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200 Jahre Fahrrad
Fahrradstau – der neue Schrecken in Kopenhagen

Das Fahrradfahren ist in Dänemark und vor allem in Kopenhagen für viele Menschen schon so selbstverständlich geworden, dass der Platz trotz der meist großzügig angelegten Radwegen knapp wird. Schon werden deshalb Rufe laut, noch mehr Radwege zu bauen und den Autoverkehr weiter einzuschränken.

Von Carsten Schmiester |
    Radfahrer auf einer neuen Fahrrad- und Fußgängerbrücke, Innenhafenbrücke, Butterfly 3-Wege-Brücke, im Hafen von Kopenhagen.
    Radfahrer auf einer neuen Fahrrad- und Fußgängerbrücke in Kopenhagen. (imago / imagebroker / Harald Wenzel)
    So sieht sich Kopenhagen am liebsten: Freundliche bis schwerst verliebte Dänen mal alleine, mal zu zweit fast schon zirkusreif ganz dicht nebeneinander, Hand-in-Hand - auf dem Fahrrad. Das Motto ist klar: "Copenhagen, city of cyclist".
    Kopenhagen, das ist tatsächlich die Stadt der Radfahrer. Also: Nichts wie hin, schnell ein Rad - oder Cykel - gemietet und los. So lernen Sie am besten die Stadt und die Dänen kennen, wird geworben. Und das ist kein leerer Slogan, das ist Realität. Zum Beweis ein paar Fakten, die Dänemarks Pole-Position unter den Radlernationen und die der Hauptstadt als Cykel-Mekka schlechthin belegen:
    Neun von zehn Dänen sind Fahrradfahrer, dagegen gibt es in mehr als 40 Prozent aller Haushalte kein Auto mehr! Jedes Jahr werden eine Millionen nagelneuer Räder verkauft und dann auf landesweit rund 12.000 Kilometern bestens ausgebauter Fahrradwege ordentlich benutzt. Die Sache hat in Kopenhagen eine lange Tradition, sagt Frits Bredal. Er ist beim dänischen Fahrradverband für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.
    Ein großes Auto ist kein Zeichen für Erfolg
    "Während der 1970er-Jahre, also während der Ölkrise, war es ja verboten, sonntags Auto zu fahren. Außerdem war es sehr teuer, das Auto zu benutzen wegen der hohen Benzinkosten. Deshalb haben die Leute hier darauf bestanden, dass man ihnen das Fahrradfahren so leicht wie möglich macht."
    Und das ist wirklich passiert – Radeln in der Hauptstadt ist heute einfacher und beliebter denn je.
    "Es ist sehr in Mode gekommen, mit dem Fahrrad zu fahren hier in Kopenhagen. Denn es ist uncool, in einem großen Auto irgendwo anzukommen. Es gilt nicht mehr als Zeichen dafür, dass man erfolgreich ist oder reich, sondern einfach nur faul."
    Der Fahrradstau als neuer Schrecken
    Die Folge: In Kopenhagen hat sich ums Rad eine komplette Industrie gebildet mit Designern, Stadt und Verkehrsplanern. Es gibt Straßen nur für Fahrräder, auch Brücken natürlich und sogar eine exklusive "grüne Welle". Clotilde Imbert, Stadtplanerin bei "Copenhagenize Design", erklärt, wie die funktioniert:
    "Wenn du 20 km/h schnell fährst, dann erwischst Du alle grünen Ampeln. Kannst du diese grünen LEDs sehen? Wenn du die siehst, dann hast du genau die richtige Geschwindigkeit. Wenn nicht, dann musst du etwas schneller fahren."
    Das Problem dabei: Es dreht sich inzwischen so viel ums Rad in Kopenhagen, dass sich die Räder selbst ab und zu gar nicht mehr drehen, an einigen besonders stark beradelten Kreuzungen zur morgendlichen und nachmittäglichen Rushhour etwa. Fahrradstau – das ist der neue Schrecken in Dänemarks Hauptstadt. Laut Stadtverwaltung gibt es aber Hoffnung. An den Brennpunkten des Fahrradverkehrs stehen jetzt die ersten intelligenten Hinweisschilder, natürlich für nur Zweiradfahrer, die damit an den Staus vorbei auf Nebenstraßen umgeleitet werden sollen. Fragt sich nur, ob sich die je nach Sichtweise selbstbewussten oder stocksturen Kopenhagener Radler auch umleiten lassen.
    Es gibt auch schon die Forderung, den Autoverkehr noch weiter einzuschränken um Platz für noch mehr Fahrradspuren zu schaffen.