"Dort standen die Franzosen. Und hier ist der Höhenrücken von den Alliierten."
Daniel Boydens ist ein bisschen außer Atem. Er hat gerade – wie schon so oft – diese 226 Stufen erklommen, steht jetzt zu Füßen des kolossalen, tonnenschweren Bronze-Löwen, dem der Hügel seinen Namen verdankt. Der ehemalige Polizist aus dem flämischen Teil Belgiens ist einer von 45 geprüften ehrenamtlichen Touristenführern in Sachen Waterloo.
Sie können den Besuchern alles über die verlustreiche Schlacht damals erzählen, bei der am 18. Juni 1815 innerhalb weniger Stunden 47.000 Soldaten getötet und verletzt wurden. Von hier oben, vom 41 Meter hohen Löwenhügel, hat man den besten Blick über das ehemalige Schlachtfeld mit seiner leicht wellenförmigen Topografie.
"Ein Gesetz von 1914 verbietet, hier noch was zu bauen. So sieht das Schlachtfeld noch ziemlich genau aus wie damals. Mit den drei Bauernhöfen."
Einer der Höfe ist La Haye Sainte. An jenem langen Juni-Nachmittag 1815, einer der am meisten umkämpften Stellungen zwischen der Armee Napoleons auf der einen Seite und der des britischen Generals Wellington, beziehungsweise des mit ihm verbündeten preußischen Generals Blücher, auf der anderen Seite.
Zwischen Museum, Privathaus und Campingplatz
Der Gutshof lag genau in der Mitte des Schlachtfelds. Heute lebt Susanna Cornet D'Elzius mit ihrer Familie auf dem historischen Hof aus dem 17. Jahrhundert, der seit Ende des 19. Jahrhunderts im Familienbesitz ist.
"Also hier befinden wir uns an einer Originaleisentür von der Schlacht und – jetzt wird's spannend – hier sind auch noch Original-Einschusslöcher."
La Haye Sainte hat durchaus Museales, ist aber kein Museum, sondern ein Privathaus. Trotzdem gibt es wenig Privatheit in diesen Tagen für die Bewohner des Hofs. Enthusiasten aus 52 Ländern - sogar aus Australien und Brasilien - werden die Schlacht von Waterloo an zwei Tagen originalgetreu nachstellen. Von den Deutschen unter ihnen werden ein paar Dutzend hier bei Susanna Cornet D'Elzius auf dem Hof kampieren.
"Mittwochabends werden die hier einrücken, wollen in der Scheune schlafen. Wollen auch historisch genau das an Essen zubereiten, was gegessen wurde, so eine Art Erbsensuppe. Und am nächsten Morgen wollen die dann tatsächlich den Tag genauso gestalten, wie der Tag der Schlacht verlaufen ist."
So, oder so ähnlich dürfte es an jenem Juni-Tag 1815 geklungen haben. So oder so ähnlich wird es am 19. und 20. Juni wieder klingen. Die Nachstellung der Schlacht von Waterloo, mit 5.000 Soldaten in historischen Uniformen, 300 Pferden und 100 Kanonen, ist einer der Höhepunkte der Feierlichkeiten. Insgesamt rund 200.000 Zuschauer werden dazu erwartet. Die Tickets sind seit Monaten ausverkauft.
Virtuell auf Napoleons Spuren
Extra zur 200-Jahrfeier wurde Ende Mai das neue Waterloo-Museum eröffnet. Am Fuße des Löwenhügels. Unterirdisch. Auf dem Schlachtfeld darf ja nichts gebaut werden. Beim Ausheben der Fundamente stieß man noch auf Spuren der Schlacht.
"Das ist hier unser Skelett. Hat man dabei noch gefunden einen Löffel und ein Taschenmesser, Münzen – hier gefunden worden beim Bau von diesem Memorial.
Ein moderner Bau, ein modernes Museumskonzept, mit Audio-Guide, Drei-D-Film und animierten Schlachtgemälden. Die Hoffnung der Verantwortlichen ist, dass das neue Museum nicht nur in diesen Tagen, sondern nachhaltig mehr Besucher anlockt, auch gern junge Menschen:
"Animierte Gemälde – ja. Wir sind in einem supermodernen Memorial, mit Audio und Video, 3-D."
Er selbst, Daniel Boydens, der zum Waterloo-Experten mutierte ehemalige Polizist, zieht das Authentische vor. Wie etwa im Orte Waterloo selbst das Wellington-Museum, in dem Gasthaus mit Stall, in dem der britische General vom 17. bis 19.Juni 1815 Quartier nahm.
"An diesem Tisch hat er seinen berühmten Brief nach London geschrieben, dass er die Schlacht gewonnen hat."
Im Museum von Wellingtons ehemaligen Hauptquartier, in der gesamten Region hofft man, dass auch nach der 200-Jahrfeier ein gewachsenes Interesse rund um die sprichwörtliche Schlacht bleibt, das sich ein wenig in barer Münze auszahlt.
Gutshof-Besitzerin Susanna Cornet D'Elzius hofft in erster Linie, auf seltener über ihren Kopf kreisende Hubschrauber und dass zumindest der ganz große Trubel bis zum nächsten runden Jubiläum vorbei ist.
Gutshof-Besitzerin Susanna Cornet D'Elzius hofft in erster Linie, auf seltener über ihren Kopf kreisende Hubschrauber und dass zumindest der ganz große Trubel bis zum nächsten runden Jubiläum vorbei ist.
"Ich denke mir immer: Ab dem 20. Juni versinkt dieses Schlachtfeld wieder in den Dornröschen-Schlaf."