"Es gibt auch Momente, da komm ich hier hin und denke, oh Gott, jetzt bist du immer noch hier, aber es gibt auch Momente, wo ich denke, geil, du kannst hier immer noch sein", sagt Christian, 26. Semester Geschichtswissenschaft und Soziologie. Seinen Nachnamen möchte Christian lieber nicht im Radio hören.
Auch ihm ist klar, dass 26 Semester selbst mit einem Fachwechsel ziemlich viele sind. Die Universität war für ihn lange Nebensache. Das ist sie inzwischen nicht mehr, das Studium allerdings schon. Christian arbeitet viel, er gibt Tutorien, engagiert sich.
"Wenn ich nicht so arm wäre, dann würde ich mir vielleicht nie ne andere Stelle suchen, aber die Uni hat da ja auch schon Regeln getroffen, dass man das nicht machen kann. Also ich könnte ja nicht bis ich 50 werde hier 'ne Hilfskraftstelle haben. Das ist ja auch nicht erstrebenswert. Aber so vom Prinzip wäre das halt so ne Utopie vielleicht: Man arbeitet nicht schwer, man arbeitet aber irgendwie in einer Einrichtung, wo es cool ist."
Auch ihm ist klar, dass 26 Semester selbst mit einem Fachwechsel ziemlich viele sind. Die Universität war für ihn lange Nebensache. Das ist sie inzwischen nicht mehr, das Studium allerdings schon. Christian arbeitet viel, er gibt Tutorien, engagiert sich.
"Wenn ich nicht so arm wäre, dann würde ich mir vielleicht nie ne andere Stelle suchen, aber die Uni hat da ja auch schon Regeln getroffen, dass man das nicht machen kann. Also ich könnte ja nicht bis ich 50 werde hier 'ne Hilfskraftstelle haben. Das ist ja auch nicht erstrebenswert. Aber so vom Prinzip wäre das halt so ne Utopie vielleicht: Man arbeitet nicht schwer, man arbeitet aber irgendwie in einer Einrichtung, wo es cool ist."
Ein Zehntel der Studierenden in NRW braucht über 20 Semester
Um aus einem seiner vielen Nebenjobs nach dem Abschluss endlich einen Beruf machen zu können, nimmt Christian jetzt doch seine Bachelorarbeit in Angriff. Danach noch Master und Doktor anzuschließen, um an der Universität bleiben zu können, das kommt für ihn nicht in Frage.
"Wenn mich einer fragt, warum ich nicht promoviere, könnte ich auch einfach sagen, weil ich einfach Scheiße zu lang gebraucht hab."
Christian ist einer von über 74.000 Studierenden in Nordrhein-Westfalen, die 20 oder mehr Hochschulsemester hinter sich haben. Das steht in der neusten NRW-Hochschulstatistik aus dem Wintersemester 2016/2017. Und diese Zahl ist gewaltig: Die Gruppe macht knapp zehn Prozent aller Studierenden im Bundesland aus.
Von "Langzeit" ist in der Statistik übrigens keine Rede. Wohl aber in einer Anfrage der AfD an den Landtag in Düsseldorf. Die wollte kürzlich unter dem Betreff "Langzeitstudenten in NRW" unter anderem wissen, wie groß der Anteil der Studierenden mit 20 oder mehr Hochschulsemestern ist und hat damit das Thema zur Diskussion gebracht.
"Wenn mich einer fragt, warum ich nicht promoviere, könnte ich auch einfach sagen, weil ich einfach Scheiße zu lang gebraucht hab."
Christian ist einer von über 74.000 Studierenden in Nordrhein-Westfalen, die 20 oder mehr Hochschulsemester hinter sich haben. Das steht in der neusten NRW-Hochschulstatistik aus dem Wintersemester 2016/2017. Und diese Zahl ist gewaltig: Die Gruppe macht knapp zehn Prozent aller Studierenden im Bundesland aus.
Von "Langzeit" ist in der Statistik übrigens keine Rede. Wohl aber in einer Anfrage der AfD an den Landtag in Düsseldorf. Die wollte kürzlich unter dem Betreff "Langzeitstudenten in NRW" unter anderem wissen, wie groß der Anteil der Studierenden mit 20 oder mehr Hochschulsemestern ist und hat damit das Thema zur Diskussion gebracht.
Wer promoviert kommt oft auf über 20 Semester
Es sei wichtig, diese Zahlen richtig einzuordnen, erklärt Gaby Jungnickel. Sie ist Diplompsychologin und arbeitet an einer Beratungsstelle des Kölner Studierendenwerks.
"Nehmen wir mal einen Bachelorstudierenden, der in Regelstudienzeit von sechs Semestern seinen Bachelor macht. Anschließend in Regelstudienzeit von sechs Semester seinen Master macht. Sich dann noch erlaubt, seine Kompetenzen noch in zwei Erasmussemestern im Ausland zu erweitern, dann sind wir schon bei 14 Semestern. Und wenn der Gute dann noch Promoviert, ist der mit 20 als 'Langzeitstudierender' in dieser Statistik - de facto hat er aber ordentlich studiert."
Britta ist ebenfalls an einer NRW-Hochschule eingeschrieben - in welchem Semester allerdings ist sie sich nicht sicher. Mehr als 20 müssten es aber sein, sagt sie. Sie ist Diplom-Kulturwissenschaftlerin und schreibt an ihrer Doktorarbeit.
"Was auch viel zu langsam geklappt hat, ich müsste natürlich schon längst fertig sein, aber irgendwie ging‘s zwischendurch nicht schneller, weil mich andere Sachen beschäftigt haben, beziehungsweise, weil ich gemerkt habe, dass das wie ich's ursprünglich machen wollte, so nicht funktioniert."
"Nehmen wir mal einen Bachelorstudierenden, der in Regelstudienzeit von sechs Semestern seinen Bachelor macht. Anschließend in Regelstudienzeit von sechs Semester seinen Master macht. Sich dann noch erlaubt, seine Kompetenzen noch in zwei Erasmussemestern im Ausland zu erweitern, dann sind wir schon bei 14 Semestern. Und wenn der Gute dann noch Promoviert, ist der mit 20 als 'Langzeitstudierender' in dieser Statistik - de facto hat er aber ordentlich studiert."
Britta ist ebenfalls an einer NRW-Hochschule eingeschrieben - in welchem Semester allerdings ist sie sich nicht sicher. Mehr als 20 müssten es aber sein, sagt sie. Sie ist Diplom-Kulturwissenschaftlerin und schreibt an ihrer Doktorarbeit.
"Was auch viel zu langsam geklappt hat, ich müsste natürlich schon längst fertig sein, aber irgendwie ging‘s zwischendurch nicht schneller, weil mich andere Sachen beschäftigt haben, beziehungsweise, weil ich gemerkt habe, dass das wie ich's ursprünglich machen wollte, so nicht funktioniert."
Promotionsstudentin fühlt sich nicht als Langzeitstudentin
Als Promotionsstudentin taucht sie auch in der Statistik auf. Vielleicht auch noch länger, denn für ihre Dissertation bleibt Britta neben Arbeit und freiwilligem Engagement nicht immer Zeit. Auch Britta will lieber anonym bleiben. Als richtige Langzeitstudentin sieht sie sich trotz ihrer hohen Semesterzahl nicht.
"Ich habe immerhin einen Abschluss, für den ich auch schon länger gebraucht habe, mehr als Regelstudienzeit, aber immerhin keine 20 Semester. Wenn du das dann noch nicht mal geschafft hast, so einen Abschluss zu machen wie einen Bachelor wird es halt irgendwann auch schwierig, auch mit so Rechtfertigungen et cetera."
Solche Langzeitstudierenden wie Christian oder Britta bekommt Gaby Jungnickel in ihrer Beratungsstelle nur selten zu Gesicht.
"Ich hab mal in unsere Statistik geschaut, im vergangenen Jahr bis jetzt aktuell hatten wir hier gerade mal 20 Studierende, auf die diese Definition zutraf. Und das ist weniger als ein Prozent derer, die zu uns kommen. Wenn man rechnet ab zehn Semestern, dann waren es dann schon 200."
"Ich habe immerhin einen Abschluss, für den ich auch schon länger gebraucht habe, mehr als Regelstudienzeit, aber immerhin keine 20 Semester. Wenn du das dann noch nicht mal geschafft hast, so einen Abschluss zu machen wie einen Bachelor wird es halt irgendwann auch schwierig, auch mit so Rechtfertigungen et cetera."
Solche Langzeitstudierenden wie Christian oder Britta bekommt Gaby Jungnickel in ihrer Beratungsstelle nur selten zu Gesicht.
"Ich hab mal in unsere Statistik geschaut, im vergangenen Jahr bis jetzt aktuell hatten wir hier gerade mal 20 Studierende, auf die diese Definition zutraf. Und das ist weniger als ein Prozent derer, die zu uns kommen. Wenn man rechnet ab zehn Semestern, dann waren es dann schon 200."
Finanzierungsprobleme sind häufig ein Grund
Dafür, dass das Studium länger ausfällt als die Regelstudienzeit, kennt Jungnickel vielfältige Gründe: "Das kann eine Erkrankung sein, wir haben sehr viele Studierende mit Kind, Finanzierungsprobleme sind ein ganz häufiger Grund. Und natürlich gibt’s auch immer mal wieder die, die aufs falsche Pferd gesetzt haben und dann schon im höheren Semester, weil sie bisher nicht den Absprung geschafft haben, mit uns überlegen, ob es überhaupt das richtige ist oder ob es eine Alternative zum Studium gibt."
Ein ganz wichtiger Grund fehlt in der Aufzählung, der vermutlich viele Langzeitstudierende eint. Für Christian ist die Universität über die Jahre zum zweiten Zuhause geworden.
"Es ist halt auch irgendwie Lebenszeit, die natürlich verschwendet wirkt auf andere Leute, weil sie nicht so ökonomisch ist, aber man ist ja trotzdem nicht untätig und lernt nichts. Das hab ich auch immer wieder festgestellt: Ich lerne viel!"
Ein ganz wichtiger Grund fehlt in der Aufzählung, der vermutlich viele Langzeitstudierende eint. Für Christian ist die Universität über die Jahre zum zweiten Zuhause geworden.
"Es ist halt auch irgendwie Lebenszeit, die natürlich verschwendet wirkt auf andere Leute, weil sie nicht so ökonomisch ist, aber man ist ja trotzdem nicht untätig und lernt nichts. Das hab ich auch immer wieder festgestellt: Ich lerne viel!"