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200. Geburtstag von Mathilda Franziska Anneke
Unermüdliche Streiterin für die Rechte der Frauen

Mathilda Franziska Anneke, Tochter aus gutem Hause, sollte eigentlich ihre von der Gesellschaft vorgesehene Rolle als Ehefrau und Mutter ausfüllen. Stattdessen wurde sie Zeitungsherausgeberin, Frauenrechtlerin und Begründerin eines hoch angesehenen Mädcheninternats. Und Revolutionärin. Am 3. April 1817 wurde sie geboren.

Von Anette Schneider |
    Protest am Weltfrauentag in Istanbul.
    Demonstration für Frauenrechte am Weltfrauentag 2017 in Istanbul. (dpa / AP / Emrah Gurel)
    "Warum ... sollte das Weib überhaupt die schweigsame Dulderin sein? Warum noch länger die demütige Magd, die ihrem Herrn die Füße wäscht?", fragte Mathilde Franziska Anneke Anfang 1847 in ihrer Streitschrift "Das Weib im Conflict mit den socialen Verhältnissen", in der sie Frauen aufrief, sich aus ihrer Rechtlosigkeit zu befreien und selbstständig zu denken und zu handeln.
    Die 30-Jährige wusste, was sie da forderte: Am 3. April 1817 als Tochter eines Guts- und Bergwerksbesitzers im heutigen Sprockhövel geboren, hatte sie mit 19 Jahren einen reichen Weinhändler geheiratet, der die in finanziellen Schwierigkeiten steckende Familie vor dem Ruin rettete. Doch der Mann entpuppte sich als gewalttätig. Sie floh, ließ sich scheiden – und stand als bürgerliche Frau, der vor allem beigebracht worden war, wie sie Konversation und eine Familie zu führen hat – vor dem Nichts.
    Teil der Revolution um Marx und Engels
    "Es gilt, ... die Stellung des Weibes innerhalb der Gesellschaft zu vertreten. Es gilt die äußeren Rechte des Weibes gegen die Gewalten dieser Erde offen zu verteidigen." 1839 zog sie nach Münster, wo sie sich und ihre Tochter mit Schreiben über Wasser hielt. Dort lernte sie auch den radikalen Demokraten Fritz Anneke kennen. 1847 gingen sie beide nach Köln, wurden Teil der revolutionären Bewegung um Karl Marx und Friedrich Engels und die geschmähte Tochter aus großbürgerlichem Hause schrieb nun für liberale Zeitungen über die Märzrevolution - und gründete im Sommer 1848 die "Neue Kölnische Zeitung".
    "Die alte Kölnische Zeitung ist eine Zeitung des Geldsacks; denn dem arbeitenden Volk ist sie von jeher feindlich gewesen. ... Dagegen will die Neue Kölnische Zeitung die Vernichtung der Herrschaft des Geldsacks und die gründliche, gründliche Verbesserung der ganzen Lebenslage des arbeitenden Volkes."
    Als die Zeitung im Juni 1849 endgültig von der Zensur verboten wurde, flüchtete sie zu ihrem Mann in den Badischen Revolutionskrieg, wo sie als sein "berittener Bursche" arbeitete. "Ein sehr nettes Pferdchen war mir bald vom Hauptquartier zugeteilt. ... Und so bin ich denn auf dem vier Wochen langen Zug in manchem Kugelregen ... gewesen, ohne von einer Kugel getroffen zu sein", schrieb sie an eine Freundin, kurz nachdem preußische Truppen die Revolution niedergeschlagen hatten.
    Flucht nach Milwaukee
    Dann floh sie mit hunderttausenden politisch Verfolgter in die USA. 1850 erreichte sie Milwaukee, wo viele Deutsche lebten. Sie hielt Vorträge und schrieb Artikel über deutsche Politik und Literatur, nahm Kontakt auf zur Frauenbewegung, gründete 1852 die "Deutsche Frauenzeitung", und ... "Im Juni desselben Jahres trat ich meine Agitationsreise durch einen Teil der Vereinigten Staaten an, sprach in öffentlichen Versammlungen über die Erhebung des Weibes, verlangte die soziale Verbesserung ihrer Stellung, Recht auf Arbeit und vor allem das politische Stimmrecht. Ich versuchte eine Organisation unter den deutschen Frauen herzustellen ... und bot meine Zeitung als deren Organ an."
    Ernüchtert hielt sie ein Jahr später auf einer zentralen Frauenrechtsversammlung in New York eine Rede über die Lage der Frauen in den USA: Verstand sich das Land nicht als demokratisch? Wieso waren die Frauen dann rechtlos? "Als ich ... hierher kam, erwartete ich, jene Freiheit zu finden, die uns zu Hause versagt ist. ... Hier endlich sollte es uns gestattet sein, unsere Meinung zu allen Fragen zum Ausdruck zu bringen. Und doch, es scheint, nicht einmal hier gibt es die Freiheit, Menschenrechte zu fordern."
    Gründung des Milwaukee-Internats
    1860 zog Anneke mit ihrer Freundin, der Schriftstellerin Mary Booth, in die Schweiz, wo sie zahlreiche, damals sehr beliebte, Trivialgeschichten gegen die Sklaverei schrieb.
    Als sie einige Jahre später in die USA zurückkehrte, gründete sie das "Milwaukee-Töchter-Institut". Das erfolgreiche Internat wollte durch praxisbezogenen Unterricht auch in Naturwissenschaften und Rhetorik zu eben dem selbstständigen Denken und Handeln befähigen, das Anneke bereits 1847 in ihrer Streitschrift gefordert hatte.
    Weiterhin kämpfte sie auch für die Rechte der Frauen und war Mitbegründerin der Suffragettenbewegung. Als Mathilde Franziska Anneke nach jahrelanger Krankheit 1884 starb, schrieb der "Milwaukee Herold": "Sie war eine der gebildetsten, begabtesten und edelsten Frauen, obgleich die Welt, wir wollen hoffen, ihre unpraktischen Grundsätze bezüglich der Gleichstellung der Frauen, niemals anerkennen wird!"