Draußen am Rand der Stadt fällt es besonders auf, dass Salzburg doch ein wenig anders ist als das restliche Österreich. Hier ließ vor genau 400 Jahren einer der mächtigen Fürsterzbischöfe ein Lustschloss bauen, mit Wasserspielen im weitläufigen Park. Die trieben nicht nur ein mechanisches Theater an, sondern befeuchteten mitunter auch die ehrwürdigen Gäste mit gezielten Strahlen. Damals wie heute.
"Markus Sittikus, der damalige Fürsterzbischof, war Halbitaliener und hat ähnliche Anlagen in Italien gekannt."
Ingrid Sonvilla ist die Leiterin des Schlosses Hellbrunn. Sie führt uns durch eine pfiffig-fröhliche, man könnte meinen italienisch-leichte Ausstellung. Aus Anlass des 400. Geburtstags ist sie im Schloss eingerichtet worden: Da schwingt sich etwa ein breites Band mit Noten in eleganten Spiralen bis zur Decke eines herrschaftlichen Raums. In einem anderen kann man bequem auf einem sich drehenden Sofa Platz nehmen und die reich bemalte Decke betrachten, ohne dabei den Kopf verrenken zu müssen: nämlich beim Blick auf ein Display in der Armlehne. Und da hängt auch ein großes Porträt des Gründers von Hellbrunn, Markus Sittikus: In der Hand hält der Fürsterzbischof den unter seiner Regentschaft gebauten Salzburger Dom. Hinter ihm ist auf dem Bild das Schloss zu sehen.
"Hellbrunn ist auf der Darstellung weiß und die Dächer sind rot. Es ist erst seit dem 19. Jahrhundert gelb, also wie das von Wien hergeschwappt ist. Und die Dächer rot, könnte eben sein, dass das Tondächer waren, also schon wirklich sehr italienisch beeinflusst."
Heute präsentiert sich das Schloss in habsburgischem Schönbrunnergelb und mit grauem Dach. Ein anderes Bild der Ausstellung zeigt den Schlosspark mit dem heute nicht mehr existierenden Erdbeerhügel. Erdbeeren waren vor 400 Jahren gerade erst aus dem Osmanischen Reich in unsere Breiten gekommen. Der Fürsterzbischof von Salzburg hatte sie bereits in seine Gartenlandschaft integriert. Für Ingrid Sonvilla gibt es noch einen weiteren Beweis für die Macht und Bedeutung des Fürsterzbischofs von Salzburg.
"In seiner Regierungszeit ist ja die erste Oper nördlich der Alpen aufgeführt worden, nicht im Steintheater, sondern in der Residenz, 1614. Und die Oper ist komponiert worden 1612 von Monteverdi, Orfeo. Und hier die Noten."
Italienischer Flair in Salzburg
Gegenüber vom Aufführungsort des Orfeo, der Alten Residenz im Zentrum der Stadt Salzburg, liegt das Salzburg Museum. Dort ist noch bis Ende Oktober die Schau "Bischof. Kaiser. Jedermann." zu sehen, die 200 Jahre Salzburg bei Österreich zum Thema hat. Und die laut Museumsdirektor Martin Hochleitner Auskunft über die Besonderheit des einstigen Fürsterzbistums gibt.
"Wo also eine absolute Machtkonstellation in der Person des Fürsterzbischofs in der religiös-kirchlichen, aber auch in der historischen Situation bestand. Es war sozusagen hier ein Herrscher, der mit sehr viel Reichtum ausgestattet war – Salz, Goldbergabbau. Und der hier wirklich auch versucht hat, diese Machtkonstellation in der gesamten Anlage der Stadt, der große Residenzplatz zum Beispiel, auch zum Ausdruck zu bringen. Das ist spürbar, das erlebt man, das ist auch das Interessante für die Gäste."
Hochleitner spricht die Großzügigkeit der Plätze an, die Salzburg etwas Italienisches verleihen. Imperial ist in Österreich sicherlich auch in Wien, aber eben anders, bedeutungsschwerer und geprägt von den historisierenden Prunkbauten des 19. Jahrhunderts. Deshalb unterscheidet sich diese Zurschaustellung von Macht von jener in Salzburg.
"Es ist eine andere Form. Ich finde, dass zum Beispiel auch Gebäudekomplexe wie die Residenzen, alte und neue Residenz, Schloss Mirabell oder auch Hellbrunn – das hat zwar eine unglaubliche Faszination und natürlich ist es repräsentativ gedacht, aber es hat auch eine gewisse spielerische Leichtigkeit. Und das finde ich so spannend. Und vor allem: Es sind dies auch Bauwerke, die nicht im Historismus entstanden sind, sondern eben Epochen zuvor. Und deshalb auch sozusagen in der Zeit entstanden, eine ganz spezielle architektonische Qualität besitzen."
Einer muss es besonders gut wissen. Nicht nur, weil er im Salzburgischen wohnt. Er ist ein Nachfahre jener Familie, die Salzburg nach den Fürsterzbischöfen regierte, die Habsburger der österreichischen Monarchie. Für Karl Habsburg, Enkel des letzten österreichischen Kaisers Karl, kommt neben der weltlichen auch die geistliche Bedeutung der Salzburger Fürsterzbischöfe als erste Bischöfe im deutschen Sprachraum zum Tragen.
"Darüber hinaus waren die Erzbischöfe danach, auch wenn sie keine unmittelbar weltliche Macht mehr hatten, ja als Primas Germaniae eine sehr hohe Funktion hatten. Und natürlich prägt das auch das Salzburger Stadtbild."
Salzburg, die Postkartensilhouette: Spitze und zwiebelige Kirchtürme, Kuppeln – eine Stadt als sakrales Zentrum am Ufer der Salzach. Die Altstadt, deren Bürgerhäuser sich eng nebeneinander an den Mönchsberg zwängen, über dem die Feste Hohensalzburg aus dem 11. Jahrhundert thront.
Niedergang der Stadt
Mit den napoleonischen Kriegen Anfang des 19. Jahrhunderts war das Ende der geistlich-weltlichen Macht in Salzburg gekommen, das Ende der Ära der Fürsterzbischöfe, die reich geworden waren durch Salz, Kupfer, Gold und Bergkristall, das im alpinen Hinterland gewonnen wurde. Fünfmal wechselten innerhalb weniger Jahre die Herrscher in Salzburg. Der umfangreiche Domschatz verstreute sich über ganz Europa, erzählt Ausstellungskurator Peter Husty.
"Jeder hat mitgenommen, was er gebraucht hat, gerne gehabt hat, manchmal unter rationalen Gründen. Also die Österreicher haben gesagt beim zweiten französischen Krieg, die Franzosen rücken vor, wir müssen die Kunstgegenstände nach Wien in Sicherheit bringen. Zurückgekommen sind sie dann nicht mehr. Bis in die 20er-Jahre hinein hat man abtransportiert. 1816 war Salzburg eine totale Provinz, es gab keinen Regenten mehr, die Stadt musste sich erst selbst etablieren. Man zentralisierte damals und hat in die kaiserliche Sammlung übernommen, was gegangen ist."
Zur Jubiläumsschau sind zahlreiche Kunstschätze für kurze Zeit wieder nach Salzburg gereist: der Harnisch eines Fürsterzbischofs aus München, eine Reiseflasche aus Florenz, Goldarbeiten aus Paris und Wien.
Salzburg war in wenigen Jahren arm an Kunstschätzen geworden. Im Zuge der Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress 1815/1816 hatte es aber auch Territorium eingebüßt. Um das abschätzen zu können, lassen wir uns von der Standseilbahn innerhalb von wenigen Sekunden zur Festung Hohensalzburg bringen. Sie bietet hoch über der Stadt einen Blick weit ins Land. Die Burgführerin Christine Walther streckt den Arm aus und zeigt Richtung Norden, wo Salzburg damals verkleinert wurde.
"Zum Leidwesen der Salzburger, weil der sogenannte Rupertiwinkel, das ist alles, was da hinausgeht, alles da links von der Salzach dann auch noch, das ist dann alles bei Bayern geblieben, das ist also Tittmoning, Waging, ja, Laufen. Laufen, das ist wirklich ein tragisches Schicksal gewesen, weil sie haben die Bezeichnung "die zerrissene Stadt", wo sie Laufen und Oberndorf haben. Und die auf einmal aus einer Gemeinschaft zerrissen worden sind."
Oberndorf: Heimat des Liedes "Stille Nacht"
Oberndorf, das ist die Heimat des Liedes "Stille Nacht". Damals, bis 1816, war der Ort die Vorstadt der Schiffsleute am anderen Salzachufer gewesen. Hauptort war Laufen gegenüber, in einer Flussschleife gelegen. Heute verbindet eine mehr als 100 Jahre alte Eisenbrücke die beiden Städte. In der Mitte prangen der österreichische Doppeladler und das Wappen des Königs von Bayern. Wegen des schmalen Stadttors am Laufener Ende staut der Verkehr hier fast den ganzen Tag. Stadtführer Rudolf Pronold stammt aus Laufen. Und man erkennt seinen bayrischen Dialekt sofort. Er erzählt von der Zeit, als das noch nicht so war, weil Laufen und Oberndorf eine ungeteilte Stadt im Fürsterzbistum Salzburg bildeten.
"Das war ein gewachsenes Gefüge. Man hat fast den gleichen Dialekt gesprochen. Das ganze Gebiet Waginger See war die Kornkammer von Salzburg, hier wurde Salzburg mit Getreide beliefert. Laufen hatte viel Besitzungen drüben, die Kirche. Laufen war großes Pflegegericht, aber die meisten Gebiete rechts der Salzach, alles verloren. Man war jetzt plötzlich am Rande von Bayern, nichts mehr. Erst nach und nach hat man wieder Gericht bekommen und gewisse Bedeutung als Verwaltungsstadt. Heute gehört das Gebiet, das früher salzburgisch war, sagt man heute: der Rupertiwinkel. Aber nur auf bayrischer Seite, auf österreichischer nicht."
Zum Rupertiwinkel gehört das kleine deutsche Eck, das man aus den Verkehrsnachrichten kennt, jenes Gebiet rund um Berchtesgaden, das heute eine Delle in der Grenze zu Salzburg bildet. Die Trennung von Laufen und Oberndorf vor 200 Jahren war für beide Seiten schwer.
"Ganz einschneidend war das Ganze auch hier für Oberndorf: Die ganze Verwaltung, Kirche war von Laufen aus. Man hat jetzt eine eigene Kirche machen müssen, einen neuen Friedhof haben sie anlegen müssen, eine neue Schule. Es hat ja nichts gegeben. Und vor allem keine Administration. Die haben ja nicht gewusst, wie man verwaltet. Vorher hat das bayrische Recht gegolten, jetzt das österreichische. Das hat lange, Jahrzehnte, gedauert, bis die eine Verwaltung aufgebaut haben. Vielleicht vergleichbar fast, wenn man liest mit der Berliner Mauer, so war es. Vollkommener Neubeginn für die Leute. Dann war das Land ausgeblutet, hier sind ständig Truppen durchgezogen, französische, österreichische, haben hier Quartier genommen, haben den Leuten alles genommen, haben vergewaltigt. Also eine ganz eine schlimme Zeit war das, keine gute, alte Zeit."
Obendrein war das, was vom einst stolzen Salzburg übrig geblieben war unter österreichischer Herrschaft dem Land Ob der Enns, dem heutigen Oberösterreich, zugeschlagen worden, der Hauptstadt Linz unterstellt. Es brauchte die letzten 200 Jahre, damit sich Salzburg wieder behaupten und seine heutige Position erringen konnte, als ein österreichisches Vorzeigeland, mehr noch, wie Karl Habsburg es formuliert:
"Ich glaube schon, dass man merkt, dass Salzburg so ein mitteleuropäisches Bindeglied ist."