erreicht, sagt Sebastian Panknin. Denn sie sei eine echte Touristenattraktion.
    "Es gibt sehr viele Schülergruppen, sehr viele Touristen, die vor der Schuldenuhr hier stehenbleiben, ihre Fotos machen, Fragen stellen dazu und selbst die Abgeordneten, die haben ja auch ihrer Besuchergruppen und die Busse mit den vollen Besuchergruppen aus Baden-Württemberg, aus Mecklenburg-Vorpommern, fahren hier regelmäßig vorbei und halten an der Schuldenuhr."
    Ausgerechnet heute steht dem massenhaften Souvenirfoto allerdings der Umzugslaster im Weg. Dafür kommt zufällig eine Steuerbeamtin vorbeigelaufen, die fast ohne Probleme die gigantische Zahl lesen kann:
    "Zwei Billionen, 50 Milliarden, 415 Millionen, 959 Tausend, 5.700, 800 so schnell kann ich nicht lesen."
    Diese hohe Staatsverschuldung müsse runter zugunsten der kommenden Generationen, findet sie. Das sei zwar mühsam, sei aber in Arbeit.