Stürme des Meeres und der Liebe, familiäre Debakel und geheimnisvolle Ängste wurden unter der Feder dieses deutschen Dichters zu schönen Versen und kunstvoll gestalteten Erzählungen. Ob "Schimmelreiter", "Immensee" oder "Pole Poppenspäler", ob Heimat-, Liebes- oder Heidelyrik - der scheinbar so behaglichen Welt Theodor Storms ist über Jahrzehnte kein deutscher Gymnasiast entkommen.
"Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt."
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt."
In der grauen Stadt am Meer, im nordfriesischen Husum, kam Theodor Storm am 14. September 1817 zur Welt. Der Sohn eines angesehenen Rechtsanwalts überraschte seine Eltern früh mit kleinen Reimen und führte Puppentheaterstücke in der Wohnstube auf. Über die Gründe für das liebevolle Verständnis, das er von seiner Mutter erfuhr, dachte der fantasievolle und zugleich ängstliche Knabe lange nach.
"Und als ich ... grübelte, hatte ich es endlich herausgefunden: meine Mutter wollte mich ermorden! Ein Entsetzen überfiel mich ..."
Richter und Poet im Einklang
Die Familientradition verlangte, dass Theodor Storm etwas "Ordentliches" lernte. So studierte er Jura, wurde Rechtsanwalt und dann Richter. Sein Hang zu gelegentlicher Widerspenstigkeit brachte es mit sich, dass er ein gutes Jahrzehnt seines Lebens außerhalb seiner Heimat, in Potsdam und im thüringischen Heiligenstadt, amtieren musste. So richtig abgenutzt hat er sich im Richterdienst eher nicht - jedenfalls fand er freie Stunden genug, seinen schönen Tenor zu pflegen, Chöre zu dirigieren und Vers für Vers, Novelle um Novelle zu Papier zu bringen:
"Mein richterlicher und poetischer Beruf sind meistens in gutem Einklang gewesen."
Der Eindruck angepasster Behaglichkeit, der sich mit Storms Namen so gern verbindet, trügt. Storm war keiner, der es sich leicht machte, sonst wäre er nicht bekennender Atheist gewesen. Er war auch kein Glückspilz. Seine erste Frau starb mit 40 Jahren am Kindbettfieber. Seine zweite Frau war niemand anders als die Geliebte seiner frühen Ehejahre. Acht Kinder hatte er und um die meisten von ihnen war er bis zu seinem Tod in so komplizierten Sorgen, dass man Romane damit füllen könnte. Storm waren auch die Freuden und die Abgründe der Erotik keineswegs fremd. Mit 19 Jahren verliebte er sich unsterblich in ein zehnjähriges Mädchen - und plötzlich ahnen wir, warum dem Dichter immer wieder so eindrucksvolle Schilderungen gerade auch der Kinderliebe gelingen.
Geschichten und Gedichte von Aktualität
"Du bist so ein kleines Mädchen,
Und hast schon so helle Augen,
Du bist so ein kleines Mädchen
Und hast schon so rothe Lippen."
Und hast schon so helle Augen,
Du bist so ein kleines Mädchen
Und hast schon so rothe Lippen."
In vielen der mit altväterlicher Gebärde erzählten Geschichten und Gedichten Theodor Storms lauern tragische Konstellationen, die nichts an Aktualität eingebüßt haben. Sterbehilfe und Inzest, Trunksucht und Niedergang von Familien - auch ernüchternde politische Einsichten sind zu finden, wenn zum Beispiel im "Schimmelreiter" das Volk lieber den boshaften und absurden Erfindungen eines vitalen Rüpels als dem technischen Sachverstand des klugen Deichgrafen Hauke Haien traut - die abergläubischen Bauern bevorzugen "fake news" und besiegeln damit die Flutkatastrophe. Am Schluss der Erzählung resümiert der Erzähler:
"Einen Gewaltsmenschen ... zum Heiligen oder einen tüchtigen Kerl .... zum Spuk und Nachtgespenst zu machen - das geht noch alle Tage."
Bruder erklärte ihn für gesund
Den "Schimmelreiter" vollendete Storm im Februar 1888, wenige Monate vor seinem Tod. 1886 war er an Krebs erkrankt. Als ihn die Todesangst zu lähmen begann, veranstaltete sein Arzt, der zugleich sein Bruder war, eine bombastische Scheinuntersuchung und erklärte den Patienten für kerngesund. Das beflügelte den Dichter dermaßen, dass er in wenigen Monaten den "Schimmelreiter" zu Papier brachte. Am 4. Juli 1888 starb Theodor Storm. Ein Vierteljahrhundert vorher hatte er geschrieben:
"Auch bleib der Priester meinem Grabe fern;
Zwar sind es Worte, die der Wind verweht,
Doch will es sich nicht schicken, daß Protest
Gepredigt werde dem, was ich gewesen,
Indes ich ruh im Bann des ew'gen Schweigens."
Zwar sind es Worte, die der Wind verweht,
Doch will es sich nicht schicken, daß Protest
Gepredigt werde dem, was ich gewesen,
Indes ich ruh im Bann des ew'gen Schweigens."