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2012
Lebenslange Haft für Ägyptens Ex-Präsident Husni Mubarak

Nach Jahrzehnten an der Macht zwingt der Volksaufstand während des Arabischen Frühlings Husni Mubarak zum Rücktritt. Hauptanklagepunkt im folgenden Prozess: Der Staatschef habe den Tod von 850 Demonstranten nicht verhindert. Doch das Todesurteil bleibt ihm erspart, anders als von vielen erwartet.

Von Christoph Vormweg |
Der frühere ägyptische Präsident Hosni Mubarak 2012 im Gericht in Kairo, in einem vergitterten Käfig
Der frühere ägyptische Präsident Hosni Mubarak 2012 im Gericht in Kairo (picture alliance / AP Photo | STR)
Während des arabischen Frühlings geht von Kairo aus das Lied der „Arabellion“ um die Welt. Der autoritär regierende Staatschef Husni Mubarak ist wegen seiner Friedenspolitik gegenüber Israel von den USA und der EU jahrzehntelang finanziell gestützt worden. Doch jetzt sieht er sich wegen permanenter Knebelung der Opposition zum Rücktritt gezwungen. Die ägyptische Justiz zieht ihn zur Rechenschaft.
"Erstmals seit 7.000 Jahren wird ein Pharao verhaftet", so eine Twittermeldung aus den Reihen der ägyptischen Revolutionäre.
Der Hauptanklagepunkt der Staatsanwaltschaft: Mubarak habe während der Massenproteste Anfang 2011 das mörderische Vorgehen seiner Sicherheitskräfte nicht unterbunden. Der Tod von über 800 Demonstranten liege deshalb in seiner Schuld. Nach dem Verlesen der Anklagepunkte - inklusive Korruption und Amtsmissbrauch -  äußert Mubarak, er habe derartige Verbrechen nicht begangen.
Der angeblich Schwerkranke hat sich auf einem Rollbett in den metallenen Gitterkäfig für die Angeklagten schieben lassen - ein Bild, das um die Welt geht.

Prozess in unruhigen Zeiten

„Der Prozess fand unter extrem schwierigen, ja man kann sagen: turbulenten Rahmenbedingungen statt. In Ägypten waren die Machtverhältnisse keineswegs geklärt.“
So Gudrun Krämer, Islamwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin.
„Die effektive Macht lag nach dem Rücktritt Mubaraks in den Händen eines Militärrates. Daneben formierte sich aber die Opposition von ganz links bis, wenn man will, ganz rechts. Dabei rückten auch islamistische Kräfte stark in den Vordergrund.“
Das geht so weit, dass Muslimbruder Mohammad Mursi in die Stichwahl um das Amt des Staatspräsidenten kommt. Zwischen den Wahlgängen wird am 2. Juni 2012 das Urteil gegen seinen Vorgänger Husni Mubarak verkündet.
"Der Schießbefehl gegen Demonstranten war nur mit seiner Zustimmung möglich", zitiert die Deutsche Presse-Agentur einen der Richter. "Der Schusswaffeneinsatz dauerte mehrere Tage, und Mubarak zog niemanden für das Vorgehen mit scharfer Munition zur Verantwortung."

Verurteilung zog Proteste nach sich

„Das Urteil war nicht etwa ein Todesurteil, wie manche vielleicht erwartet hätten, sondern lebenslange Haft. Und es wurde sofort angefochten.“
Spontan kommt es zu Demonstrationen - vor allem auf dem durch den arabischen Frühling weltberühmten Tahrir-Platz in Kairo. Die einen wollen Mubarak hängen sehen. Andere verstehen nicht, warum die Offiziere des für seine Brutalität bekannten ägyptischen Sicherheitsapparats ungeschoren davonkommen sollen. Die Gemäßigten wiederum sehen das Positive nach drei Jahrzehnten Unterdrückung.
„Die symbolische Bedeutung lag darin zu signalisieren, dass hier ein Mächtiger, der seine Macht durchaus auch missbraucht und ein enormes Vermögen angehäuft hatte, nach einem ordentlichen Verfahren abgeurteilt wurde, dass man ihn dabei aber fair und ich würde sogar sagen milde behandelte.“
Nur wenige Tage danach übernimmt Muslimbruder Mohammad Mursi das Amt des Staatspräsidenten. Allerdings nicht sehr lange. Schon 2013 drängt das ägyptische Militär zurück an die Macht. Wenig später kommt es zur Revision des Urteils gegen Mubarak. Ein neues Verfahren wird eingeleitet. Ende 2014 endet es - trotz der Tötungen von über 800 Demonstranten - mit einem Freispruch. Nicht anders die Prozesse wegen Unterschlagung und Misswirtschaft, die aufgrund von Verfahrensmängeln scheitern.

Mubarak stirbt 2020 als freier Mann

2017 ist der ehemalige Staatschef Husni Mubarak wieder ein freier Mann - lediglich mit der Auflage, Ägypten nicht zu verlassen. Drei Jahre später stirbt er im Alter von 91 Jahren. Das Erbe für seine ebenfalls freigesprochenen Söhne scheint beträchtlich. Von mindestens drei Milliarden Dollar ist die Rede.
„Wohl aber wissen wir, dass die Behörden der EU letztlich das Einfrieren des Privatvermögens aufgehoben haben - und auch die Schweiz vor kurzer Zeit das Privatvermögen der Familie Mubarak freigegeben hat.“
Die ägyptischen Militärs regieren unterdessen so repressiv wie einst Husni Mubarak. Der mit seiner Sehnsucht nach Demokratie und Freiheit so hoffnungsvoll gestartete arabische Frühling scheint erstickt.