Archiv

200. Todestag
E.T.A. Hoffmann - fantastischer Dichter und Richter

Das erstaunliche Multitalent war Komponist, Impresario, Karikaturist und im Brotberuf respektierter Richter - vor allem aber war E.T.A. Hoffmann ein visionärer Dichter des Fantastischen und präziser Beobachter seelischer Ausnahmezustände. Vor 200 Jahren starb er in Berlin.

Von Florian Ehrich |
E.T.A.Hoffmann - Selbstkarikatur, gezeichnet in Bamberg im Jahr 1809
E.T.A.Hoffmann - Selbstkarikatur, gezeichnet in Bamberg im Jahr 1809. (picture-alliance / akg-images)
„'Ein wunderlicher alter Mann, aus dem niemand klug wird, bleibt er doch, der Archivarius Lindhorst. – Nun soll er leben!' – Da fuhr der Student Anselmus aus seinen Träumen und sagte: ‚Das kommt daher, verehrungswürdiger Herr Registrator, weil der Herr Archivarius Lindhorst eigentlich ein Salamander ist, der den Garten des Geisterfürsten Phosphoros im Zorn verwüstete, weil ihm die grüne Schlange davongeflogen.‘“

Das Fantasiestück „Der Goldene Topf“, aus dem hier zitiert wird, hielt E.T.A. Hoffmann für sein bestes Werk. Federleicht erzählt, gelingt es ihm in diesem „Märchen aus der neuen Zeit“, das Wunderbare mitten in die reale Welt Dresdner Beamten einbrechen zu lassen. Stolz berichtete der Autor:
„Die Idee so das ganz Fabulose, dem aber wie ich glaube, die tiefere Deutung gehöriges Gewicht gibt, in das gewöhnliche Leben keck eintreten zu lassen ist allerdings gewagt und so viel wie ich weiß von einem teutschen Autor in diesem Maaß noch nicht benutzt worden.“

An den Nachtseiten der menschlichen Psyche interessiert

Den Dichter interessierten die Gegensätze zwischen Kunst und Wirklichkeit, Fantasie und Spießbürgertum, Vernunft und Wahnsinn, die Leidenschaften und Nachtseiten der menschlichen Psyche. 1776 in Königsberg geboren, wuchs das musikalische Kind nach der Trennung der Eltern bei einem Onkel auf, der ein pedantisches Regiment führte. Eine Kindheit in „dürrer Heide“ und „bizarrer Einsamkeit“, so Hoffmann. Einen Ausweg bot zunächst die Musik
„Hoffmann ist, nach allem was wir wissen, sehr früh in die Kunst geflüchtet, weil es so ein Gegenbezirk zu all dem war, was in dieser Familie wichtig war.“: so der Germanist Hartmut Steinecke über den jungen Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, der sich seinen dritten Vornamen aus Verehrung für Mozart gab. Trotz fundierter musikalischer Ausbildung wurde er, einer Familientradition folgend, Jurist. Im Staatsdienst in Warschau engagierte er sich als Komponist und Impresario unermüdlich für das Musikleben der Stadt. Später, nach seinem Intermezzo als Kapellmeister in Bamberg, erfand er mit Johannes Kreisler eine folgenreiche Alter Ego-Figur. Hoffmanns Leben war von einer Doppelrolle bestimmt, so sein Biograf Rüdiger Safranski: .“Er trägt schon sehr früh eben diesen Konflikt aus: Kunst und Brotberuf.“

Die romantische Musik miterfunden

Als Komponist war die Oper „Undine“, 1816 mit einer aufwändigen Ausstattung von Karl Friedrich Schinkel in Berlin auf die Bühne gebracht, sein einziger Erfolg. Hoffmanns Musik ist weitgehend vergessen, doch bleibt sein Beitrag einer romantischen Programmatik, die besonders in der Instrumentalmusik die Sprache der Engel oder eine Ahnung des Absoluten vermutete - Rüdiger Safranski:
„E.T.A. Hoffmann hat ja als Schriftsteller das romantische Verständnis von Musik so in Worte gekleidet wie kaum jemand anders und hat dadurch auch teilgenommen an der Erfindung der romantischen Musik.“
Über den Umweg der Musikkritik wurde er dann, fast nebenher, 1809 mit seinem „Ritter Gluck“ zum Erzähler. In dichter Folge erschienen Werke wie die populäre Kriminalgeschichte „Das Fräulein von Scudery“, der Roman „Die Elixiere des Teufels“ oder düstere „Nachtstücke“ wie „Der Sandmann“

Als so brillanter wie ungewöhnlicher Jurist geschätzt

„Er hat über vierzig, teilweise umfangreiche Erzählungen, sieben Romane, zwei, drei umfangreiche Sammelwerke, also viele, viele tausend Seiten veröffentlicht, sagt Hartmut Steinecke. Hoffmann wurde zum Erfolgsautor, der jedoch weiter gewissenhaft im nicht eben geliebten Amt als Kammergerichtsrat in Berlin diente.
„Sein hervorstechendes Talent, sein Scharfsinn und die Präcision seiner Arbeiten sind eben so bekannt wie die Gründlichkeit derselben und das angenehme Gewand, worin er auch die abstraktesten Sachen zu kleiden weiß.“

So ein Vorgesetzter über den ebenso brillanten wie ungewöhnlichen Juristen, der nach Dienstschluss an seinen doppelbödigen Erzählungen arbeitete oder in geselliger Runde dem Punsch zusprach.

Bald nach Hoffmanns Tod am 25. Juni 1822 setzte sich in Deutschland eine negative Kritik an dem Dichter durch. Die ausufernde Fantastik und sein Hang zu unheimlichen und pathologischen Figuren wurde als oberflächliche Schauerromantik geschmäht. Heute sind kaum Zweifel an der außergewöhnlichen Strahlkraft seines Werks möglich.