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200. Todestag
Brienne-le-Château - Wo Napoleons Karriere begann

In Frankreich wird dieses Jahr des 200. Todestages von Napoleon Bonaparte gedacht. Auch der kleine Ort Brienne-le-Château in der Champagne hält mit einem Museum die Erinnerung an ihn wach. Dort besuchte Napoleon als Jugendlicher die Militärschule. Auch später blieb er dem Ort immer verbunden.

Von Christiane Kaess |
Der junge Napoleon kommandiert in der Militärschule in Brienne eine Schneeballschlacht. Das Bild zeigt eine Szene aus dem Stummfilm "Napoleon", Frankreich 1925-27; Regie u.Buch: Abel Gance; Rekonstruktion des Films: Kevin Brownlow
Der junge Napoleon kommandiert eine Schneeballschlacht - Szene aus dem Stummfilm "Napoleon" (akg-images)
David Chanteranne steht vor einem großen Glaskasten. Ein brauner Dreispitz ist darin ausgestellt. Es ist einer von fünf Hüten in ganz Frankreich, von denen man sicher sei, dass Napoleon sie getragen habe, erzählt der Historiker.
"Die Mode damals war, diesen Hut nach vorne gerichtet zu tragen – in Marschrichtung – Napoleon hat ihn parallel zu den Schultern getragen. Das ist sein Markenzeichen geworden und er so etwas wie eine Werbefigur. Wenn Sie einen Dreispitz so tragen und die Hand in die Weste stecken, werden Sie als Napoleon wiedererkannt."
Ein Gemälde Napoleons, er sieht mit ernstem Blick am Betrachter vorbei
Warum unser Bild von Napoleon verzerrt ist
Eine der schillerndsten Figuren der Weltgeschichte wurde am 15. August 1769 geboren: Napoleon Bonaparte. Mehr als eine Million Bücher seien über ihn geschrieben worden, sagt der Historiker Thomas Schuler. Und doch sei längst nicht alles über ihn gesagt.

Als Kind an der Militärschule

Bildtafeln erklären auf Französisch, Englisch und Deutsch, wie die Konstruktion dieser Figur Teil von Napoleons Propaganda wurde. In zahlreichen Gemälden wird der umstrittene Feldherr verherrlicht. Dass Napoleon die Alpen auf einem Esel überquerte, scherte den Maler Jacques-Louis David nicht. Er stellte Napoleon am Sankt-Bernhard-Pass auf einem muskulösen Pferd in Siegerpose dar.
David Chanteranne hat mehrere Bücher über Napoleon geschrieben. Die Forschung über die historische Figur ende nie, sagt er, aber: "Man kann Napoleon nicht verehren. Er hatte eine autoritäre Seite. Auch wenn man bedenken muss, dass es direkt nach der französischen Revolution war. Die Ordnung herzustellen, das passiert manchmal mit etwas harten Entscheidungen. Aber Napoleon war auch ein schwieriger Charakter. Zum Beispiel einen Krieg in Spanien oder in Russland anzufangen – dazu gab es keinerlei Verpflichtung. Das war nur der persönliche Ehrgeiz."
Und der zeigte sich schon als Kind an der Militärschule in dem kleinen Brienne-le-Château, deren Gebäude heute das Museum beherbergen. Napoleon kam als Neunjähriger aus Korsika und blieb fünf Jahre, erzählt Chanteranne.

Sieg in einer Schneeballschlacht

"Als er auf der Militärschule hier angekommen ist, hat er noch einen starken korsischen Akzent und dunkle, sonnengebräunte Haut. Seine Kameraden machen sich über ihn lustig. Er ist ein bisschen ein Außenseiter. Er liest viel und arbeitet hart, um einer der besten Schüler zu werden. Aber es gibt eine Episode: Im Winter als man eine Schneeballschlacht organisiert, beobachtet Napoléon was passiert und gibt Ratschläge. Er sagt den Schülern, die dabei sind zu verlieren: Ihr müsst das anders machen, den Gegner frontal angreifen, dann an der Flanke. Und so gewinnen sie. Der junge Napoleon Bonaparte hat also seine ersten Siegeslorbeeren hier in Brienne bekommen."
Ein Bild im Museum hält die Schneeballschlacht fest. Auf dem Holzboden der Ausstellungsräume steht in großen weißen Buchstaben Brienne, Paris oder Berlin. Weiße Pfeile zeichnen den Weg Napoleons durch Europa nach. Handy-Codes an den Bildern, Statuen und Karten erklären in Videos das Leben des französischen Kaisers. Der Historiker Chanteranne verwaltet das Museum. Zweimal im Monat kommt er aus Paris hierher. Bernard Mathieu ist froh über die Unterstützung des Experten. Auch für den stellvertretenden Bürgermeister von Brienne-le-Château ist Napoleon eine doppeldeutige Persönlichkeit.
"Man liebt es, ihn zu hassen, oder man hasst es, ihn zu lieben. Aber für unsere Kommune wiederum hat er viel gebracht. Er hat gesagt, es war in Brienne, wo er seine ersten Eindrücke der Menschen bekommen hat. Er hat sich mehr als Einwohner der Champagne gefühlt als als Korse."
Die Bronzestatue vor dem Rathaus von Brienne-le-Château zeigt Napoleon als Jugendlichen. Ein schmaler Junge, aber schon in seiner typischen Pose mit einer Hand in der Weste.
Die Bronzestatue vor dem Rathaus von Brienne-le-Château zeigt Napoleon als Jugendlichen. (Deutschlandradio / Christiane Kaess)
Bernard Mathieu kämpft darum, das historische Erbe seines Ortes zu erhalten. Das kleine Brienne steht dabei in Konkurrenz zu den großen Städten.

Anfang und Niedergang

"Ja, wir sind eine kleine Stadt. Wir haben nicht genügend Hotels oder Restaurants, um viele Leute zu empfangen. Es ist sehr französisch: Wenn man in Paris ist, sieht man nicht viel von dem, was sich außerhalb abspielt und man will nicht unbedingt kleinen Museen in der Provinz helfen. Das ist schade. Und es ist schwierig für uns. Aber Brienne ist der Ort, wo Napoleons Karriere angefangen hat, er kam hier auf dem Höhepunkt seiner Macht vorbei. Und hier hatte er 1814 seinen Niedergang."
Napoleon als historische Figur war auch für die heutigen Bewohner von Brienne irgendwie immer da. Bernard Mathieu erinnert sich, wie er als Kind Leute sah, die – wie er sagt – fantastische Dinge aus Napoleons Zeit hatten: Kleider oder Säbel. Manches wollte man ihm vergebens schenken.
"Ich habe Wörterbücher von damals bekommen, zwei, drei kleine Statuen, die wertvoll sind. Aber wenn man mir ein Spielzeugauto angeboten hätte oder einen Blei-Soldaten von Napoleon, hätte ich das lieber genommen. Was will man mit einem Buch von Napoleon, wenn man sieben oder acht Jahre alt ist. Das ist einem egal."

Am Rathaus ein Porträt Napoleons

Vor dem Rathaus ist Napoleon als Jugendlicher verewigt. Ein schmaler Junge als dunkle Bronzestatue – schon in seiner typischen Pose mit einer Hand in der Weste. In der anderen hält er ein Buch. Neben dem Denkmal steht Jean-Marc Livet. Er ist Präsident eines Vereins, der die Erinnerung an den französischen Kaiser in dem Ort wachhalten will. Livet deutet auf die Fassade des Rathauses, auf der Napoleons Gesicht in den hellen Stein geschlagen ist.
Dies sei das einzige Rathaus in Frankreich, auf dem statt der der Wörter "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" ein Porträt von Napoleon prangt, erklärt Livet. Das Rathaus wurde mit Geld erbaut, das Napoleon dem Ort Brienne in seinem Testament vermachte.
Livet ist in Brienne geboren und aufgewachsen. Auch für ihn war Napoleon immer gegenwärtig. Wenn er als Junge wissen wollte, was hinter der hohen Mauer der Militärschule war und man ihm von Napoleon erzählte. Oder außerhalb des Ortes, wo in der Schlacht von Brienne 1814 Napoléon mit seinen Soldaten gegen russische und preußische Truppen unter Gebhard Blücher kämpfte. Hier siegte Napoleon. Später besiegte Blücher ihn bei Waterloo. Livet blickt über die weite Fläche.
"In den 50er-Jahren kamen die ersten Traktoren, die mit ihren Pflugscharen tiefer gegraben haben, als davor die Pferde mit ihren kleinen Pflügen. Sie haben Reste der Schlacht an die Oberfläche befördert. Knöpfe der Uniformen, Gewehrkugeln, oder sogar Kanonenkugeln."

Kleiner Ort, große Geschichte

Bis heute suchten Leute die Felder mit Metalldetektoren ab, sagt Livet. Es sei einfach, hier die Menschen für die Geschichte zu begeistern, finden viele im Ort. Auch wenn wegen der Pandemie das Museum für den Publikumsverkehr vorrübergehend schließen musste und im Moment seine Stücke nur Online zeigen kann. Jeanne Roussel, Kunsthistorikerin, die im Museum für die Ausstellungen verantwortlich ist, wünscht sich nichts mehr, als dass sich die Räume bald wieder mit Geschichtsinteressierten füllen.
"Wenn ein Ort wie Brienne-le-Château mit 2.700 Einwohnern beschließt, ein Gebäude komplett zu renovieren, um daraus ein Museum zu machen, zeigt das einen starken Willen zu sagen: Wir brauchen die Kultur und die Verbindung zur Geschichte. Ich bin stolz darauf, in so einem Museum zu arbeiten."